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So erziehst du starke Kinder
Die beiden Wanderer fanden eine Herberge und deckten sich auf dem Strohlager mit ihren Röcken zu, vergassen aber wegen ihrer Müdigkeit, die Kohlen zuvor herauszunehmen. Ein schwerer Druck auf ihren Gliedern weckte sie früher als gewöhnlich. Sie griffen in die Taschen und wollten ihren Augen nicht trauen, als sie sahen, dass sie nicht mit Kohlen, sondern mit reinem Gold angefüllt waren; auch Haupthaar und Bart waren glücklich wieder in aller Fülle vorhanden. Sie waren nun reiche Leute geworden, doch besass der Goldschmied, der seiner habgierigen Natur gemäss die Taschen besser gefüllt hatte, noch einmal soviel als der Schneider. Ein Habgieriger, wenn er viel hat, verlangt noch mehr, der Goldschmied machte dem Schneider den Vorschlag, noch einen Tag zu verweilen, am Abend wieder hinauszugehen, um sich bei dem Alten auf dem Berge noch grössere Schätze zu holen. Der Schneider wollte nicht und sagte: „Ich habe genug und bin zufrieden; jetzt werde ich Meister, heirate meinen angenehmen Gegenstand (wie er seine Liebste nannte) und bin ein glücklicher Mann.“ Doch wollte er, ihm zu Gefallen, den Tag noch bleiben. Abends hing der Goldschmied noch ein paar Taschen über die Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an, Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht, einzustecken, was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. „Wenn das Gold auch drückt,“ sprach er, „ich will das schon ertragen,“ und schlief endlich mit dem süssen Vorgefühl ein, morgen als steinreicher Mann zu erwachen. Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen, aber wie erstaunte er, als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hineingreifen, als er wollte. „Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe,“ dachte er und holte es herbei, aber wie erschrak er, als er sah, dass es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirne, da fühlte er, dass der ganze Kopf kahl und glatt war wie der Bart. Aber sein Missgeschick war noch nicht zu Ende, er merkte erst jetzt, dass ihm zu dem Höcker auf dem Rücken noch ein zweiter ebenso grosser vorn auf der Brust gewachsen war. Da erkannte er die Strafe seiner Habgier und begann laut zu weinen. Der gute Schneider, der davon aufgeweckt ward, tröstete den Unglücklichen, so gut es gehen wollte, und sprach: „Du bist mein Geselle auf der Wanderschaft gewesen, du sollst bei mir bleiben und mit von meinem Schatz zehren.“ Er hielt Wort, aber der arme Goldschmied musste sein Lebtag die beiden Höcker tragen und seinen kahlen Kopf mit einer Mütze bedecken.