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So erziehst du starke Kinder
Am andern Morgen sagte der König: „Du hast gut gewacht, aber meine Tochter kann ich dir noch nicht geben. Ich habe da einen grossen Wald, den du mir von heute morgen sechs bis abends sechs abholzen musst; dann werde ich mir die Sache bedenken.“ Und er gab ihm eine gläserne Axt, einen gläsernen Keil und eine gläserne Holzhacke dafür. Wie er nun ins Holz gekommen war, hackte er einmal mit der Axt, da war sie entzwei; dann nahm er den Keil und schlug einmal mit der Holzhacke darauf, da war dieser so kurz und so klein wie ein Stein. Das betrübte ihn sehr, weil er glaubte, nun sterben zu müssen, und er setzte sich hin und weinte. Als es Mittag geworden war, da sagte der König: „Eine von euch Mädchen muss ihm etwas zu essen bringen.“ – „Nein,“ sagten die beiden älstesten, „wir wollen ihm nichts bringen. Die, bei der er die letzte Nacht gewacht hat, die kann ihm auch etwas bringen.“ Nun musste die jüngste weg, und ihm etwas zu essen bringen. Wie sie in den Wald kam, fragte sie ihn, wie es ihm gehe? Es gehe ihm schlecht, sagte er. Da sagte sie, er solle herkommen und ein wenig essen. Nein, sagte er, das könne er nicht, denn er müsse ja doch sterben, und wolle deshalb nicht mehr essen. Sie gab ihm viele gute Worte, er möge doch einmal versuchen. Endlich kam er und ass davon. Als er ein wenig gegessen hatte, sagte sie: „Damit du auf andere Gedanken kommst, will ich dich erst ein bisschen kraulen.“ Sie kraulte ihn, und dabei wurde er müde und schlief ein. Da nahm sie ihr Tuch, band einen Knoten hinein, schlug es dreimal auf die Erde und sagte: „Arbeiter, heraus!“ Da kamen sogleich viele, viele Erdmännchen hervor und fragten nach den Befehlen der Königstochter.
Sie sagte: „In der Zeit von drei Stunden muss der grosse Wald abgehauen und das Holz in Stapeln aufgesetzt sein!“ Und da gingen die Erdmännchen herum und boten ihre ganze Verwandschaft auf, dass sie ihnen bei der Arbeit helfen sollten. Sie fingen gleich an, und als die drei Stunden um waren, hatten sie die Arbeit erledigt. Da kamen sie wieder zur Königstochter und sagten es ihr. Das Mädchen nahm ihr weisses Tuch und sagte: „Arbeiter, nach Hause!“ Und da sind alle gleich wieder weggewesen.
Als der Königssohn aufwachte, da war er von Herzen froh; sie aber sagte zu ihm: „Wenn es nach sechs geschlagen hat, dann komm zurück nach Haus!“ Das befolgte er, und der König fragte: „Hast du den Wald ab?“ -„Ja,“ sagte der Königssohn. Und als sie bei Tisch sassen, sagte der König: „Noch kann ich dir meine Tochter nicht zur Frau geben, du musst noch etwas für sie tun.“ Der Königssohn fragte, was es denn sei. „Ich habe einen grossen Teich,“ sagte der König, „da musst du morgen hin und musst ihn ausschlämmen, dass er so blank ist wie ein Spiegel, und es müssen noch allerhand Fische darin sein.“ Am anderen Morgen gab ihm der König eine gläserne Schippe und sagte: „Um sechs Uhr muss der Teich fertig sein.“ Da ging er fort, und als er zu dem Teich gekommen war, da steckte er die Schippe in den Sumpf, und sie brach ab. Er stach mit der Hacke hinein, und sie zersprang. Da wurde er wieder ganz betrübt. Am Mittag brachte ihm die Tochter das Essen, und fragte ihn, wie es ihm gehe. Da sagte der Königssohn, es gehe ihm ganz schlecht, und er würde wohl seinen Kopf verlieren. Oh, sagte sie, er solle nur kommen und etwas essen, um wieder auf andere Gedanken zu kommen. Nein, sagte er, essen könne er nicht, dazu sei er viel zu traurig. Aber sie redete ihm wieder gut zu, bis er zu ihr kam und etwas ass. Da kraulte sie ihn wieder, und er schlief ein. Dann nahm sie ihr Tuch, knüpfte einen Knoten hinein und klopfte damit dreimal auf die Erde und sagte: „Arbeiter, heraus!“ Da kamen gleich so viele, viele Erdmännchen und alle fragten nach ihrem Begehren. Sie sagte es ihnen. Da gingen die Erdmännchen hin und boten ihre Verwandtschaft auf, dass sie ihnen helfen sollte. Und in zwei Stunden war alles fertig. Sie kehrten zur Königstochter zurück und sagten: „Wir taten, was du uns befohlen hast.“ Da nahm die Königstochter das Tuch und schlug wieder dreimal auf die Erde und sagte: „Arbeiter, nach Hause!“ Da gingen alle wieder weg.
Wie nun der Königssohn wieder aufwachte, war der Teich fertig. Jetzt ging auch die Königstochter weg und sagte, wenn es sechs wäre, sollte er nach Hause kommen. Als er nach Hause kam, da fragte ihn der König: „Hast du den Teich fertig?“ – „Ja,“ sagte der Königssohn. Als sie bei Tische sassen, meinte der König: „Du hast den Teich zwar fertig, aber meine Tochter kann ich dir noch nicht geben, denn du musst erst noch etwas tun.“ – „Was denn?“ fragte der Königssohn. Er hätte noch einen grossen Berg, sagte der König, da wären viele Dornbüsche drauf, die alle abgehauen werden müssten. Und oben auf dem Gipfel müsste er ein grosses Schloss bauen, das so schön sein müsste, als es sich nur ein Mensch denken könnte, und alles Hausgerät und was sonst noch in ein Schloss gehört, sollte drinnen sein.
Als er am andern Morgen aufstand, gab ihm der König eine gläserne Axt und einen Bohrer aus Glas mit. Um sechs Uhr, sagte der König, müsste er damit fertig sein. Als er den ersten Dornbusch mit der Axt anhieb, ging sie kurz und klein, dass die Stücke um ihn herumflogen; auch der Bohrer ging entzwei. Da war er wieder ganz betrübt und wartete auf seine Liebste, ob sie nicht käme und ihm aus der Not helfen würde. Gegen Mittag kam sie auch und brachte ihm etwas zu essen. Da ging er ihr entgegen und erzählte ihr alles und ass etwas; dann liess er sich von ihr kraulen und schlief wieder ein.
Da nahm sie wieder den Knoten, schlug damit auf die Erde und sagte: „Arbeiter, heraus!“ Und wieder kamen viele Erdmännchen und fragten, was sie begehre? Sie sagte: „In der Zeit von drei Stunden müsst ihr alle Dornbüsche abholzen, und oben auf dem Berge, da muss ein Schloss stehen, das muss so schön sein, wie es kein anderes mehr gibt.“ Die Erdmännchen gingen nun hin und boten ihre Verwandtschaft auf, dass sie helfen sollte. Als die Zeit um war, da war auch alles fertig. Da kamen sie zur Königstochter und sagten es ihr. Und die Königstochter nahm das Tuch, schlug damit dreimal auf die Erde und sagte: „Arbeiter, nach Hause!“ Da sind alle gleich wieder weggewesen, und als der Königssohn aufwachte und alles sah, war er so froh wie ein Vogel in der Luft.
Als es nun sechs geschlagen hatte, da gingen sie zusammen nach Hause, und der König fragte: „Ist das Schloss auch fertig?“ – „Ja,“ sagte der Königssohn. Als sie nun bei Tische sassen, sagte der König: „Meine jüngste Tochter kann ich nicht eher hergeben, als bis die beiden älteren gefreit haben.“ Da waren der Königssohn und die Königstochter sehr betrübt, und der Königssohn wusste sich nicht mehr zu helfen. Und als die Nacht gekommen war, lief er mit der Königstochter davon. Als sie schon eine Weile fort waren, da schaute sich die Königstochter einmal um und sah ihren Vater hinter sich. „Oh,“ sagte sie, „was sollen wir machen? Mein Vater ist hinter uns und will uns einholen. Ich werde dich in einen Dornbusch verwandeln und mich in eine Rose. Und mitten im Busch werde ich wohl sicher sein.“ Als der Vater an die Stelle kam, stand dort ein Dornbusch und mittendrin eine Rose. Er wollte die Rose abbrechen, doch kam der Dorn und stach ihm in die Finger, dass er wieder nach Hause gehen musste. Da fragte seine Frau, warum er sie nicht mitgebracht hatte? Da sagte er, er habe nur einen Dornbusch und eine Rose gesehen. Da sagte die Königin: „Hättest du nur die Rose abgebrochen, dann wäre der Busch schon mitgekommen.“ Da ging der König wieder fort und wollte die Rose holen. Aber die beiden waren schon weit über Feld, und der König lief immer hinter ihnen her. Da sah sich die Tochter wieder um und erblickte den Vater. Da sagte sie: „Oh, wie wollen wir es jetzt machen? Ich werde dich in eine Kirche verwandeln und mich in einen Pastor. Da will ich auf der Kanzel stehen und predigen.“ Und als der König an die Stelle kam, stand dort eine Kirche, und ein Pastor stand auf der Kanzel und predigte. Der König hörte sich die Predigt an, ging dann nach Hause und erzählte alles seiner Frau. „Du hättest den Pastor mitbringen sollen,“ sagte die Frau, „die Kirche wäre dann schon von selber gekommen. Wenn man dich schon schickt. Ich glaube doch, ich muss selber gehen.“
Als sie eine Weile unterwegs war und die beiden von ferne sah, da guckte sich die Königstochter um und sah ihre Mutter kommen und sagte: „O weh, nun kommt meine Mutter selbst. Ich will dich in einen Teich verwandeln und mich in einen Fisch.“ Als die Mutter an die Stelle kam, war da ein grosser Teich und in der Mitte sprang ein Fisch herum und sah mit dem Kopf aus dem Wasser und war ganz lustig. Da war sie ganz böse und trank den ganzen Teich aus, damit sie den Fisch doch noch fangen konnte. Doch wurde ihr davon so übel, dass sie das ganze Wasser wieder ausspeien musste. Und sie sagte: „Ich sehe wohl, dass hier nichts mehr helfen kann!“ Und die Königin gab ihrer Tochter drei Walnüsse und sagte: „Mit diesen kannst du Hilfe in höchster Not erhalten.“ Und damit gingen die jungen Leute wieder zusammen fort. Sie waren nun schon an die zehn Stunden gegangen, da kamen sie zu dem Schloss, aus dem der Königssohn war, und in dessen Nähe sich ein Dorf befand. Als sie da angekommen waren, da sagte der Königssohn: „Bleib hier, meine Liebste, ich will zuerste zum Schloss gehen, und dann mit Wagen und Bedienten kommen und dich abholen.“ Als er in das Schloss kam, da waren alle so froh, dass sie den Königssohn wiederhatten, und er erzählte, dass er eine Braut hätte, und die wäre jetzt im Dorf; sie sollten mit dem Wagen hinfahren und sie holen. Da spannten sie auch gleich an, und viele Bediente setzten sich auf den Wagen. Als nun der Königssohn einsteigen wollte, da gab ihm seine Mutter einen Kuss, der ihn alles vergessen liess, was geschehen war und auch, was er hatte tun wollen. Da befahl die Mutter, sie sollten wieder ausspannen, und alle kehrten ins Haus zurück. Das Mädchen aber sitzt im Dorf und lauert und lauert und meint, er komme, sie abzuholen, es kommt aber keiner. Da vermietet sich die Königstochter in die Mühle, die gehört aber zum Schloss. Da musste sie alle Nachmittage am Wasser sitzen und Gefässe reinigen. Einmal kam die Königin vom Schlosse her, um am Wasser spazierenzugehen. Sie sah das wackere Mädchen da sitzen und sagte: „Was ist das für ein wackeres Mädchen! Das gefällt mir gut!“ Da guckten sie alle an, aber kein Mensch erkannte sie.
Es verging nun eine lange Zeit, und das Mädchen diente dem Müller treu und brav. Unterdessen hatte die Königin eine Frau für ihren Sohn gesucht, die von ganz weit herkam. Als die Braut ankam, sollten sie gleich einander verbunden werden. Es liefen so viele Leute zusammen, die das alles sehen wollten, dass auch das Mädchen den Müller bat, zur Kirche gehen zu dürfen. „Geh nur hin,“ sagte der Müller. Doch bevor sie wegging, öffnete sie eine der drei Walnüsse; darin lag ein schönes Kleid. Das zog sie an und ging in die Kirche, ganz nahe an den Altar. Auf einmal kommt die Braut und der Bräutigam, und sie setzten sich vor den Altar; und als der Pastor sie einsegnen will, sieht die Braut zur Seite und sieht das Mädchen. Sie steht sofort wieder auf und sagt, sie würde nicht eher wieder zur Trauung erscheinen, als bis sie so ein schönes Kleid wie die Dame hätte. Da gingen sie wieder nach Hause und liessen die Dame fragen, ob sie das Kleid wohl verkaufte. Nein, verkaufen würde sie es nicht, aber verdienen, das könnte es die Braut schon. Da fragten sie das Mädchen, was es damit wohl meine. Dieses sagte, wenn sie nachts vor der Tür des Königssohnes schlafen dürfte, dann könnte die Braut das Kleid gern haben. Und die Braut sagte ja! So mussten die Bedienten dem Königssohn einen Schlaftrunk herrichten, und das Mädchen legte sich vor die Tür und weinte und erzählte die ganze Nacht: sie hätte für ihn den ganzen Wald abholzen, den Teich ausschlämmen und das Schloss für ihn bauen lassen. Dann hätte sie ihn in einen Dornbusch verwandelt, als zweites in eine Kirche und zuletzt in einen Teich; aber er hätte sie so rasch vergessen. Davon hörte der Königssohn jedoch nichts, und nur die Diener waren dadurch aufgewacht und hatten alles gehört, wussten aber nicht, was es bedeuten sollte.
Am andern Morgen, als sie aufgestanden waren, zog die Braut das Kleid an und fuhr mit dem Bräutigam zur Kirche. Unterdessen öffnete das Mädchen die zweite Walnuss, und darin lag ein noch schöneres Kleid. Das zog sie an, ging damit in die Kirche und setzte sich dicht an den Altar; und alles ging genauso wie beim letzten Mal: Das Mädchen legte sich vor die Tür der Stube des Königssohnes, dessen Bedienten ihm wieder einen Schlaftrunk geben sollten. Doch enthielt der Trunk des Königssohnes kein Schlafmittel, und er legte sich wach zu Bett. Die Müllersmagd weinte wieder und erzählte, was sie alles getan hätte. Das alles hörte der Königssohn, und war davon ganz betrübt, und plötzlich fiel ihm alles wieder ein, was in der Vergangenheit geschehen war. Da wollte er zu ihr gehen, aber seine Mutter hatte die Türe zugeschlossen. Am andern Morgen aber ging er gleich zu seiner Liebsten und erzählte ihr alles, wie es ihm ergangen wäre, und sie möchte doch nicht böse sein, dass er sie so lange vergessen hätte. Da machte die Königstochter die dritte Walnuss auf, und es war das allerschönste Kleid darin, das man sich nur denken konnte. Das zog sie an und fuhr mit dem Bräutigam zur Kirche; da kamen viele Kinder, die gaben ihnen Blumen und legten ihnen bunte Bänder zu Füssen, und sie liessen sich einsegnen und hielten eine lustige Hochzeit; aber die falsche Mutter und die Braut mussten weg. Und wer das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.