Schlagwort-Archive: Johann Wilhelm Wolf

Die Königstochter im Berge Muntserrat

Johann Wilhelm Wolf
Die Königstochter im Berge Muntserrat

Es war einmal ein König der hatte drei Söhne. Als er schon bei Jahren war, verfiel er in eine Krankheit und es wurde von Tag zu Tag schlimmer mit ihm, bis endlich die Ärzte erklärten, es sei ihm nicht mehr zu helfen. Vergebens bot er Geld und Gut im Überfluss aus, wenn einer ihn retten könne, es schien kein Kraut für ihn gewachsen.

Da träumte ihm eines Nachts, weit überm Meere liege der Berg Muntserrat, dahinein sei König Karlequintes verwünscht. In dem Berge stehe ein stolzes Schloss und vor dem Schloss sprängen drei Brunnen, davon sei einer der Brunnen der Schönheit, der andere der Brunnen des Lebens und der dritte der Brunnen des Todes. Wenn nun einer hinginge und Wasser aus dem Brunnen des Lebens hole, das sei seine Rettung.

Am folgenden Morgen erzählte er seinen Söhnen den Traum und sprach: „Ach wüsste ich doch einen, der mir Wasser aus dem Brunnen des Lebens holte, ich gäbe ihm mein halbes Königreich.“ Als das der älteste von den Söhnen hörte, sprach er: „Ich will hingehen und von dem Wasser holen.“ Er sagte das aber nicht, weil er seinen Vater liebte und ihn vom Tode erretten wollte, sondern weil er fürchtete, die Hälfte des Königreiches könne in andere als seine Hände kommen. Der alte König aber glaubte nicht anders, als das spreche die Liebe aus ihm, und war darum doppelt glücklich darüber. Er ließ alsobald Kisten und Kasten voll Kleider und Geld packen und schenkte sie dem Ältesten, dazu viele Wagen und Pferde mit Kutschern und Bedienten; dann segnete er ihn und fort ging’s in die weite Welt.

Jenseits des Meeres kam der Königssohn an ein Wirtshaus, das war schöner als er noch eins gesehen. Als er abstieg und in das Gastzimmer kam, saßen da viele vornehmen Herren, die tranken und spielten Karten. Er fragte, ob sie ihn mitspielen lassen wollten? Jawohl, sprachen die Herren, wenn er aber verlöre und könnte nicht bezahlen, dann müsste er sterben. Das war ihm recht, denn er meinte, sein Geld könne nicht alle werden, und so spielte er ins Blaue drauf los. Er hatte aber Unglück und verlor nicht nur Alles, was er um und an hatte, sondern er machte noch Schulden dazu und als er dieselben nicht bezahlen konnte, wurde er festgenommen und ins Gefängnis geworfen.

Als der Königssohn nicht zurückkehrte und die Krankheit des alten Königs immer schlimmer wurde, sprach der zweite Sohn, er wolle nach dem Berg Muntserrat fahren und das Wasser des Lebens holen. Er dachte jedoch dabei nicht an die Rettung seines Vaters, sondern nur an das halbe Königreich. Der alte König aber freute sich, weil er glaubte, das sei pure Liebe und rüstete ihn noch viel schöner aus, als den Ältesten, gab ihm seinen Segen und fort ging’s, dass das Feuer davon stob.

Überm Meere kam der Königssohn an dasselbe Wirtshaus, wie sein Bruder. Er setzte sich auch zu den vornehmen Herren an den Tisch und wollte mit ihnen spielen. Sie sagten ihm, das könne er, aber wenn er verliere und nicht bezahle, dann müsse er sterben. Damit hat’s gute Wege dachte er und spielte lustig drauf los, bis er Alles verspielt und noch Schulden dazu hatte. Da wurde er eingesteckt und die beiden Brüder konnten sich ihr Leid klagen.

Dem alten Könige wurde die Zeit gar zu lang, denn er konnte sich aus Angst vor dem Tode nicht mehr fassen, und sein Leid wurde erst recht groß, als auch der zweite Sohn nicht wieder kehrte. Sprach der Jüngste eines Tages: „Ich kann die Angst und den Jammer nicht mehr ansehen, ich will Wasser des Lebens holen.“ „Nein“, rief der König, „ich lasse dich nicht fort, du sollst mir die Augen zudrücken, wenn ich sterbe, denn jetzt ist keine Rettung mehr für mich.“ „Ich schaffe das Wasser des Lebens, gehe es wie es wolle“, sprach der Jüngste, nahm Abschied von seinem Vater und ritt fort, wie er eben stand und ging, denn es dauerte ihm zu lang, sich erst Wagen, Kisten und Kasten bereit machen zu lassen.

Jenseits des Meeres kam er an das Wirtshaus, ließ sein Pferd füttern und ging hinein. Da saßen die Herren, tranken und spielten und er setzte sich eine Weile zu ihnen, trank auch, aber er spielte nicht, dazu hatte er keine Lust, denn ihm stand der Sinn nur nach dem Berge Muntserrat und dem Wasser des Lebens.

Als er weiter ritt begegnete ihm nahe an dem Berge ein graues Männchen, das fragte ihn, wohin er gehe? „Zu dem Schlosse im Berge Muntserrat“, sprach er. „Dich habe ich schon lang erwartet“, sprach das graue Männchen, „und wenn du tust, was ich dir sage, wird es dein Schaden nicht sein.“ Er versprach dies gerne und das Männchen gab ihm viele gar guten Rathschläge mit auf den Weg, warnte ihn besonders, nicht zu lange im Schlosse zu verweilen und bald zurückzukehren, es wolle ihn erwarten. Der Jüngling dankte ihm von Herzen und ritt fröhlichen Mutes weiter.

Als er an dem Berge ankam, schlug es elf Uhr und zugleich krachte es in dem Berg, als solle die Welt vergehen, dann sprang er in der Mitte von einander und da lag das schönste Schloss, welches man mit Augen sehen kann. Alles daran war von Gold, bis zu den Ziegeln auf dem Dache, die Fenster sahen aus, als wären sie lauter große Diamanten und glänzten so sehr, dass man nicht dahin sehen konnte. Der Königssohn trat rasch hinzu und durch das große Thor, welches sich von selber vor ihm öffnete, in einen weiten Hof; darin sprangen drei Brunnen nebeneinander. Auf dem ersten stand mit goldnen Buchstaben: „Brunnen der Schönheit“, auf dem zweiten „Brunnen des Lebens“ und auf dem dritten „Brunnen des Todes“. In dem ersten wusch er sich, wie ihm das Männchen geraten hatte, und obgleich er sehr schön war, fiel es doch wie Schuppen von seiner Haut und er wurde noch zehntausendmal schöner, als er gewesen war. Dann füllte er aus jedem der Brunnen eine Flasche voll und ging in das Schloss, um dies zu besehen. Da schienen die größten Herrlichkeiten der Welt zusammengetragen zu sein und das Schloss seines Vaters kam ihm neben diesem, wie ein schlechtes Bauernhaus vor; Alles war Gold, Silber und Edelgestein und ein Zimmer immer schöner, als das andere. In dem allerschönsten Saal aber stand ein Himmelbett mit geschlossenen Vorhängen von Sammet mit prächtigen Stickereien; vor dem Bette lagen auf einem kristallenen Tisch eine goldne Krone, eine goldne Kette, Ohrringe von Diamanten und Armbänder und am Boden standen zwei Frauenschuhe von gestickter Seide. Neugierig trat er leise, leise hinzu und schob die Vorhänge ein wenig zurück und siehe, da lag das schönste Mädchen von der Welt vor ihm. Er küsste sie erst leise, dann kühner, er nahm sie in seine Arme, herzte und drückte sie an sich und betrachtete sie mit wonnelachenden Augen, aber sie schlief so fest, dass sie nicht erwachte. Da war ihm mit einem Male, als hörte er das graue Männchen seinen Namen rufen und es fiel ihm ein, dass es die höchste Zeit sei, zu eilen, wenn er nicht in den Berg gesperrt sein wollte. Rasch erhob er sich, nahm die goldne Kette von dem Kristalltischchen als Andenken und Wahrzeichen und lief so schnell er konnte aus dem Schlosse; kaum war er draußen, da krachte es abermals und der Berg sprang wieder zu, so dass man keine Spur mehr von dem Schlosse sah.

Draußen vor dem Berge wartete das graue Männchen schon auf ihn. „Das war Zeit“, sprach es, „du hast viel gewagt, aber nun geht Alles gut, nur musst du meinem Rate weiter folgen.“ Der Jüngling versprach in seiner Freude Alles. „Geh nun geraden Weges nach Hause“, fuhr das Männchen fort „und gib wohl Acht, was ich dir sage: Sieh dich nicht zu viel um, kaufe kein Galgenfleisch und trau nicht der brüderlichen Liebe.“ Damit nahm das graue Männchen Abschied von dem Königssohn und er ritt lustig weiter.

Als er an die Stadt kam, wo das Wirtshaus lag, hörte er das Armsünderglöckchen läuten. Das schnitt ihm durchs Herz, denn wenn man so recht froh ist, dann möchte man die ganze Welt auch froh sehen. Indem kamen auch schon die Soldaten und die Henker mit den Verurteilten heran und das waren seine eigenen Brüder. Da vergaß er schnell das graue Männchen und seinen Rath, ließ den Zug halten und kaufte die beiden vom Galgen los, indem er ihre Schulden bezahlte.

Anfangs war die Freude und Dankbarkeit groß, als er ihnen aber erzählte, wie er das Wasser des Lebens, der Schönheit und des Todes in dem Schlosse geholt und so glücklich sei, dass er seinem Vater das Leben retten könne, und als sie seine wunderbare Schönheit sahen, da fraß der Neid den beiden Brüdern fast das Herz ab. Sie verschworen sich gegen ihn, und als sie im Schiffe auf der See waren, nahmen sie ihm die Flaschen mit dem Wasser des Lebens und der Schönheit und stellten an ihren Platz zwei Flaschen mit Seewasser; auf die mit dem Wasser des Todes aber schrieben sie „Wasser des Lebens.“

Zu Hause angekommen flüsterten sie dem alten König ins Ohr, der Jüngling wolle ihn vergiften, darum solle er sich in Acht nehmen und nur ihnen trauen. Als der arglose Jüngste nun kam und dem Vater seine Flasche brachte, sprach dieser: „Gib zuvor dem Hunde von deinem Lebenswasser, damit ich sehe, wie es wirkt.“ Das tat der Jüngling und kaum hatte der Hund einen Tropfen von dem Wasser genommen, als er tot hinstürzte. Da triumphierten die bösen Brüder in ihren falschen Herzen, denn der alte König gebot dem Jüngling, sogleich das Schloss zu verlassen und ihm nie wieder unter die Augen zu kommen. Er trank nun von dem Wasser des Lebens, welches der Älteste ihm gab, und wurde augenblicklich wieder kräftig und gesund; dann trank er auch von dem Wasser der Schönheit, welches der Zweite ihm reichte und er wurde so blühend und schön, als ob er erst achtzehn Jahre alt wäre.

Der Jüngling irrte unterdessen in den Wäldern umher und klagte der lieben Sonne und den Sternen seine Not, und klagte sich selber als seines Unglücks Schmied an, weil er dem Männchen nicht gefolgt hatte. Aber es wäre doch auch allzu herzlos und grausam gewesen, wenn er seine eigenen Brüder zum Galgen hätte führen lassen. Das tröstete ihn zuletzt auch, er fand sich in sein Schicksal und trat bei einem Förster als Jägerbursch in Dienste. Nun müssen wir ihn in dem Walde bei dem Förster lassen und sehen, wie es mit dem Schloss im Berge Montserrat steht.

Neun Monate nachdem der Jüngling in dem Schlosse gewesen war, genas die schöne Jungfrau eines Knaben und damit war der Zauber gelöst, welcher auf dem Schlosse lag. Die Ritter und Knechte, welche bis dahin verwandelt gewesen waren, bekamen ihre menschliche Gestalt wieder und das Schloss wurde so lebendig, wie es früher kaum gewesen war. Der König wollte aber vor Allem wissen, wer der Erlöser sei und fuhr jeden Tag mit der schönen Prinzessin spazieren, ließ alle jungen Männer im Lande vor sich kommen und ihre Geschichte erzählen, aber keiner konnte sich erinnern, je in dem verzauberten Schlosse gewesen zu sein.

Die Prinzessin betrübte sich darüber so sehr, dass sie immer bleicher wurde und gewiss gestorben wäre, hätte ihr Vater sie nicht mit dem Wasser des Lebens erhalten. So vergingen ihr drei ganzer Jahr des Kummers: sie mochte gar keine Menschen mehr sehen und fuhr nur auf einsamen Wegen in wilden Wäldern herum. Da trat eines Tages in der Tiefe des Waldes das graue Männchen zu ihr und fragte sie, was ihr fehle? Sie klagte dem Männchen offen ihr Leid und da sagte es: „Das kommt alles davon, dass er mir nicht gefolgt hat; aber ich will ihm um euretwillen vergeben.“ Darauf erzählte es ihr Alles, was sich mit dem Jüngling zugetragen hatte und versprach ihr, sie solle ihn bald wieder sehn, nur müsse sie tun, was es ihr sage und nichts Anderes. Ach wie war sie da so glücklich! Sie versprach mit tausend Freuden Alles und sie hielt auch besser Wort, wie der Jüngling. Es war aber auch leichter für sie, als es für ihn gewesen war.

Zu Hause bat sie ihren Vater, ihr alsbald ein großes Heer und viele Schiffe ausrüsten zu lassen, dann segelte sie ab und fuhr nach dem Lande, wo ihr Erlöser zu Hause war. In der Nähe der Hauptstadt am Walde ließ sie ihre Zelte aufschlagen und ringsherum musste ihr Heer sich lagern. Vor ihrem Gezelt lief eine lange Gasse zwischen den Zelten der Soldaten her, deren Boden war mit Teppichen von Sammet belegt, worin die kunstreichsten Stickereien zu sehen waren. Nachdem dies Alles bereitet war, sandte sie einen Boten an den König und ließ ihm sagen, er solle ihr alsbald den Prinzen zu Pferde senden, welcher das Wasser des Lebens, das Wasser der Schönheit und das Wasser des Todes im Berge Muntserrat geholt habe, denn durch ihn sei sie erlöst.

Als die Botschaft in der Hauptstadt ankam, schwang sich der Älteste alsbald zu Ross, denn die Nachricht von der schönen Frau mit dem mächtigen Kriegsheer hatte sich schnell verbreitet und der Prinz hätte sie gar zu gern zur Frau gehabt. Als er in vollem Rennen an die Gasse kam und die schönen Teppiche sah, da hielt er es für unerlaubt, darüber weg zu reiten, denn er fürchtete, sie zu verderben und er ritt nebenher, wo keine Teppiche lagen. Als die Frau das aber sah, rief sie ihm schon von ferne entgegen, er solle nur schnell wieder umkehren, so lieb ihm sein Leben sei, denn er sei nicht der Rechte. Das graue Männchen hatte ihr nämlich solches als Wahrzeichen gesagt, ihr Erlöser wurde nicht an die schönen Teppiche denken, sondern aus lauter Freude sie wiederzufinden darüber hinreiten, als obs gemeines Gras wäre. Also musste der Älteste von den Prinzen umwenden und beschämt heimkehren.

Da machte sich der Zweite auf den Weg. Der hatte Anfangs der Teppiche nicht Acht und ritt darauf hin, aber sobald er bemerkte, dass das Pferd weicher auftrat und auf den Boden sah, lenkte er es zur Seite. Als die Frau dies sah, erzürnte sie, befahl ihm sein Pferd an zu halten und trug ihm auf dem Könige zu sagen, wenn er ihr ihren Erlöser nicht in kürzester Zeit sende, dann werde sie ihn in seiner Hauptstadt belagern und die Stadt in Brand schießen lassen. Da wandte der Prinz rasch sein Ross um und ritt nach Hause, wie ein begossener Hund, dem König die angenehme Botschaft auszurichten.

Boten flogen jetzt durch das ganze Königreich und riefen an allen Straßenecken aus, der jüngste Prinz möge doch gleich zum König kommen; die Prinzessin vom Berge Muntserrat warte voll Sehnsucht auf ihn. Das hörte der Förster, als er eines Tages in die nächste Stadt kam und erzählte zu Hause davon. Da erhob sich der Jägerbursch und sprach: „Wenn meine liebe Braut da ist, dann kann ich schon nach Hause zurück.“ Der Förster und seine Frau starrten ihn an, als ob er wahnsinnig sei, aber er sprach: „Ich bin der Königssohn, den man sucht“, setzte sich auf ein Pferd und ritt davon, während die Förstersleute und die Knechte vor Schrecken steif und stumm dastanden, wie Loths Weib, als sie zum Salzklumpen wurde.

Der Jüngling aber sprengte geraden Weges zu dem Lager und Zelt der Prinzessin und kümmerte sich nicht einen Deut um die kostbaren Teppiche. Da trat die schöne Prinzessin aus dem Zelte und trug ihm ihr Kind entgegen, sie flogen einander in die Arme und küssten einander und weinten helle Tränen vor lauter Lust und Freude. Dann setzten sie sich in den goldenen Staatswagen der Prinzessin und fuhren zum König, sechs Schwadronen Kürassier voran und sechs Schwadronen hintendrein. Da trafen sie die beiden falschen Brüder, welche dem König immer noch vorlogen, sie wären die Rechten und der Jüngste nicht. Als das die Prinzessin hörte sprach sie: „der Rechte muss ein Wahrzeichen haben, woran ich ihn erkennen kann; er hat meine goldene Kette vom Tische mitgenommen, lasst sehn wer sie hat.“ Da holten die beiden altern Brüder zwei goldne Ketten beim Goldschmied und sagten, das wären sie, aber keine wollte der Prinzessin passen, die eine war ihr viel zu groß, die andere zu klein, so dass sie ihr nicht einmal um den Hals ging. Nun zog der Jüngste seine Kette heraus und die passte ihr gerade, war weder zu eng noch zu weit.

Jetzt erst gingen dem alten König die Augen auf und er verbannte die Beiden sogleich auf ewige Zeiten vom Hofe, den Jüngling aber Schloss er an sein Herz und bat ihn tausendmal um Verzeihung für das Unrecht, welches er ihm getan hatte. Am folgenden Tage wurde die Hochzeit prächtig gefeiert, dann schenkte der alte König dem Jüngling sein Reich und setzte sich in Ruhestand. Das junge Paar lebte noch sehr lange und regierte glückliche Menschen; jetzt werden sie wohl schon lange gestorben sein.

Die Zwerchpfeife

Johann Wilhelm Wolf
Die Zwerchpfeife

Es war einmal ein König, der seine Freude an schönen Soldaten hatte. Unter seinen Truppen war aber ein besonders großer und schöner Mann, den er so hoch hielt, dass er ihn nie auch nur einen Tag in Urlaub lassen wollte; dagegen gab er ihm Geld und Essen, so viel er verlangte. Das gefiel dem Soldaten nicht übel, aber er zechte und verschwendete so über alle Maßen, dass die Schatzkammer des Königs in Zeit von einem halben Jahr kaum noch sechs Batzen übrig behielt. Da sah der König ein, dass dies nicht länger so gehen könnte und dass er dabei zum armen Mann würde. Er gab dem Soldaten seinen Abschied und dazu einiges Reisegeld, was die alte Königin ihm borgen musste, und einen Pass. Aber da der Soldat nicht sehr ans Sparen dachte, so war das Geld weg ehe er sich’s versah, und er fand, als er seinen Sack umkehrte, nur noch ein kahles Sechskreuzerstück darin. Indem er nun so dahin schlenderte auf der Landstraße, kamen zwei Reisende desselben Wegs und die hatten auch zufällig kein Geld mehr. Da sprach der Eine: „Da vor uns geht ein Soldat, vielleicht hat der noch etwas übrig. Wir wollen einmal sehen, ob er uns etwas gibt.“ Sagt’s und ging zu dem Soldaten und sprach, sie wären arme Reisende, ob er ihnen nicht etwas schenken wollte. „Hätt ich selber was!“ antwortete ihm der Soldat, „da ist mein letztes Sechskreuzerstück; aber komm, wir wollen’s teilen.“ Das taten sie in der nächsten Ortschaft, blieben des Tags zusammen und schliefen auch zusammen in einer Herberge. Als der Soldat am andern Morgen von seinen beiden Reisekameraden Abschied nehmen wollte, sprach der Eine: „Weil du ein so gutes Herz hast, so wähle dir drei Dinge und du hast sie.“ Das gefiel dem Soldaten wohl und er rief lustig: „Dann wähle ich mir vor Allem eine große Bärenmütze, wie die Grenadiere sie tragen, und ein Gewehr. Zweitens einen Tornister mit Bandelier und schönen Hosen. Drittens ein Paar schöne Stiefel mit Sporen.“ „Das sollst du haben“, sprach der Andre, aber dessen Gesell ärgerte sich, dass der Soldat nichts Besseres begehrte und gab ihm noch eine Zwerchpfeife dazu, welche die Eigenschaft hatte, dass Alles tanzen musste, wenn man sie blies. Dann nahmen sie Abschied und jeder ging seines Weges. Der Soldat kam nach langem Wandern in ein Königreich, wo das Betteln und Fechten bei Todesstrafe verboten war. Er tat es dennoch und wurde festgenommen und ins Gefängnis gesetzt, doch das machte ihm keinen Kummer weil er dachte, das werde nicht lange dauern. Und diesmal hatte er sich nicht verrechnet. Es war nämlich ein verwünschtes Schloss in der Stadt, worin noch Niemand eine Nacht überlebt hatte. Der König hätte es aber zu gern bewohnt; darum ließ er den Soldaten vor sich führen und sprach zu ihm: „Höre, ich will dir was sagen: wenn du in dem verwünschten Schlosse schläfst und mir die Geister heraustreibst, dann sollst du nicht nur frei sein, sondern ich gebe dir auch noch meine Tochter zur Frau.“ – „Herr König, damit bin ich zufrieden“, sprach der Soldat, „wenn ihr mir nur gut Essen und Trinken mitgeben wollt.“ „Daran soll’s nicht fehlen“, antwortete der König. „Auch guten Tabak und eine Pfeife muss ich haben“, sprach der Soldat, und der König versprach ihm das gleichfalls.

Abends wurde der Soldat in das Schloss geführt und die Tür hinter ihm geschlossen, nachdem man ihm Essen, Wein, Tabak, eine Pfeife und Feuerzeug hinein gestellt hatte. Er ließ sich’s gut sein, aß und trank nach Herzenslust und dann setzte er sich in einen Sessel und schmauchte, dass es eine Art hatte. Gegen Mitternacht tat es einen gräulichen Schlag, die Tür fuhr auf und ein Teufel mit langem Schwanz und großen Hörnern sprang herein. „Aha, du bist ja ein munterer Kerl“, sprach der Soldat, „wart ich will dir eins aufspielen.“ Damit setzte er seine Zwerchpfeife an und blies ein Stückchen nach dem andern und der Teufel tanzte wie besessen, dass seine Hörner an die Decke stießen und sein Schwanz die Stube fegte, bis der dicke weiße Schaum auf ihm stand. Da fing er an zu jammern und rief: „Ich tue dir ja nichts, höre nur in drei Teufels Namen auf zu pfeifen!“ – „Noch nicht genug gesprungen“ rief der Soldat. „Immer weiter herum!“ Und da sprang der arme Teufel wieder, bis er vor Müdigkeit hing, wie ein nasser Lumpen, so dass er meinte, er tanze sich die Seele aus dem Leibe, und dass der Schaum von ihm herunterlief und handhoch im Zimmer stand. Nun rief er wieder mit schwacher Stimme: „Höre jetzt auf, ich kann nicht mehr; ich will ja nie wieder in das Schloss kommen.“ „Dann marsch zum Fenster hinaus“, sprach der Soldat, und gab ihm einen Fußtritt, dass er wenigstens fünfzig Schritt weit hinaus flog. Darauf machte er das Fenster zu und legte sich schlafen.

Am folgenden Morgen kam der König, um nachzusehen, wie es dem Soldaten gehe. Er dachte, dem würde es ergangen sein, wie allen anderen, die vor ihm in dem Schloss geschlafen hatten; doch er fand ihn im Bett, wo er aus allen Tonarten schnarchte. Da war keiner vergnügter, als der König. Er weckte den Soldaten, nahm ihn mit sich in sein Schloss und ließ gleich die Hochzeit halten. Niemand war froher, als der Soldat, der jetzt in Saus und Braus lebte bis sein Sterbestündchen kam. Da befahl er der Prinzessin, dass sie ihn mit seiner Montur und seinem Tornister begraben lassen solle. Die dachte aber, das schicke sich nicht für einen Prinzen und ließ ihn in schöner Uniform mit Orden und Sternen begraben. Doch da fing der Soldat an zu spuken und kam jede Nacht an das Bett der Prinzessin und rief: „Ich will meinen Tornister! ich will meinen Tornister!“ In dem Tornister lag nämlich seine Zwerchpfeife und er ruhte nicht eher, bis er dieselbe hatte. Dann ging er vor die Himmelstür und klopfte an. Sankt Peter schaute durch ein Fensterchen neben dem Tor, zu sehen wer da sei. Als er aber den Soldaten erblickte rief er: „Marsch weg, hier darfst du nicht herein! Warum hast du dir damals nicht statt der Montur die himmlische Seeligkeit erbeten? Jetzt sieh, wo du unterkommst.“ „Wenn’s nicht anders ist, auch gut“, sprach der Soldat und wanderte wohlgemut der Hölle zu. Da kam ihm eine Menge von Teufeln entgegen, aber er hatte keine Furcht, sondern pfiff lustig auf seiner Zwerchpfeife und ging so in die Hölle hinein. Da mussten nun alle Teufel tanzen, was gar possierlich zu sehn war, den Teufeln aber so wenig gefiel, dass sie alle heulten und schrieen, er möge doch aufhören. „Ja wohl ich höre auf“, sprach er, „wenn ihr mir’s schriftlich gebt, dass ihr mich zum Obersten in der Hölle macht.“ „Das wollen wir ja gern! das wollen wir ja gern!“ schrieen die Teufel und setzten alsbald seine Ernennung als Oberst auf. So bekam er eine gute Anstellung in der Hölle und wenn er nicht abgesetzt worden ist, dann hat er sie noch.

Das Schneiderlein und die drei Hunde

Das Schneiderlein und die drei Hunde

Ein armes Schneiderlein hatte zu Hause nichts zu verlieren und ging auf Reisen. Es war schon lange marschiert, da kam es eines Tags in einen großen dunkeln Tannenwald und es pfiff und sang und war von Herzen vergnügt. Als es eine kurze Strecke in dem Walde gegangen war, kam ein großer Hund dahergelaufen, der bot dem Schneiderlein die Zeit und fragte, ob es ihn mitnehmen wolle? „Ich will dich schon mitnehmen, wenn du hinter mir herlaufen und mir untertänig sein willst.“ „Das will ich“ sprach der Hund und lief hinter ihm drein.

Als das Schneiderlein ein Stück Wegs weiter gegangen war, kam ein zweiter Hund gelaufen, bot ihm die Zeit und fragte, ob es ihn mitnehmen wolle? „Eigentlich habe ich mit einem Hunde schon zu viel“ sprach das Ritterlein von der Elle, „wenn du mir aber untertänig sein willst und gehorsam, so magst du hinter mir herlaufen, dem andern zur Gesellschaft.“ „Das will ich“ sprach der Hund.

So ging’s weiter und weiter und als die drei Reisenden wieder ein Stück Wegs hinter sich hatten, kam ein dritter Hund, der fragte auch, ob ihn das Schneiderlein mitnehmen wolle? Da stutzte es aber, denn es wusste schon nicht, woher es das Futter für die zwei andern Hunde hernehmen sollte, doch dachte es zuletzt: „Aller guten Dinge sind drei“ und sprach zu dem Hunde: „Wenn du mir treu und untertänig sein willst, magst du in Gottes Namen hinter mir herlaufen, wie die beiden andern.“

Gegen Abend kamen sie aus dem Walde und sahen ein Dorf vor sich und das erste Haus war ein Wirtshaus. Sprach das Schneiderlein: „Hunger haben wir alle vier, aber wie ein Sechskreuzerstück aussieht, habe ich seit lange vergessen.“ „Nichts weiter als das?“ sagte der erste Hund. „Geh du nur hinein und bestelle für vier Mann Essen und Trinken und kümmere dich nicht um das Bezahlen; dafür lass du uns sorgen.“ Dem Schneiderlein wuchs der Mut, als es das hörte, es schwang seine Elle dreimal lustig überm Kopf, ging in das Wirtshaus, schlug mit der Faust auf den Tisch und bestellte vier Gedecke und Essen, soviel das Haus vermochte, Gesottenes und Gebratenes nebst Wein und Bier. Dann warf es sein Felleisen und seinen Hut auf die Bank, die Elle in die Ecke und sich selbst in einen bequemen Lehnstuhl.

Als nun das Essen aufgetragen war, ging die Tür auf und die drei Hunde stürzten herein, sprangen jeder auf einen Stuhl und fingen an zu essen und zu trinken, wie die Menschen, so dass die Wirtin über solchen Verstand die Hände überm Kopf zusammenschlug. Nach dem Essen sprach der eine Hund: „Nimm den Weg zwischen die Beine, lass aber Alles hier liegen, es kommt dir nichts fort.“ Da ging das Schneiderlein mir nichts, dir nichts weg und die Wirtin ließ ihn gehen, weil er sein Felleisen, seinen Hut und seine Elle zurückgelassen; er wird gleich wiederkommen, dachte sie, und will sich nur im Ort umsehn. Sobald die Wirtin aber den Rücken gewandt hatte, packte jeder der Hunde eins der drei Stücke, sprangen zur Tür hinaus und brachten sie ihrem Herrn; da hatte die Wirtin das Nachsehen.

Guten Mutes zog das Schneiderlein weiter; einer der Hunde lief voraus und zeigte den Weg. Bald kamen sie wieder in den Wald und nachdem sie schon manchen Schritt und Tritt darin getan hatten, an einen freien Waldplatz, worauf ein großes Schloss stand. Da blieb der Hund stehen. „Hast du Mut?“ fragte er das Schneiderlein. „Mehr als Geld“, war die Antwort. „Dann binde uns an ein Seil, führe uns in das Schloss und verkaufe uns den Riesen, die da wohnen. Trau ihnen aber nicht, denn sie sind tückisch und arglistig. Damit du vor ihnen sicher bist wollen wir dir jeder etwas schenken, das wende wohl und klug an und dein Glück ist gemacht.“ Sprachs und gab ihm ein Salbentöpfchen. Wenn man mit der Salbe einen Stuhl bestrich, dann blieb jeder daran hängen, der sich drauf setzte. Der zweite Hund gab ihm ein Stöcklein, wen man damit aufs Haupt schlug, der tat keinen Pieps mehr. Der dritte gab ihm ein Hörnlein: „Wenn du in Not kommen solltest, blase nur darauf und wir werden dir helfen.“ „Ich muss erst versuchen ob ich auch darauf spielen kann“, sagte das Schneiderlein, „wenn man so harte Arbeit tut wie ich, dann wird einem der Atem kurz“, setzte das Hörnlein an den Mund und blies hinein. Ach was das für einen Klang hatte! Es war aber nicht des Schneiderleins Atem, der ihm den Klang gab, denn der war so dünn, wie eine Nähnadel.

Es steckte jetzt getrost die drei Stücke ein, band die Hunde an und ging mit ihnen in das Schloss. Da kam es oben an der großen Treppe in einen weiten und hohen Saal, wo die Riesen an einer langen Tafel saßen und aus Bechern tranken, deren jeder wohl ein Viertelohm fasste. Das Schneiderlein zog höflich seinen Hut und fragte, ob die Herren Riesen nicht drei schöne Hunde kaufen wollten? Sie beschauten die Hunde rechts und links, sprachen: „Wir behalten sie und wollen sie gleich in den Stall sperren, warte du derweil, bis wir wiederkommen, dann bekommst du dein Geld.“ Dabei lachten sie boshaft einander zu und warfen Blicke auf das Schneiderlein, von denen es sich nichts Gutes versprach. „Pfeift der Wind aus dem Loche“ dachte der Ritter von der Elle, „dann will ich euch schon den Spaß verderben“, und er kletterte an allen Stühlen hinauf und schmierte sie mit seiner Salbe ein, oben und unten, vorn und hinten. Das war sein Glück, denn draußen hielten die Riesen Rat, wie sie das Schneiderlein mit Ehren todtmachen und fressen könnten; es sei zwar ein magerer Bissen, aber Menschenfleisch war ihnen etwas Neues und sie wollten vorlieb nehmen, bis sie etwas Besseres bekämen.

Als sie wieder herein kamen, sprachen sie das Schneiderlein habe sie im Handel betrogen, die Hunde seien nicht so viel wert und es müsse gefressen werden. Sprach das Schneiderlein: „Ich will gern sterben, wenn ich es verdient habe, aber nicht ohne Urteil und Recht. Haltet zuvor ordentlich Gericht über mich, dann will ich mich verteidigen.“ Die Riesen lachten, rückten die Stühle in einen Halbkreis und sprachen: „Nun fange an, du Erdwurm.“ „Setzt euch alle zuvor, wie es einem ordentlichen Gericht gebührt.“ Als sie dies getan hatten, nahm das Schneiderlein einen Schemel, setzte sich vor sie hin, stopfte sich eine Pfeife und blies die dicken Wolken so vor sich hin. „Wird’s bald?“ fragten die Riesen. „Ei ich bin schon fertig, nun mögt ihr euch verteidigen, denn ich verurteile euch alle zum Tode.“ Die Riesen lachten Anfangs, als ihnen die Sache aber zu lange dauerte wollten sie aufstehen und das Schneiderlein fassen, da klebten sie alle fest und keiner konnte ein Glied rühren. „Nun wird’s bald?“ fragte das Schneiderlein und lachte, nahm sein Stöckchen und schlug sie alle auf die Köpfe, einen nach dem andern, da fielen sie hin und waren tot.

„Jetzt will ich von der Arbeit ausruhen“ sprach das Schneiderlein zu sich selbst, aber darin betrog es sich gewaltig. Im selben Augenblick hörte es, wie einer mit schweren Tritten die Treppe herauf kam, die Tür flog auf und herein schritt ein Riese, noch einmal so groß als die andern. Das war aber der Riesenkönig, der eben von der Jagd nach Hause kam. Als dieser sah, was vorgegangen war, fragte er das Schneiderlein, wer die Riesen ermordet habe? „Das habe ich getan.“ „Hast du das getan dann bekommst du deine Strafe dafür. Zum Fressen bist du zu schlecht, aber als Spatzenscheuche kannst du allenfalls dienen, darum will ich dich in den Garten aufhängen.“ Sprachs, hob das Schneiderlein bei den Beinen auf und trug es in den Garten, wo ein hoher Galgen stand. Er setzte es oben drauf und fing an die Schlinge zu drehen. Da besann es sich kurz, zog sein Hörnlein aus dem Sack und blies aus Leibeskräften hinein, dass es zehn Meilen in die Runde scholl. Mit einemmal standen die drei Hunde da und hatten ihre zerrissenen Ketten am Halse. „Schneiderlein steig herab!“ sprach der Erste. „Ich darf nicht, der da will mich hängen.“ Da fielen die drei Hunde über den Riesenkönig her und zerrissen ihn in tausend Stücke.

Das Schneiderlein warf sich vor lauter Freude den Hunden an die Hälse und tanzte wie besessen auf einem Bein herum. Der erste von den Hunden aber sprach: „Jetzt ist das Schloss von den Riesen befreit und erlöst, nun musst du uns dreien noch die Köpfe abhauen.“ „Das tue ich nun und nimmermehr“ sprach das Schneiderlein. „Dann zerreißen wir dich wie den Riesen.“ „Ja wenn ihr durchaus nicht anders wollt, dann tue ich euch den Gefallen.“ Er holte ein Schwert, fasste es mit beiden Händen und schlug den Hunden die Hälse ab, drehte sich dann aber schnell herum, denn er konnte kein Blut sehen. Da rief es hinter ihm seinen Namen, erschrocken fuhr das Schneiderlein auf und siehe da stand ein König vor ihm mit zwei wunderschönen Prinzessinnen. Der sprach: „Du bist unser Erlöser, denn wir waren die drei Hunde und waren verwünscht. Zum Danke dafür gebe ich dir eine von meinen Töchtern zur Frau.“ Da griff das Schneiderlein rasch nach der Ältesten und sie gingen zum Schlosse. Aller Zauber, welchen die Riesen darüber gesprochen, war gelöst und die Zimmer wimmelten von Hofherren und Dienern. Als sie aber durch die Fenster schauten, war der ganze Wald zu einer prächtigen Stadt geworden, die kleinen Bäume zu Häusern, die großen zu Kirchen und Kirchtürmen, die Vögel zu allerlei fleißigen Menschen und Jubel und Freude war wohin man schaute. Am folgenden Tag wurde die Hochzeit gehalten und wären du und ich dazu gekommen, denk mal, was wäre das für Freude gewesen!

Die Prinzessin von Tiefental

Johann Wilhelm Wolf
Die Prinzessin von Tiefental

Zur Zeit als es noch schöner in der Welt war wie heutzutage, geschah es, dass ein Wachtmeister des Soldatenlebens müde wurde und desertierte. Im ersten Wirtshaus über der Grenze machte er Halt, denn er war scharf geritten und müde, das war sein Pferd auch. Er saß nicht lange im Zimmer, da trabte etwas über die Landstraße daher und hielt vor dem Wirtshaus: als er herausschaute, waren es zwei Husaren. Nun war guter Rat teuer, denn er glaubte, die kämen ihn einzufangen; er sagte rasch dem Wirt, dass er Deserteur sei und der gute Wirt versteckte ihn in die Nebenkammer. Die zwei Husaren traten herein und frugen: „Ist nicht ein Wachtmeister von den Husaren hier eingekehrt?“ „Dass ich nicht wüsste“ erwiderte der Wirt. „Hier hilft kein Leugnen“, sprachen die Husaren, „wir haben sein Pferd im Stalle gesehen und er muss hier sein, aber er mag nur hervorkommen, denn wir sind auch desertiert.“ Als der Wachtmeister das hörte, sprang er aus der Kammer heraus und rief: „Dann seid willkommen, ihr Brüder“ und sie waren alle drei lustig und guter Dinge. Endlich sprach der Wachtmeister: „Es ist nicht gut, dass wir drei zusammen weiter reiten, geht ihr voraus, ich komme nach.“ Das geschah, die Husaren machten sich auf den Weg und eine Viertelstunde nachher folgte der Wachtmeister.

Er war schon eine Stunde weit geritten da traf er auf zwei Holzhacker und frug sie, ob nicht zwei Husaren vorbeigeritten wären? „Ja wohl vor einer Stunde“ war die Antwort. Der Wachtmeister ritt noch schärfer zu und als er wiederum eine gute Strecke weiter war, fand er ein paar Leute am Wege, welche Steine klopften. „Sind nicht zwei Husaren hier vorbeigeritten?“ frug er. „Ja wohl vor etwa zwei Stunden“ sprachen die Leute. Da ritt er noch besser zu und sah bald einen Dreiweg vor sich. Was nun machen? „Ich will mein Pferd gehen lassen“ dachte er, „vielleicht weiß das besser den rechten Weg wie ich.“ Das Pferd lenkte eben rechts in den Wald ein und ging immer und immer zu und es wurde immer dunkler und dunkler, so dass man keine Hand vor den Augen sah. Plötzlich stutzte das Pferd und wollte nicht weiter. Der Wachtmeister stieg ab und untersuchte den Boden, da fand er, dass er am Rande eines tiefen Grabens stand. Er ging zurück, band den Gaul an den nächsten Baum und legte sich nieder, um den Tag abzuwarten und dann zu sehn, was das sei. Nach einiger Zeit ging der Mond hinter den schweren schwarzen Wolken hervor und siehe, da lag ein großes schwarzes Schloss vor ihm und an einem Fenster brannte ein helles Licht. Er setzte sich wieder zu Ross und ritt um das Schloss herum. Als er an die Brücke kam, wurde dieselbe niedergelassen und er trabte in den Schlosshof hinein. Alsobald traten viele schwarze Diener auf ihn zu, nahmen sein Ross und führten es in den Stall, ihn aber führten sie in das Schloss und in einen Saal, der war ganz schwarz ausgeschlagen. Da war eine prächtige Tafel gedeckt und Speisen aller Art standen darauf, nur waren die Schüsseln und Teller, Gabeln und Messer alle schwarz. Das kümmerte den Wachtmeister nicht, denn er war müde und hatte argen Hunger und so ließ er es sich ganz vortrefflich schmecken.

Gegen elf Uhr ging die Türe auf und herein trat eine schöne Jungfrau in königlichen Kleidern; sie war aber ganz schwarz und hatte zwei Kammerjungfern zu ihrer Seite, eine zur Rechten die andere zur Linken. Sie grüßte ihn freundlich und sprach: „Auf dich habe ich schon viele hundert Jahre gewartet, denn du sollst mein Erlöser sein. Willst du drei Nächte hier schlafen und schweigen und dich nicht fürchten, was auch um dich vorgehen mag, dann hast du das Schwerste vollbracht und wir werden glücklich sein auf ewige Zeit.“ „Ei das will ich schon“ sprach der Wachtmeister. „Wer so lange gedient und so viel Pulver gerochen hat, wie ich der hat verlernt was Fürchten heißt.“ „Rühme dich nicht zu früh“ sprach die Prinzessin, lächelte ihm holdselig zu und ging mit ihren Kammerjungfern fort. Der Wachtmeister war aber im neunten Himmel, denn die Prinzessin war gar zu schön und sein Herz in heller Liebe zu ihr entbrannt. Er warf sich ganz glückselig auf das schwarze Bett, welches nebenan in einer prächtigen schwarzen Schlafkammer stand; ans Schlafen aber dachte er nicht.

Als es zwölf Uhr schlug tat es einen Schlag, als sollte die Welt untergehen. Zugleich flog die Türe auf und drei schwarze Männer traten herein und setzten sich an den Tisch. Einer von ihnen zog Karten aus dem Sack mischte sie und sprach: „Drei sind wir, aber zum Spiel gehören vier.“ „Der vierte ist der Wachtmeister, der dort in der Kammer auf dem Bette liegt“ sprach der Andre. „Ich will ihn holen, er muss mit spielen“ sagte der Dritte, ging zu dem Bette und lud den Wachtmeister zum Spiele ein. Der stand auf, setzte sich zu ihnen und spielte mit, schlug kräftig mit der Faust auf den Tisch, wenn er auftrumpfte, gewann und verlor, aber er sprach kein Wort. Die Andern gaben sich zwar alle Mühe, ihn zum Sprechen zu bringen, sie frugen ihn allerhand, schimpften ihn, taten als ob sie ihn schlagen wollten, er aber hielt sich ganz ruhig und schwieg. Da schlug es ein Uhr, die drei Männer rafften in aller Eil ihre Karten zusammen und fort waren sie. Der Wachtmeister legte sich aber zu Bett und schlief bis zum hellen Tage. Die Diener brachten ihm, sobald er aufstand, sein Frühstück; sie hatten jetzt alle Gesichter weiß und rot, wie andere Menschen, die Schüsseln und Tassen weiße Ränder und die Messer und Löffel weiße Stiele; auch die Decke seines Zimmers war weiß geworden und die Laken und Kissen auf seinem Bette. Da öffnete sich die Tür und die Prinzessin trat ein, grüßte ihn noch viel freundlicher als das Erstemal und er bemerkte, dass auch sie einen weißen Schleier trug, der wollte ihr bis auf die Brust herab. „Nun halte nur noch zwei Nächte aus, mein Erlöser“, sprach sie, „und Alles ist gut. Lass dich nichts anfechten, was auch um dich herum vorgehen mag, es geschieht dir nichts zu Leide.“ Alsdann reichte sie ihm holdselig lächelnd ihre Hand und verschwand wieder mit ihren beiden Kammerjungfern.

Dem Wachtmeister hüpfte das Herz im Leibe wie ein Eichhörnchen und er vergaß Himmel und Erde über der wunderschönen Prinzessin. „Wo mag die nur ihren Aufenthalt haben?“ dachte er und da ihm ohnedies nichts als das Sprechen bei der Nacht verboten war, so ging er einmal im Schlosse herum, von einem Zimmer ins andre. Nein, was das eine Pracht und Herrlichkeit war! Gold und Silber und Samt und Seide überall wohin man blickte, so dass man sich gar nicht satt genug daran sehen konnte. Wenn der Wachtmeister mit dem letzten Zimmer fertig war, fing er wieder mit dem ersten an und tat nichts anderes als sehen und sehen. Mittags stand sein köstliches Mahl auf dem Tisch und Abends wiederum. Gegen zwölf Uhr tat es wiederum einen Schlag, dass die Schindeln auf dem Dach rasselten und die Fenster und Türen fast aus den Angeln flogen. Der Wachtmeister, welcher sich schon zu Bette gelegt hatte, richtete sich auf und schaute auf die Türe hin. Da kam einer der Männer vom vorigen Abend und brachte eine lange Tischplatte, die beiden andern hatten Schlachtbeile . Sie legten die Platte über ein paar Tische und fingen an ihre Messer zu wetzen und die Beile zu schleifen. Dazwischen unterredeten sie sich, wie sie den Wachtmeister schlachten wollten. Da wurde es dem Wachtmeister zwar ein wenig schwül, aber er biss sich die Zunge und hielt aus, er gab auch keinen Laut von sich, als sie kamen ihn zu packen. Ehe sie aber noch an seinem Bette waren, schlug es eins und da liefen sie was gibst du, was hast du, packten ihre Siebensachen zusammen und waren weg, ehe man eine Hand umdreht. Der Wachtmeister atmete frisch auf und schlief auf den ausgestandenen Schrecken wie ein Prinz. Als er wieder aufwachte, da war es gar freundlich und hell um ihn her, das ganze Zimmer war weiß geworden und nur das Schloss an der Tür noch schwarz. Als die Diener ihm das Frühstück brachten, trugen sie weiße Kleider und hatten nur noch schwarze Krägen und Handschuhe. Ebenso die Prinzessin und ihre Kammerjungfern. Wie war die jetzt so schön und wie war sie erst jetzt so freundlich! Sie sprang ordentlich ins Zimmer herein vor lauter Freude und drückte dem Wachtmeister die Hand und sprach: „Jetzt halte nur noch eine Nacht aus, mein Erlöser, und fürchte dich nicht; dir kann nichts geschehen; dann ist das Schwerste überstanden und wir sind glücklich auf ewig.“ Der Wachtmeister war ganz außer sich vor Glück und schwur ihr hoch und teuer, er wolle sie erlösen und sollte er auch in Stücke zerhackt werden.

Nachdem die Prinzessin fort war, ging der Wachtmeister wiederum durch die Zimmer des Schlosses und betrachtete sie eins nach dem andern. Er wusste die Zeit nicht besser tot zu schlagen, als dass er sie alle abmalte, denn sein Vater war ein Kunstmaler gewesen und hatte ihn in der Malerei gehörig unterrichtet, so dass er Alles malen konnte, was er nur sah. Als es kaum zwölf Uhr in der Nacht geschlagen hatte, da krachte es wieder, dass ihm fast Hören und Sehen verging. Zugleich sprang die Tür auf und einer von den Männern kam herein und trug einen ungeheuren Kessel auf den Schultern, der andre rollte ein Fass Öl herein und der dritte trug eine schwere Last Holz. Sie hingen den Kessel in der Mitte des Zimmers auf, gossen das Öl hinein und machten Feuer darunter an. Während dessen sprachen sie zu einander, heute würden sie Ernst machen und den Wachtmeister lebendig in dem Öl sieden; bis jetzt hätten sie ihn nur schrecken wollen, und sie schürten das Feuer immer ärger, so dass es ihm in seinem Bette heiß wurde und er meinte, das ganze Schloss müsse in Flammen aufgehen. Er dachte aber bei sich: Bangemachen gilt nicht und lag ruhig da und schwieg, wie der Fuchs, wenn er den Geist aufgegeben hat. Als das Öl nun recht kochte, da streiften die drei Kerle die Hemdsärmel in die Höhe, rieben die Hände und riefen: „Jetzt muss er hinein!“ Also liefen sie auf ihn zu, aber da schlug es ein Uhr und es tat einen Donnerschlag, dass die Fenster und Türen aus den Angeln fuhren. Die drei Kerle, das Feuer und der Ölkessel verschwanden in einem Augenblick, dagegen entzündeten sich tausend Lichter wie von selbst in dem Saal, und war da eine Pracht, dass es nicht zu sagen ist. Draußen erscholl eine fröhliche Musik, die Tür flog auf und eine ganze Reihe von hohen Herren und Damen kam herein, zuletzt die Prinzessin und alle waren schneeschloßenweiß und in Gold und Silber gekleidet. Sie aber flog auf den Wachtmeister zu, küsste ihn und schloss ihn in ihre Arme und rief: „Sei willkommen, mein herzliebster Erlöser und Gemahl!“ Und als sie das gesagt hatte, steckte sie ihm ihren goldnen Ring an den Finger und hing ihm ihre goldne Kette um den Hals; da neigten sich die hohen Herren und Damen dreimal vor ihm und Alles war Jubel und Freude.

Sprach die Prinzessin: „Jetzt bleibt uns nur noch eins übrig, wir müssen aus dem Schloss und in meines Vaters Königreich. Wir dürfen aber nicht zusammen herausgehen, auch musst du es in deiner alten Kleidung verlassen. Reite voraus, ich folge dir mit meinem Hofgesinde nach, aber lass dich durch nichts aufhalten und lass Niemand dich mit Händen berühren, es würde uns Beiden großen Kummer bringen.“ „Hab ich bis jetzt Alles fertig gebracht, dann kann ich es auch ferner“, sprach der Wachtmeister, schwang sich auf sein Ross und ritt weg. Als er über die Brücke kam, sah er am Wallende ein kleines Haus und unter der Tür saß ein altes Weibchen, welches spann. Es bot ihm die Zeit und sprach: „Ei ihr seid mir ein feiner Herr, dass ihr also euren Zopf hängen lasset und nicht aufsteckt, wie es einem ordentlichen Soldaten ziemt.“ Damals trugen nämlich die Soldaten noch Zöpfe. Als der Wachtmeister an den seinen griff, da hing der in der Tat herab und er gab sich vergebens alle Mühe, ihn wieder aufzustecken. Indem rollte es an der Brücke, als wenn viele Wagen kämen und das Weibchen sprach: „So eilt euch doch, da kommt die Prinzessin angefahren, was wird die von euch denken.“ Er konnte aber mit dem Zopfe nicht fertig werden, sprang vom Rosse und bat das Weibchen, es möge ihm den Zopf aufstecken. „Von Herzen gern“ sprach es, ließ sein Spinnrädchen stehen und schlich zu ihm. Kaum aber hatte es den Zopf berührt, da sank er zu Boden und lag in einem festen Zauberschlaf. Gleich nachher kam die Prinzessin mit ihrem Hofstaat angefahren. Ach wie war sie so untröstlich über ihr trauriges Schicksal, aber was war da zu machen? Sie schrieb auf ein Papier:

„Wenn du mich willst wiedersehen,
Musst du ins Königreich Tiefental gehen“

und gab es ihm in die Hand, steckte eine Wunschbörse, welche nie leer wurde in seinen Sack und fuhr weiter, denn hier war ihres Bleibens nicht mehr; weiter konnte sie nichts für ihn tun.

Also lag der Wachtmeister Jahr und Tag in tiefem Schlafe bis die Zeit herum war; da erwachte er, fand das Papier in seiner Hand und erkannte nun wohl, wie er von dem alten Weibchen betrogen worden war. Er zog alsbald seinen Säbel, lief ins Häuschen und griff die böse Hexe bei den Haaren, während er schrie: „Willst du mir jetzt den Weg nach dem Königreich Tiefental zeigen, oder soll ich dich in Fetzen hauen?“ Da jammerte die Alte und versprach ihm alles Mögliche, wenn er sie nur gehen ließe, heimlich aber sann sie wiederum auf schlimmen Verrat. Nachdem er sie losgelassen hatte, wies sie ihm einen Weg, den solle er gehen, und er würde unfehlbar nach Tiefental gelangen. Der Wachtmeister machte ihr noch ein paar Mal mit der flachen Klinge auf dem Rücken das Maß, dann schwang er sich zu Pferde und fort ging’s wie der Sturmwind.

Nach drei Tagen kam er in einen Wald; als er hindurch war, sah er Abends von fern ein Licht. Er ritt darauf zu und kam an ein Haus, das sah just wie ein Einsiedlerhäuschen aus. Als er eintrat, saß da eine alte Frau, die bat er um Nachtherberge. „Ach guter Freund“, sprach sie, „wer euch zu mir gewiesen hat, der hat euch nicht wohl gewollt, denn meine Söhne sind Menschenfresser und sie verschonen Niemanden. Euch aber sollen sie nichts zu Leide tun, denn ihr habt schon genug ausgestanden, ich weiß Alles. Versteckt euch nur vor der Hand, damit sie nicht so auf euch losfallen können.“ Das tat der Wachtmeister und es war auch die höchste Zeit. Denn kaum war er in Sicherheit gebracht, da brauste es in der Luft, wie vom größten Sturm; dann fuhr die Tür auf und der älteste von den Söhnen polterte herein.

„Einen Menschen riech ich,
Einen Menschen genieß ich!“

schrie er und tobte in der Kammer umher, aber die alte Frau packte ihn bei den Schultern und warf ihn auf eine Bank nieder, dass es krachte. „Da setz dich hin und rühre dich nicht, du bekommst schon satt“ sprach sie. Indem rauschte es abermals draußen, als wenn der Vogel Greif herangeflogen käme, die Tür fuhr auf und der zweite von den Söhnen stürzte herein, schnüffelte in der Kammer herum und schrie:

„Einen Menschen riech ich,
Einen Menschen genieß ich!“

Da packte die alte Frau ihn und setzte ihn unsanft neben den ersten auf die Bank nieder. „Da bleibt ihr jetzt sitzen, ihr langen Schlingel“, sprach sie, „und hört was ich euch sage.“ Anfangs brummten sie wohl noch, aber da hob die Alte ihren Finger und sie wurden mäuschenstill. Dann holte sie den Wachtmeister aus seinem Versteck hervor. Als der Älteste von den Söhnen ihn sah, rief er: „Mutter, was ist das für ein fremdes Tier?“ „Das ist ein Wachtmeister, mein Sohn“, sprach die Frau „und ihr sollt ihn in das Königreich Tiefental tragen.“ Da brummten sie wieder, sprachen, das wäre gar zu weit und er wäre ihnen zu schwer, aber die Alte gab ihnen gute Worte, erzählte ihnen seine Geschichte und plauderte ihnen so viel vor, dass sie endlich versprachen, ihn mit seinem Pferde nach Tiefental zu tragen; der Jüngste wollte ihn nehmen und der Älteste, welcher auch der stärkste war, das Pferd. Der Wachtmeister dankte ihnen und der Frau hunderttausendmal. Nachdem sie nun alle gegessen und getrunken hatten kam es wie ein tiefer Schlaf über ihn und als er wieder erwachte, lag er neben seinem Pferd im hohen Gras und vor ihm glänzte und leuchtete eine stolze Stadt mit hundert Türmen. Er stieg zu Ross, ritt auf die Stadt zu und fragte die Leute, wie die Stadt heiße? Das sei die Hauptstadt vom Königreich Tiefental, sagten sie. Fröhlichen Mutes trabte er hinein und nahm noch am selben Tage Dienst unter den Soldaten als Rekrut. Als es am folgenden Morgen ans Exerzieren ging, hei da verstand er das viel besser als die Corporale und Feldwebel, so dass der König ihn sogleich zum Hauptmann machte. Die Mannschaft, welche er kommandierte, sah aber schlecht aus, sie hatte Monturen aller Art und dazu noch zerrissene. Das konnte er nicht sehen und ließ sie sofort neu auskleiden und die alten Kleider den Armen geben. Was der König für Augen machte, als bei der Revue der neue Hauptmann heranmarschiert kam! Er kannte seine eignen Soldaten nicht mehr wieder und kurzum, er war so entzückt darüber, dass er den Hauptmann mit an seiner Tafel speisen ließ und drei Tage drauf ihn zum General der ganzen Kavallerie ernannte. Jetzt wurde die Wunschbörse noch ärger angezapft; alle Pferde vom ganzen Regiment wurden verkauft und neue stattliche Tiere dafür angeschafft. Hundert Schneider mussten herbei und Tag und Nacht nähen, bis das ganze Regiment neu ausgekleidet war. Dadurch kam der General so in Gnade bei dem König, dass dieser ihm ein Stück Land gerade neben dem Schloss schenkte und ihm erlaubte, sich daselbst ein Schloss zu bauen.

Nun setzt sich mein General hin und macht selbst den Plan von dem Schloss, und macht ihn genau so, wie das Schloss gewesen war, worin er die Prinzessin erlöst hatte. Dann ließ er, als Alles fertig dastand, ein Dutzend Maler kommen, die mussten das Schloss grade so malen, wie er es ihnen sagte und zeigte, denn er hatte die Abzeichnungen der Zimmer aus dem verwünschten Schloss mitgebracht. Endlich wurden Diener angeschafft und so gekleidet, wie die Diener der Prinzessin am Tage ihrer Erlösung gekleidet gewesen waren. Ach da war viel nicht genug und das Geld flog nur so weg. Eben war sein Schloss fertig, da kam eine Stafette an den König, die meldete, in Zeit von zwei Tagen würde die Prinzessin anlangen und gab einen Brief ab, worin stand, sie sei von einem Wachtmeister erlöst worden, aber ihr Erlöser liege im Zauberschlaf vor dem verwünschten Schloss. Sogleich ließ der König den General kommen und erzählte ihm Alles, befahl ihm auch, an der Spitze des Heeres der Prinzessin entgegen zu ziehen und sie feierlich zu empfangen. Der General sagte bloß: „Ewer Majestät befehlen“ und ließ sich gar nichts merken.

An dem bestimmten Tage holte er die Prinzessin an der Grenze ab und führte sie unter großem Jubel des Volkes in die Hauptstadt. Sie erkannte ihn nicht; wie hätte sie auch drauf kommen sollen, dass der von Gold und Ordenszeichen strotzende General ihr Erlöser sei, von dem sie nicht anders wusste, als dass er noch am Wall des Schlosses im Zauberschlaf liege. Als sie aber an ihres Vaters Schloss kam und das des Generals daneben neu erbaut sah, da erstaunte sie nicht wenig und ihre erste Frage bei Tische war an ihren Vater, wem doch das prächtige, stolze Schloss gehöre? „Das gehört unserm General“ sagte der König und konnte ihr nicht genug von ihm erzählen. „Ei das Schloss muss ich sehen“ sprach sie und nach Tische führte der König sie dahin. Als ihr die Diener entgegen kamen, sprach sie: „Vater das wundert mich.“ „Was, mein Kind?“ „Ei die Bedienten, die hat der General nicht nach seinem Kopf also gekleidet.“ Als sie in das erste Zimmer trat, rief sie: „Vater das erstaunt mich!“ „Was, mein Kind?“ „Ei das Zimmer, das hat der General nicht nach seinem Kopf also gemalt.“ Als sie in das zweite Zimmer kam, sprach sie gar nichts mehr, in dem dritten wurde sie totenblaß und im vierten wäre sie in Ohnmacht gefallen, wenn der General nicht in seiner Wachtmeisters-Uniform herbeigesprungen wäre und sie gehalten hätte. „Was ist das, mein Kind?“ rief der König erstaunt. Sie aber sprach: „Das ist mein Erlöser und euer General“ und da musste er ihren Ring und ihre Kette zeigen. Jetzt war des Jubels kein Ende und eine solche Hochzeit wie die war, ist im ganzen Odenwald noch nie gehalten worden.

(Nach: Wolf: Deutsche Hausmärchen 1851)

Der Fischerssohn, der Rappe und der Schimmel

Johann Wilhelm Wolf
Der Fischerssohn, der Rappe und der Schimmel

In einem großen Walde lag ein großer See, daran wohnte ein Fischer mit seiner Frau. Gott hatte ihnen fünf Söhne geschenkt, einer schöner als der andere. Jeden Tag, sobald der Morgen anbrach, zog der Fischer zu dem See und warf seine Netze aus und Abends zog er sie ein und stets hatte er sie voll guter, schöner Fische. Es war als ob ein besonderer Segen auf seiner Arbeit ruhe; der schien von einem kleinen grauen Männchen herzukommen, welches sich jeden Tag an dem See sehen ließ und in dem Kahne und an den Netzen herumsprang, als ob es den Fischen locke.

Als die Söhne größer wurden, mussten sie mit auf den Fischfang ausziehen und das ging der Reihe nach, jeden Tag ein andrer; die übrigen vier trugen derweil die Fische in die Stadt und verkauften sie um ein schön Stück Geld. Der Jüngste, welcher eben zwanzig Jahre alt war, zog auch eines Tages wieder mit zum See, aber das graue Männchen ließ sich an dem Morgen nicht blicken und Abends war kein Fisch im Netz. Schon wollten die Beiden heimgehen, da kam es daher gesprungen und fragte: „Nun ihr Leutchen, ihr Leutchen, wie geht es heut?“ „Schlecht, sehr schlecht“, sprach der Fischer, „wir haben nicht einen Fisch gefangen.“ „Fischer, willst du mir dort deinen jüngsten Sohn verkaufen?“ „Um keinen Preis verkaufe ich mein eigen Fleisch und Blut“ rief der Mann. „Ich fülle dir deinen Nachen mit purem gelbem Gold, so dass du ein reicher Mann bist auf ewige Zeit“ sprach das Männchen, „tust du es aber nicht, dann hast du keinen Vorsput mehr und hast gestern deinen letzten Fisch gefangen.“ Da fing der Fischer doch an sich die Sache zu überlegen und sprach: „Ja wenn ich wüsste, wo er bleibt und wie es ihm geht.“ „Es geschieht ihm gar nichts zu Leide, er hat mir nur zu folgen und zwei Pferde zu füttern, einen Schimmel und einen Rappen. Übrigens mag er spazieren gehen oder reiten und kann tun was er will, darf dich auch alle drei Monate besuchen.“ „Dann bin ich es zufrieden“ sprach der Fischer, „wenn nur mein Sohn will.“ Der war aber ein herzensguter Mensch und sagte: „Vater, da ich euch glücklich machen kann, so gehe ich mit dem grauen Männchen.“ Der Fischer nahm Abschied von ihm und dem Männchen; als er wieder zu seinem Nachen kam, da glänzten ihm helle Haufen Gold entgegen, so dass er ein steinreicher Mann war.

Der Jüngling folgte dem Männchen, welches ihn immer weiter im Walde führte bis in ein schönes Schloss. Dort zeigte es ihm alle Zimmer und die waren so prächtig, dass es nicht zu sagen ist. In einem derselben stand eine Menge von Büchern: „die darfst du alle lesen“, sprach das Männchen, „nur das eine dort in der Ecke nicht, es wäre dein Unglück.“ Zuletzt führte es ihn in den Stall, da standen zwei Pferde, ein Schimmel und ein Rappe: „Diese hast du zu füttern“, sprach das Männchen, „und das ist deine einzige Arbeit. Den Schimmel darfst du nie reiten; du musst ihm alle Tage zwei Maas Wein geben, viel gutes Brod, ihn hart striegeln und sauber putzen, denn ich halte große Stücke auf ihn. Der Rappe bekommt Hafer und Heu und Wasser; auf ihm darfst du nach Hause und in den Wald reiten, so viel du willst. Alle Arbeit muss aber bei Tage getan sein und du darfst nie mit Licht in den Stall gehen. Tust du das treu und fleißig und befolgst nie die Ratschläge deiner Mutter, dann hast du es gut und dein Glück ist gemacht.“

Der Jüngling versprach es und hielt auch sein Wort. Wenn er mit seiner Arbeit fertig war, las er in den Büchern und lernte viele Dinge, die nicht grade jeder weiß. Aber es hatte doch eine eigene Bewandtnis mit dem Schloss und es ging dort nicht mit rechten Dingen zu. Gewöhnlich sah er nur das Männchen, welches jeden Tag kam und ihn oft wegen seines Fleißes lobte und ermunterte nur so fort zu fahren, es werde sein Glück sein. Wenn er aber oft Abends im Garten saß und so über allerhand nachdachte, dann sah er zwei Gestalten herumwebern, von denen er nicht recht zu sagen wusste, was sie eigentlich waren. Die eine schien groß und wie ein Riese und war doch keiner, die andre schien kleiner und wie ein Weib, aber sie war doch keins. Die fuhren da herum, erschienen und verschwanden und er konnte weiter nichts bemerken, als dass die zweite immer betrübt und zu weinen schien. Er zerbrach sich oft den Kopf über sie, wurde aber darum kein Haarbreit klüger als er gewesen war.

Nachdem ein Vierteljahr herum war, bat der Jüngling das Männchen um Urlaub, er wolle einmal seine Ältern wiedersehen. Das Männchen bewilligte es ihm gern, nur riet es ihm abermals, den Ratschlägen seiner Mutter kein Gehör zu geben. Der Jüngling ritt auf seinem Rappen weg und stand ehe er sich’s versah am See. Als er aber nach seines Vaters Haus suchte, war davon nichts mehr zu sehn und an seiner Stelle stand ein prächtiges Schloss. Man kann sich denken mit welcher Freude seine Ältern ihn empfingen. Seine Brüder waren alle verheiratet und reiche Kaufleute in großen Städten. Das hielt ihm seine Mutter vor und sprach: „Diese sind versorgt, du weißt aber noch nicht, was du hast; du musst jetzt bald an deine Zukunft denken.“ Nachdem er ihr aber erst erzählt hatte, wie Alles im Schlosse war und zuging, da ließ sie ihm keine Ruhe mehr und sagte: „Sei kein Tor und überzeuge dich von Allem. Das graue Männchen missgönnt dir dein Glück. Ich an deiner Stelle müsste vor Allem wissen, was in dem Buche steht, eher könnte ich die Nacht kein Auge zutun und schmeckte mir weder Essen noch Trinken. Das graue Männchen erfährt ja nichts davon, du musst es nur recht heimlich tun.“ Also redete sie ihm so viel und so lange zu, bis er ihr versprach, er wolle das Buch lesen und ihr, wenn er wiederkomme sagen, was darin stehe.

Nach einigen Tagen nahm er Abschied von seinen Ältern und ritt wieder nach dem Schloss zurück. Dort besiegte er wohl Anfangs die Versuchung nach dem Buche zu greifen; nach und nach aber, als sie immer wiederkehrte meinte er, es sei ihm ja nur verboten, darin zu lesen, sehen könne er es immer. Als er es eine Zeitlang gesehen und immer wieder gesehen hatte, meinte er, ein wenig könne er immerhin darin lesen, aber als er einmal am Lesen war, da ruhte er nicht, bis er es ganz ausgelesen hatte. Jetzt wusste er wohl, dass der Schimmel eine verwünschte Prinzessin und der Riese ihr Vater sei, dass das Schloss ihr gehöre und sie jede Nacht Menschengestalt annähmen, auch wusste er, wie sie erlöst werden konnten, aber im selben Augenblick stand auch das graue Männchen vor ihm und fragte zornig: „Was hast du gemacht?“ Leugnen half da nicht, das Männchen fasste ihn beim Kragen und warf ihn vor die Tür des Schlosses, indem es sprach: „Hättest du nur ein Jahr lang meinen Ratschlägen gefolgt, dann warst du glücklich auf Lebenszeit, jetzt magst du die Säue hüten. Das hast du davon“ und da flog das Tor hinter ihm zu.

Da stand er nun im wilden Walde und ganz mutterseelenallein. Er fasste aber bald Mut, dachte, es sei ja nicht Alles verloren und er wisse doch, wie er die Prinzessin erlösen könne, schnitt sich einen Stock und arbeitete sich durch das Gebüsch. Viele Tage ging er also weiter und nährte sich von Wurzeln und Kräutern. Endlich wurde es lichter und er kam an ein Dorf. Da fragte er die Bauern, ob es keinen Dienst für ihn gebe? „Ja wohl“, sprach einer von ihnen, „wenn du mir die Säue hüten willst, dann kannst du bei mir ankommen.“ Das war allerdings hart und besonders jetzt, nachdem er es lange Zeit so gut gehabt hatte, aber was wollte er machen? Er wurde mit dem Bauern um einen geringen Lohn einig, bekam ein Eckchen neben dem Schweinestall als Schlafstelle und trieb am folgenden Morgen mit seinen Schweinen aus. Wie er nun so auf dem Felde saß und über sein Schicksal nachdachte, rauschte es gewaltig über ihm in der Luft und da flog der Vogel Greif daher und ließ sich in der Ferne auf einen Berg nieder. Er rieb sich vergnügt die Hände und lachte so recht froh in sich hinein, denn von dem Vogel Greif hatte er in dem Buche gelesen. Als der Vogel am folgenden Tage wieder kam und desselben Weges flog, erzählte er Abends dem Bauern davon. „Ich kenne ihn nur allzuwohl“, sprach der Bauer, „er hat mir mehr als ein Schwein gefressen, darum nimm dich nur in Acht, dass du dem Berge nicht zu nahe kommst.“ „Ei was, mir holt er kein Schwein“ rief der Jüngling „und jetzt treibe ich geraden Wegs nach dem Berge hin.“ „Das magst du tun“, sprach der Bauer, „fehlt aber am Abend ein Schwein, dann bekommst du Prügel und ich jage dich weg.“

„Frisch gewagt ist halb gewonnen“ sprach der Jüngling, als er am folgenden Morgen die Herde austrieb und fuhr auf den Berg zu, denn auch von dem Berge stand in dem Buche geschrieben. Gegen Mittag kam der Vogel Greif herangeflogen wie eine große dunkle Wolke. Als er nahe bei dem Berge die Schweineherde erblickte, schoss er nieder und packte eins mit seinen großen grausigen Klauen, aber der Jüngling hatte nicht vergessen, was er weiter in dem Buch gelesen hatte; er riss ihm schnell drei Federn aus, steckte zwei hinter die Ohren und nahm eine in den Mund: da war er so stark und konnte fliegen trotz dem Vogel Greif. Jetzt riss er ihm das Schwein weg, griff ihn am Halse und drückte ihm die Kehle, bis der mächtige Vogel tot dahin sank. Alsdann schnitt er ihm mit seinem Messer den Leib auf und holte ein großes weißes Ei daraus: damit konnte er die Prinzessin erlösen. Heisa, jetzt war er wieder oben und hätte mit keinem König und Kaiser getauscht. Jubelnd und singend trieb er seine Herde heim. Der Bauer erstaunte, dass er schon so frühe zurückkam, aber ehe er noch fragen konnte, was die Ursache davon sei, erhob sich der Jüngling durch die Kraft der Greifenfedern in die Luft und der Bauer hatte das Nachgucken.

Er flog aber hoch, hoch empor und schaute sich um bis er das Schloss erblickte; in der Nähe desselben ließ er sich auf einem Baume nieder und wartete den Abend ab. Dann flog er auf einen hohen Lindenbaum, welcher in dem Garten stand und worunter er die beiden Gestalten jeden Abend hatte sitzen sehen. In den Ästen verborgen hielt er sich ganz still. Als er eine Weile da gesessen hatte, öffnete sich die Stalltür: zuerst schlupfte das graue Männchen heraus, dann kam die weinende Frauengestalt und zuletzt die Riesengestalt. Das Männchen lief ins Schloss, die beiden andern aber kamen auf den Lindenbaum zu und setzten sich unter ihm nieder. Ach wie klopfte ihm jetzt das Herz! Er griff leise in den Sack, fasste das Ei, zielte gut und patsch! flog es gegen des Riesen Stirn. Zugleich aber tat es einen Donnerschlag, als breche das ganze Schloss zusammen, so dass der Jüngling sich an den Ästen der Linde halten musste und die Augen zudrückte. Als er wieder aufschaute, waren die beiden Gestalten verschwunden und stand da ein König mit goldner Krone auf dem Haupte und eine Prinzessin so wunderschön, dass es ihres Gleichen nicht mehr gibt. Aus dem Schloss kamen die Hofherrn und Diener gerannt, alle begrüßten und küssten sich und war da eine Freude sonder Gleichen. Der König wandte sich aber um und rief dem Jüngling, er möge niedersteigen und als er das getan, legte er des Jünglings Hand und die der Prinzessin zusammen und sprach: „Du hast es um uns verdient, dass du mein Sohn wirst; wahre dir dein gutes Herz, dann wird das Glück dich auch bewahren.“ Also wurde der Fischerssohn zu einem königlichen Prinzen; wer weiß, was aus dir noch Alles werden kann? – Wo ist denn das graue Männchen geblieben? Das hatte der alte Taglöhner Hans vergessen, als er mir’s erzählte, kommst du nach Jugenheim, so frage ihn, es wird ihm wieder eingefallen sein.

Von den achtzehn Soldaten

Johann Wilhelm Wolf
Von den achtzehn Soldaten

Achtzehen Soldaten, nämlich ein Feldwebel, ein Sergeant, ein Korporal, ein Tambour und vierzehn Gemeine waren zusammen auf einer einsamen Wacht.

Weil nun der Dienst sehr hart und das Traktement schlecht war, so tat sich die ganze Wachtmannschaft zusammen und beschloss, zu desertieren, nur der Feldwebel, der ein alter Soldat war und zwei Feldzüge mitgemacht hatte, wollte Nichts von der Sache wissen.

Da er’s nicht anders wollte, so banden sie ihm Hände und Füße zusammen, auf dass er nicht in Verantwortung und Strafe käme, legten ihn unter die Pritsche und gingen alle Siebenzehen mit Sack und Pack davon. Sie waren aber kaum ein paar hundert Schritt weit gegangen, so fiel dem Corporal ein, dass er seine Pfeife auf dem Tisch hatte liegen lassen, und er ging zurück, um sie zu holen. Unterdessen hatte sich der Feldwebel unter der Pritsche die Sache noch ein Mal überlegt und weil er dachte, er könnte doch vielleicht in harte Strafe kommen, so ward er anderen Sinnes und reute es ihn, dass er nicht mitgegangen war. Als nun der Corporal wieder hereintrat sprach er: „Bind mich los, Kamerad, es liegt sich unter der Pritsche noch schlechter, als oben darauf“ und als er los war, schloss er die Wachtstube zu, steckte den Schlüssel ein und desertierte mit.

Eine schöne Zeit waren sie zusammen umher gezogen, – das Geld war alle, aber der Hunger und Durst noch nicht und sie dachten Mittags zuweilen an den großen Fleischkessel in der Kaserne – da kamen sie einmal an ein einsames Waldwirtshaus. Sie gingen hinein, der Feldwebel klapperte mit dem Schlüssel und ein paar Gamaschenknöpfen im Sack, und sie ließen sich einschenken und auftragen was in der Küche und im Keller war.

Als es darnach ans Bezahlen ging, griff der Feldwebel in den Sack, als wenn er ein Paar von seinen Kronentalern wollte springen lassen, aber „das kann nicht sein, Herr Feldwebel“ rief der Sergeant, „an mir ist das Bezahlen!“ und griff dabei in seinen Hosensack; der Feldwebel aber ging einstweilen hinaus. „Haltet ein, Herr Sergeant!“ rief jetzt der Corporal „wollt Ihr immer die Zeche bezahlen?“ dabei fuhr er eilig in die Tasche, der Sergeant aber ging einstweilen hinaus. Da sprach der Tambour: „an mir ist heute die Reihe, soll ich mich immer von euch füttern lassen?“ – und der Corporal folgte den Andern. Von dem Tambour wollte sich aber der älteste Gemeine nicht lumpen lassen und so immer fort Keiner von dem Andern, bis herunter zu dem jüngsten Soldaten, der noch ein Rekrut war. Der aber sprach, er wollte die Anderen noch ein Mal alle hereinrufen, damit man genau nachrechnen könnte, was jeder gegessen und getrunken – fort war er und lief den anderen Siebenzehen nach.

Der Wirt hätte schwarz und blau vor Arger werden mögen, als er sich so geprellt sah, doch weil er ein böser heimtückischer Mann war, machte er das Fenster auf und rief seinen Gästen mit freundlicher Stimme nach: „was lauft ihr also, ihr braven Bursche? Kommt zurück, euer Spaß gefällt mir also wohl, dass ich euch noch eine Zehrung mit auf den Weg geben will!“ –

Als sie nun wiederkamen, gab er noch einem jeden einen halben Gulden, und sie sollten doch den Weg rechter Hand einschlagen und dann das zweite Pfändchen links gehen, so würden sie an einen Berg mit einer offnen Tür kommen, wenn sie da hineingingen, so möchten sie glücklich werden für all ihr Lebtag!

Das leuchtete den Soldaten ein, sie dankten für die Zehrung und den guten Rat, versprachen auch, nicht wiederzukommen und machten sich spornstreichs auf den Weg nach dem Berge; der Wirt aber freute sich, dass ihm sein schlimmer Anschlag so wohl gelungen war, denn in den Berg hinein war schon gar Mancher gegangen, aber Keiner wieder heraus.

Die Achtzehen gingen den Weg rechter Hand und an dem großen Baum das zweite Pfädchen links und dann durch die offene Tür in den Berg hinein. Darinnen war es ganz hell, wie draußen auch, und eine schöne breite Straße führte immer weiter hinein. Da sie ein gutes Stück darauf fortmarschiert waren, kamen sie vor eine aufgezogene Zugbrücke; die ließ sich aber von selber vor ihnen herab, dass sie darüber gehen konnten. Nun waren sie in einem großen Hof. Sie wanderten wieder eine Zeitlang weiter, dann kamen sie an eine zweite Zugbrücke, die sich niederließ wie die erste und über welche sie in einen andern Hof gelangten. Ebenso ging es noch ein Mal über eine dritte Brücke und in einen dritten Hof – da stand aber mitten darin ein wunderschönes Schloss.

„Rangiert euch!“ kommandierte der Feldwebel, ließ die Mannschaft in Reihe und Glied herantreten und die Unteroffiziere auf die Flügel; „Geschwindschritt Marsch!“ hieß es dann, der Tambour schlug ein, und die Achtzehen marschierten zum Schlosstor hinein, und als sie darinnen waren erklärten sie das Schloss für erobert. Sie hatten freilich gut erobern, denn es war ringsum nichts Lebendiges zu sehen und zu hören; wohl aber fanden sie einen großen Saal, wo für achtzehn Mann gedeckt und aufgetragen war, was ihnen gar wohl gefiel. Neben dem Saale waren achtzehn schöne Schlafkämmerchen, eines wie das andere, ein jedes mit einem prächtigen seidenen Bett, und das gefiel ihnen auch.

Nun setzten sie sich ohne weiteres zu Tisch, damit es nicht kalt werden sollte und lebten hoch in Freuden bis in die Nacht hinein; dann krochen sie in die weichen seidenen Betten und schliefen wie die Grafen. Der Feldwebel war der Erste, der des anderen Morgens wieder aufwachte. Er wollte sich anziehen und den Tambour wecken, dass er Reveille schlüge, doch seine Montur war fort und nirgends mehr zu sehen. Er hing sich das Bettuch um und rief seinen Kameraden – da kamen sie auch heraus, Einer nach dem Andern, aber Einer wie der Andere im Bettuch gleich dem Feldwebel, denn ihre Kleider waren auch verschwunden, als wären sie niemals dagewesen. Als sie sich im Saale umschauten, sahen sie mitten auf dem Tisch zwei große Kisten stehen; sie machten den Deckel auf, da fanden sie in dem einen Kasten eine Feldwebelmontur, eine Sergeanten-, eine Corporals- und eine Tambours-Montur und vierzehn Stück gemeine Soldatenmonturen. Alles war funkelnagelneu, als wenn es eben vom Schneider käme, und passte wie angegossen. –

In der anderen Kiste waren siebzehen prächtige neue Gewehre, Säbel und Patrontaschen und eine nagelneue Trommel für den Tambour! Das war eine Herrlichkeit!

Als die erste Freude vorüber war, sagte der Feldwebel, weil sie jetzt wieder das Ansehen von ordentlichen Soldaten hätten, so wollten sie auch ihren Dienst tun wie es sich gehöre.

Darauf führte er einen Teil der Mannschaft in die Wachtstube am Schlosstor, teilte sie zum Schildwachtstehen in drei Nummern ab und von nun an mussten sie ordentlich auf Posten ziehen und alle zwei Stunden ablösen wie es sich gehörte.

Als sie es schon eine Zeit lang so getrieben hatten, da kam eines Tages eine prächtige sechsspännige Kutsche angefahren und hielt vor dem Schlosstor. Ein Bedienter in einem goldnen Rock machte den Schlag auf und eine wunderschöne Dame stieg heraus. Sie ließ sich von der Schildwache den Feldwebel herausrufen, ging mit ihm hinauf in seine Schlafkammer und sprach zu ihm: „Ich bin eine verwünschte Prinzessin, du aber sollst mich erlösen und mein Bräutigam sein. Von Morgen an wird jeden Tag eine andere Prinzessin kommen, die erste zum Sergeanten, die zweite zum Corporal und so immer fort, bis ein jeder von euch die Seinige gesehen und mit ihr gesprochen hat. Also muss es geschehen, damit ihr uns erlösen könnt.“

Das und noch Anderes redete sie mit dem Feldwebel, ehe sie von dannen fuhr und wie sie gesagt, so kam es.

Die zweite Prinzeß kam des anderen Tages, ging mit dem Sergeanten hinauf in die Kammer und beredete sich allda mit ihm und so ging es immer weiter, jeden Tag kam eine andere und Eine immer noch schöner als die Andere. Dem jüngsten Soldaten blieb aber die Seinige gar zu lange aus und weil er dachte, wer weiß wann die Reihe an mich kommt, so entschloss er sich kurz und desertierte.

Als er aber wieder an die erste Brücke kam, so stund da der Teufel und fragte ihn: „wo hinaus?“ „Aus dem Berg hinaus!“ sprach der Soldat, da fasste ihn der Teufel und drehte ihm das Genick ab.

Als die anderen Soldaten ihren Kameraden vermissten, schickte der Feldwebel eine Patrouille aus, um ihn zu suchen. Bald fanden sie ihn denn auch tot am Boden liegen; er hatte seine alten zerrissenen Kleider wieder an, die er mitgebracht und regte kein Glied mehr. Aber noch desselbigen Tages kam die älteste Prinzessin wieder gefahren, ging mit ihrem Feldwebel hinauf und sprach zu ihm: „Dass euer Kamerad desertiert ist, das hat die ganze Erlösung verdorben; entweder müsst ihr jetzt wieder einen achzehenten Mann herbeischaffen, dass Alles von Neuem beginnen kann, oder ihr seid des Todes alle Siebenzehen.“ So sprach sie und fuhr wieder weg. Nun berief der Feldwebel die ganze Mannschaft zu sich, hielt einen Rat mit ihnen, was sie tun sollten, und sie wurden einig, dass der Corporal mit zwei Gemeinen auf Werbung ausziehen müsse nach dem achtzehenten Mann. Als nun die Drei an die erste Brücke kamen, stand der Teufel davor und fragte: „wo hinaus?“ „Auf Werbung“ sprach der Corpora. „Passiert!“ rief der Teufel und ließ sie hinaus. So gelangten sie ungehindert über die drei Brücken bis vor den Berg, gingen dieselben Wege, die sie früher hergekommen wieder zurück, fanden bald auch das Waldwirtshäuslein von damals wieder. Sie setzten sich an den Tisch zu dem Wirt, der sie in den Berg hineingeschickt hatte; weil sie aber so sauber und ordentlich aussahen, erkannte er sie nicht mehr und sie taten als ob sie ihn auch nicht kennten. Es dauerte nicht lange, so kam ein armer Handwerksbursch herein, setzte sich ganz traurig an einen anderen Tisch und ließ sich ein Stück trocken Brod geben und ein Glas Wasser dazu. Da riefen ihn die drei Soldaten zu sich, gaben ihm Wein zu trinken und Braten zu essen. Da er nun satt war und guter Dinge wurde, fragten sie ihn: ob er nicht für ein gutes Handgeld sich wolle anwerben lassen? Das gefiel dem Handwerksburschen schlecht, deshalb antwortete er im Spott, wenn sie ihm hundert Gulden Handgeld geben wollten, so wäre‘ er’s zufrieden. Der Corporal aber, der sich aus der Schatzkammer des verwünschten Schlosses einen ganzen Tornister voll Geld mitgebracht hatte, zählte ihm auf der Stelle zweihundert Dukaten auf den Tisch und die Sache war abgemacht. Sie machten sich nun auf den Heimweg, der Teufel ließ sie ungehindert einpassieren und im Schloss gab es eine große Freude, als sie mit dem Rekruten ankamen.

Als sie aber aus dem Wirtshaus weg waren, sprach zum Wirt die Wirtin: „Du bleibst doch ein Esel all dein Lebtag, sonst hättest du gemerkt, dass der Corpora und die zwei Soldaten schon ein Mal bei uns waren, unter den achtzehn lumpigen Kerlen, die dich so schmählich angeführt haben. Und zum Lohn dafür hast du sie glücklich gemacht für all dein Lebtag!“ Wie sie das meine? fragte der Wirt. „Ei du Narr“ sprach sie „hast du denn das viele Gold nicht gesehen? Das haben sie nirgends anders geholt, als in dem Berg, in den du sie geschickt hast, dass sie nicht wiederkommen sollten. Jetzt aber will ich auch keine Bettlerin mehr bleiben. Auf der Stelle packst du den Sack da auf und kommst mir nicht wieder, ohne dass er voll Dukaten ist!“

Einreden half dem Wirt nicht, er musste ohne Zaudern hinaus in den Wald, den Weg rechter Hand, das zweite Pfädchen links und hinein in den verzauberten Berg. Wer aber an der ersten Brücke stand war Niemand Anderes als der Teufel, der fragte ihn: „wo hinaus mit deinem Sack?“ „Geld holen für meine Frau!“ sprach der Wirt, da erwischte ihn der Teufel am Camisol und brach ihm das Genick ab. Das hatte er nun davon. Die Wirtin daheim konnte es aber nicht aushalten vor Erwartung und Ungeduld nach dem schönen Gold; sie dachte, es möchte ihm zu schwer werden unterwegs, sie könnte ihm ja entgegen laufen und es ihm abnehmen. Sie kam bis vor den Berg und wartete erst noch eine Zeitlang vor der Tür, doch als der Wirt immer noch nicht erschien, dachte sie: er hat zu schwer geladen und kann es nicht allein auf die Achsel heben, du willst hineingehen und ihm helfen! Also ging sie hinein und kam zu der ersten Brücke, wo der Teufel stand und auf sie wartete. „Wo hinaus, liebe Frau?“ fragte er. „Zu meinem Mann!“ „Da kann sie hinkommen liebe Frau“ sprach der Teufel, griff sie bei den Haaren, drehte ihr den Hals ab und warf sie hinab zu ihrem Manne. Jetzt waren sie beisammen. –

Den achtzehn Soldaten ging es besser. Da die Zahl durch den Rekruten voll geworden war, so kamen die Prinzessinnen wieder angefahren, immer Eine nach der Andern, jede zu ihrem Liebsten und Alle, bis zum Achtzehenten hielten es diesmal richtig aus. Als die letzte Prinzessin dagewesen war, da kamen sie des anderen Abends alle Achtzehen auf ein Mal, die Älteste aber sprach: „heute Nacht müsst ihr die Erlösung zu Ende bringen; eine jede von uns legt sich zu ihrem Bräutigam, aber ruhig und stille muss ein jeder bei seiner Prinzessin liegen und Keiner reden oder sich rühren, bis es Reveille schlägt.“ So geschah’s. Sie legten sich Alle Sechs und dreißig zusammen und Alle hielten tapfer aus, nur der Tambour hätte beinahe Alles verdorben. Denn gegen Morgen fiel es ihm plötzlich brühheiß ein: holla! wer kann denn die Reveille schlagen wenn ich bei der Prinzessin liege? Als er gerade herausspringen wollte, da begann es auf einmal Reveille zu schlagen, aber was für eine Reveille! So hatte der Tambour noch keine gehört! Es war gerade als ob zehn mal hunderttausend Tamboure im Schlosshof stunden und schlügen! Jetzt war Alles Liebes und Gutes. Die älteste Prinzessin blieb mit dem Feldwebel in dem Schloss wohnen, das nun erlöst war, die anderen fuhren mit ihren Männern fort, die eine dahin, die andere dorthin, wo eine jede ihr Königreich hatte. Die Brücke war jetzt gut passieren, denn der Teufel hatte nun andere Sachen zu tun, als dort Schildwacht zu stehen.

Der graue Wackenstein.

Johann Wilhelm Wolf
Der graue Wackenstein.

Ein armer Bauersmann hatte nur einen einzigen Sohn, den erzog er christlich und ehrlich, wie es sich gebührt. Als der Knabe aber größer und größer wurde, da wurde ihm seines Vaters Haus zu enge und er wollte in die weite Welt. Sein Vater war ganz trostlos darüber und gab ihm die himmelsbesten Worte, er solle im Lande bleiben und sich redlich nähren, aber das half alles nichts, er blieb dabei, er wolle sich die Welt beschauen. Da erzürnte sein Vater zuletzt und sprach: ‚Ei so wollte ich, dass du drei Tage und drei Nächte in einem fort laufen müßtest und könntest nicht aufhören.‘
Wie der Vater gesagt hatte, so geschah es. Der Bursche mußte laufen und immerfort laufen drei Tage und drei Nächte hindurch. Die Sonne stach am Tage heiß und Nachts taute es kühl und naß, der Hunger und der Durst plagten ihn, aber Alles half nichts, denn Elternfluch fährt nicht in den Wind: er mußte laufen bis zum Ende des dritten Tages. Zuletzt sank er müde und matt nieder und war zum Sterben schwach; wo er Essen hernehmen sollte, das wußte er nicht, denn er lag in einem dichten Walde. Da kam plötzlich ein kleines graues Männchen daher gegangen, das blieb bei ihm stehen und frug ihn, was ihm denn fehle:
‚Ach,‘ sprach er, ‚ich habe so argen Hunger und Durst, dass ich es nicht länger aushalten kann.‘ ‚Wenn das Alles ist, dann ist dir leicht geholfen,‘ sprach das Männchen; ‚geh nur mit mir und du sollst vollauf haben, so viel du willst.‘ Da raffte er seine letzten Kräfte zusammen und hinkte hinter dem Männchen drein. Sie waren kaum funfzig Schritt weit gegangen, da kamen sie an ein ungeheuer großes, kohlrabenschwarzes Schloss; da gingen sie hinein, die breiten Treppen hinauf und durch eine ungeheure Tür in einen hohen Saal. In dem ganzen Schloss war kein Mensch zu hören noch zu sehen, alles war totenstill, in dem Saal aber stand trotzdem ein köstliches Mahl auf einem hohen, hohen Tische und um denselben drei hohe, hohe Stühle. ‚Nun laß uns nach Herzenslust essen und trinken,‘ sprach das Männchen, ‚aber rasch, denn allzulange dürfen wir uns nicht aufhalten.‘ Da kletterten sie so schnell sie konnten an den Stuhlbeinen in die Höhe, marschirten auf der Tafel zwischen den Tellern und Schüsseln umher und aßen sich rundsatt. Dann rutschten sie an den Stuhlbeinen wieder herab, liefen die Treppen hinunter und zur Tür hinaus. Es war aber auch die höchste Zeit, denn die Tür fuhr so hart hinter ihnen zu, dass sie den Schuhabsatz des Jünglings abschlug. Der war jetzt wieder munter und guter Dinge und hatte alles Ungemach der drei Tage rein vergessen. Er sprang mit dem Männchen in den Wald hinein, immer weiter bis an ein recht dichtes Plätzchen. Da gab das Männchen dem Jüngling ein Stöckchen und sprach: ‚In dem Schlosse wohnen drei Riesen, das sind Menschenfresser. Wenn die nach Hause kommen und sehen, dass Jemand aus ihrer Schüssel gegessen und aus ihren Bechern getrunken hat, dann kommen sie in den Wald und suchen. Wenn nun einer kommt und dich findet, dann muß er sich bücken, um dich aufzuheben und zu fressen. Sei aber dann bei der Hand und schlage ihn mit dem Stöckchen auf den Kopf, sogleich fällt er hin und regt kein Glied mehr.‘ Da wäre dem Jüngling fast das Herz in die Schuhe gefallen, er bat das Männchen: ‚Ach bleibe doch bei mir, dann fürchte ich mich weniger.‘ Aber das Männchen sprach: ‚Du brauchst dich nicht zu fürchten, sie tun dir nichts, wenn du es machst, wie ich dir gesagt habe. Ich darf nicht dabei sein, sonst wäre Alles umsonst.‘ Da schlupfte das Männchen in eine Höhle, welche nahebei war und wartete dort ab, was geschehe. Bald drauf rauschte es im Wald und knackte und krachte, das war einer der Riesen, wohin der ging, mußte er sich zuvor Luft machen und strich so mit seinen Händen die Aeste zur Seite, dass sie und mit ihnen ganze Baumwipfel brachen. Als er dem Jüngling nahe kam und ihn sah, schrie er: ‚Ach hab ich dich nun, hast du aus meiner Schüssel gefressen, so will ich jetzt dich selber fressen.‘ Er bückte sich um ihn zu fassen, doch da schlug der Jüngling ihn mit dem Stöckchen vor die Stirn und plumps, da lag er und streckte alle viere von sich. In einem Satze war das Männchen da und rief: ‚Schnell, dass wir ihn verstecken, bevor die andern kommen!‘ Sie zogen ihn bei den Haaren tiefer ins Gebüsch und bedeckten den ganzen Kerl mit dürrem Laub.
Eine Weile drauf tobte und tappte es wiederum durch den Wald als ob der Sturm hindurch fahre. Das war der zweite Riese, der kam mit großen Schritten heran, denn er war nicht wenig böse. Als er den Jüngling fand, schrie er: ‚Ach du hast aus meiner Schüssel gefressen, so will ich jetzt dich selber fressen.‘ Damit bückte er sich, aber der Jüngling traf ihn so wohl an die Stirn, dass er hinstürzte und keinen Laut mehr von sich gab. Husch war das Männchen wieder bei der Hand und rief: ‚Schnell weg mit ihm, ehe der dritte kommt!‘ Da zogen sie ihn bei den Haaren zu seinem Kameraden und warfen dürres Laub drauf, so dass man keine Fingerspitze von den zwei Kerlen sah.
Das graue Männchen hatte Recht, wenn es eilte, dass der Riese auf die Seite kam. Kaum lag er unter dem Laube, als es durch den Wald schrie und lärmte. Das war der dritte Riese und der hatte einen Tritt, dass die Erde davon erbebte. Als er den Jüngling fand, rief er wüthend: ‚Du hast aus meiner Schüssel gefressen, so will ich dich jetzt selber fressen.‘ Als er sich aber bückte, den Jüngling zu packen, traf dieser ihn so gut mit seinem Stöckchen an die Stirn, dass er hinfiel und keinen Pieps mehr tat.
Nun sprang das Männchen gar fröhlich aus seiner Höhle heraus und sprach: ‚Der mag liegen bleiben, denn das ist der letzte; jetzt laß uns wieder in das Schloss gehen, da sind wir Herren und Meister. Du mußt mir jedoch vorher versprechen, dass du mir in Allem getreulich folgen willst, was ich dir sage oder auftrage. Du hast gesehen, dass es nur zu deinem Besten ausschlägt.‘ Der Jüngling versprach dieß mit Freuden und folgte dem Männchen zu dem kohlrabenschwarzen RiesenSchloss. Sie traten hinein und kamen durch viele Zimmer endlich in eine Kammer, da hing ein großes, blankes, scharfes Schwert an der Wand. Das Männchen sprach: ‚Nimm dieß Schwert herunter‘ und als der Jüngling es gethan, sprach es weiter: ‚Nun haue mir den Kopf ab.‘ ‚Ach wie könnte ich das! Du hast mir ja nichts zu Leide getan,‘ rief der Jüngling, doch das Männchen erzürnte und rief: ‚Willst du mir den Kopf abhauen oder soll ich ihn dir abhauen?‘ Da konnte der Jüngling wohl nicht anders, er nahm das Schwert in beide Hände und schlug dem Männchen den Hals durch und durch. Als aber der alte Kopf des Männchens herunter fiel, fielen die grauen Kleider mit ab, wie einem Schmetterling die garstigen Puppenkleider und da stand eine Jungfrau vor dem Jüngling, die war so wunderschön, dass er vor lauter Staunen und Entzücken kein Wort sprechen konnte. Er glaubte nicht anders, als es sei ein Traum, aber da reichte sie ihm die Hand und sprach: ‚Siehst du nun, dass du Recht daran tatest, mir zu folgen?‘ Dann erzählte sie ihm ihre ganze Geschichte, die war sehr traurig. Vor vielen Jahren waren die drei Riesen in die Gegend gekommen, wo ihr Vater als Graf auf dem Schlosse wohnte. Sie hatten das Schloss überfallen und alles gefressen, was sie da fanden, die ganze Familie der schönen Jungfrau, den ganzen Hofstaat und alles Gesinde, nur sie selbst hatten die Ungeheuer verschont, weil sie so schön war. Sie wollten ihren Willen mit ihr haben, als sie aber mit Gottes Hülfe den Riesen stets entfloh, da verwünschten sie die Jungfrau in ein graues Männchen; seitdem wurde das Schloss kohlrabenschwarz. Alsdann fuhr sie fort: ‚Du hast mich erst halb erlöst, da das Schloss noch nicht erlöst ist, darum sollst du jetzt dein Werk ganz vollenden. Im Walde steht die große Rieseneiche, diese mußt du aufsuchen. Sie hat sieben Löcher über einander in ihrem Stamm und in dem siebenten sitzt eine Taube auf zwei Eiern. Die Eier mußt du nehmen und mir an dem Kopf entzwei werfen.‘
Der Jüngling tat wie sie ihm geheißen. Er fand die Eiche und an der Eiche die sieben Löcher und in dem obersten Loch die Taube und unter der Taube die
Eier. Diese brachte er mit und warf sie der Jungfrau an den Kopf. Im selben Augenblick krachte es in dem ganzen Schloss, als sollte die Welt versinken und es war wieder weiß, wie Schnee, als ob es eben erst gebaut worden wäre.
Der Jüngling feierte nun rasch seine Hochzeit mit der schönen Gräfin, er nahm viele Diener an und ein neues schönes Leben kehrte in dem Schlosse ein. Nach einem Jahre sollte der Beiden Glück vollständig werden, denn die Gräfin fühlte, dass sie bald eines Kindes genesen werde. Als aber der Augenblick da war und sie gebären sollte, da brachte sie statt eines Kindes einen grauen Wackenstein zur Welt. Ihr Mann war außer sich vor Jammer als er den Stein sah, doch sie tröstete ihn und sprach: ‚Dieß ist noch eine Folge der Verwünschung, welche die Riesen über mich ausgesprochen haben, aber sei zufrieden, denn du kannst uns leichtlich helfen. Trage den Stein in den Keller und zerhaue ihn dort mit dem Schwerte, womit du mir den Kopf abgeschlagen hast, als ich noch ein graues Männchen war.‘ Er tat nach ihrem Willen, und als das Schwert durch den Stein fuhr, da sprang das helle rote Blut heraus, worüber er sich so entsetzte, dass er den Stein liegen ließ und wieder zu seiner Frau eilte, um ihr das zu sagen. Sie sprach: ‚Du hast ganz recht getan, nun gehe nach sieben Tagen wiederum in den Keller und schau einmal nach.‘
Das Herz klopfte ihm nicht wenig, als er nach sieben Tagen die Kellertür öffnete, doch was war das für eine Freude, als er an der Stelle des blutigen Steines ein wunderschönes kleines Mägdlein liegen sah, das blickte ihn mit klugen Augen an und streckte ihm die Ärmchen entgegen. Er hob es auf und trug es voller Freude zu seiner Frau. Sobald diese wieder gesund war, reiste er aber nach Hause und holte seinen Vater und das ganze Dorf ab, welches sehr arm war. Er schenkte jedem Bauern ein groß Stück Wald, was er sich ausroden und anbauen konnte und lebte als Graf mit seiner lieben Frau noch lange und glücklich.

Aus: Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Hausmärchen
(1851)
Rechtschreibung und Grammatik leicht korrigiert.

Der Hasenhirt.

*Der Hasenhirt.

Es war einmal ein König von Portugal, der hatte eine sehr schöne Tochter und die hatte so viel Freier, dass sie sich ihrer nicht zu entschlagen wußte, und dass die Wahl ihr mit jedem Tage schwerer wurde, denn jeden Tag kamen ihrer einige Dutzende mehr in der Hauptstadt an. Da ließ der König endlich ein Gebot ergehen: wer ihm einen goldenen Apfel brächte, der solle die Prinzessin haben. Nun wäre es zwar leicht gewesen, sich einen goldenen Apfel beim Goldschmied machen zu lassen, aber damit war es nicht getan, denn der Apfel mußte gewachsen sein und es gibt nur einen Baum in der Welt, worauf sie wachsen.
Nun verloren die meisten Freier den Mut, ein General aber behielt dessen genug und machte sich auf den Weg und kam in einen großen Wald, und als er den hinter sich hatte, da lag eine große Haide vor ihm und mitten auf der Haide stand der Wunderbaum und der glänzte ganz prächtig, so voll goldener Aepfel war er. Kaum stand er daran, als ihm einer der goldenen Aepfel vor die Füße fiel. Den steckte er schnell in die Tasche, aber er war nicht mit einem zufrieden, sondern wollte ihrer mehr haben und rüttelte und schüttelte, aber es wollte keiner fallen. Da nahm er einen Stock und wollte sich welche herunter werfen, aber das half auch nichts, und er mußte sich mit dem einen begnügen, und zog ab. Als er wieder in den Wald kam, begegnete ihm ein kleines graues Männchen, das frug ihn: ‚Ei, mein Freund, was hat er denn in seiner Tasche?‘ Der General sah das Männchen einmal von der Seite an und erwiederte unwirsch: ‚Einen Dreck hab ich.‘ Da sprach das Männchen: ‚Ist’s ein Dreck, dann soll’s auch ein Dreck bleiben,‘ und mit den Worten war es verschwunden.
Als der General in die Hauptstadt kam, da machte er groß Geschrei, dass er den goldenen Apfel habe, und als der König das hörte, ließ er schnell eine prächtige Mahlzeit anrichten; dabei saß der General neben der Prinzessin und meinte schon, er hätte sie. Ja, damit hatte es aber gute Weile, denn als ihm gegen das Ende der Tafel eine große goldene Schüssel vorgehalten wurde und er den goldenen Apfel darauf legen sollte, und er in die Tasche griff und den Wunderapfel herausziehen wollte, da hatte er einen Dreck in der Hand und der roch so übel, dass die Prinzessin ohnmächtig wurde, denn die war derartige Gerüche nicht gewohnt. Der König aber wurde ganz wütend, denn er meinte, der General hätte ihn zum Narren halten wollen; er rief die Schildwache herein, und ließ den General in das dunkelste Gefängniß werfen und ihn nur mit Wasser und Brottraktieren, was dem General lange Zeit nicht zum Besten schmecken wollte.
Nun geschah es, dass ein gemeiner Soldat, der aber ein sehr gutes Herz hatte, desertierte, weil das Soldatenspielen ihm nicht gefiel und er lieber einerlei Tuch am Rock trug, als zweierlei. Der kam auch, aber ganz zufällig, in den großen Wald und da setzte er sich in’s Gras, zog ein Stückchen Wurst und Brot aus der Tasche und schnitt’s zu Scheiben und fing an, es zu verzehren. Indem er damit beschäftigt war, trat das graue Männchen zu ihm und sprach: ‚Mich hungert sehr, gib mir auch ein Stückchen Brotund ein Scheibchen Wurst!‘ ‚Von Herzen gern,‘ sagte der Soldat, schnitt eine dicke Scheibe vom dicksten Ende der Wurst ab, brach das Brotin zwei Teile und gab das größte Stück mit der Wurst dem Männchen. Da sprach das Männchen: ‚Ich danke dir von Herzen und weil du so gut gegen mich warst, so will ich es auch gegen dich sein.‘ Und es zog einen goldenen Apfel aus dem Sack und ein Pfeifchen und gab’s dem Soldaten und sprach: ‚Mit dem Apfel kannst du dir die Königstochter erwerben, wenn du ihn dem König bringst, und das Pfeifchen wird dir auch schon gute Dienste tun.‘ Und fort war’s, und der Soldat wußte gar nicht, wo es hingeraten war, das kleine graue Männchen. Da hätte einer den Menschen springen sehen können! Er konnte lang seiner Freude nicht Meister werden, aber langsam kam es doch, wenn auch sehr langsam, eben wie der alten Frau das Tanzen.
Sein erster Weg war jetzt naTürlich zur Hauptstadt. Da ging er in das Schloss, trat vor den König und sprach: ‚Herr König, ich habe den goldenen Apfel, womit man die Prinzessin erwerben kann.‘ – ‚Hast du den Apfel, dann behalt ihn bis zu Ende der Mahlzeit,‘ sprach der König und ließ schnell Gäste laden und ein Gastmahl zurichten, und der Soldat saß neben der Prinzessin und konnte sich nicht satt sehen, weil sie so sehr schön war, konnte aber gar nicht essen, denn er hatte viel zu viel Freude und hielt stets die Hand am Sack, worin der kostbare Apfel war, denn er war bang, er könnt ihm noch gestohlen werden. Am Trinken ließ er es aber nicht fehlen. Gegen das Ende der Mahlzeit brachte man die goldene Schüssel und da griff er schnell in den Sack, zog den Apfel heraus und legte ihn auf die Schüssel, indem er sprach: ‚Da habt ihr ihn, da ist er!‘ – ‚Ach, wie schön!‘ rief der König und da riefen auch die anderen Alle: ‚Ach, wie schön!‘ Der Soldat aber sprach: ‚Jetzt hab ich euer Begehr erfüllt, Herr König, nun marsch zur Hochzeit, Jungfer Prinzessin!‘
Dazu hatte die Königstochter aber nicht sonderliche Lust, denn der Soldat hatte so schlechte Kleider an und aus der Tasche guckte gar sein Stummelpfeifchen und ein Wurstzipfelchen, und außerdem hatte er so rauhe Hände und roch nach Tabak, so dass sie ein über das anderemal ihr Riechfläschchen vor die Nase hielt. Dem König gefiel der Schwiegersohn auch nicht zum Allerbesten und er meinte, es habe wohl noch Zeit bis in einigen Tagen. ‚In Gottes Namen, wenn’s nicht länger wird,‘ sprach der Soldat. ‚Ich möchte mir auch einen andern Kittel machen lassen.‘ – Das ist gut, dachte der König. Kommt Zeit, kommt Rat.
Der König fing jetzt an nachzusinnen, wie er sich den Schwiegersohn ordentlicherweise vom Halse schaffen könne, aber es fiel ihm kein Mittel ein. Da dachte er an den General, der ihm stets mit klugen Ratschlägen zur Hand gewesen war, wenn der Schuh ihn irgendwo drückte, und er ließ ihn alsbald aus dem Gefängnisse holen und erzählte ihm Alles und frug ihn, was man dem Soldaten noch für ein schweres Stück aufgeben könnte. ‚Das will ich euch sagen, Herr König,‘ antwortete der General. ‚Laßt ihn hundert Hasen aus dem Tiergarten zusammentreiben; die soll er hüten, aber wenn einer ihm laufen geht, dann muß er seinen Kopf dafür lassen.‘ ‚Das soll keinem Tauben gesagt sein,‘ sprach der König, ließ den Soldaten rufen und erklärte ihm kurz und gut, dass er nicht sein Schwiegersohn werden könne, wenn er nicht hundert Hasen drei Tage lang hüte. Darüber zog der Soldat ein kraus Gesicht, aber was half’s? Es wurden hundert Treiber in den Tiergarten geschickt, die mußten die Hasen auftreiben und der Soldat stand mit dem General und dem König am Tor des Tiergartens und wie ein Hase heraussprang, zählte der General: Eins, zwei, drei, bis ihrer hundert waren, da machte er das Tor zu und der König sprach: ‚Jetzt hast du ihrer hundert, wenn du sie nicht jeden Abend richtig heimführst, dann gilt’s deinen Kopf.‘
O weh, dachte der Soldat, und griff sich an den Kopf: er glaubte, er fühle ihn schon wackeln, denn nicht einer von den Hasen hatte gewartet, bis die hundert voll waren, sondern alle waren ins Feld und in den Wald gelaufen, was gibst du, was hast du. Der General lachte aber so recht falsch und der König hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht lachen zu müssen, denn der Streich sei allzu gut gelungen, meinte er. Während sie in das Schloss gingen, und dort ein großes Freudenmahl gehalten wurde, schritt der arme Soldat traurig dem Walde zu und dachte, es sei doch recht wahr: Wer mit großen Herren Kirschen esse, den würfen sie mit den Steinen. Am Walde setzte er sich in’s Gras, da fiel ihm das Pfeifchen ein und er dachte: Ei jetzt will ich ein Stückchen pfeifen, was hab ich von dem Kopfhängen! Und er zog das Pfeifchen aus dem Sack und pfiff lustig und zugleich sprangen viele tausend Hasen von allen Seiten hinzu, so dass das ganze Feld mit ihnen voll war und aussah, wie ein großer Hasenpelz. Jetzt wuchs sein Mut wieder, er zählte sich hundert Hasen ab, hieß die Andern ihres Wegs laufen und machte sich einen Zeitvertreib, die hundert Hasen das Exerzieren zu lehren.
Abends nach dem Essen saß der König mit seiner ganzen Familie vor der Tür des Schlosses, als plötzlich in der Ferne etwas laut pfiff. Er schaute hin und frug den General: ‚Ei was ist das für eine Armee, die da heranzieht?‘ Ja wohl war das eine Armee. Der Soldat marschierte wie ein General voraus und die hundert Hasen in vier Abteilungen hinter ihm drein. Jede Abteilung hatte drei Glieder, jedes von acht Hasen und einer hupffte als Offizier vor den anderen her. Alle trugen aber Stöckchen, gerade wie Gewehre, und als sie vor den König kamen, da schulterten sie und präsentierten wie die besten Soldaten.
Da ärgerte sich der General die Seele fast aus dem Leibe, aber er dachte bei sich: Halt, ich kriege dich doch! Er tröstete auch die Prinzessin, die schon wieder vor Schrecken in Ohnmacht gefallen war, es sei ja noch nicht aller Tage Abend und er werde schon sorgen, dass der Soldat morgen Abend nicht mehr alle hundert Hasen zusammen habe.
Am folgenden Morgen verkleidete sich der General als Jäger, kam zu dem Soldaten und frug ihn, ob er ihm nicht einen von den Hasen verkaufen wolle? ‚Warum nicht?‘ sprach der Soldat, der gleich den General erkannte; ‚aber ich fürchte, ihr findet meinen Preis nicht sehr annehmbar.‘ ‚Ich bezahle dir so viel, wie du willst,‘ sagte der General, ‚und wenn es tausend Dukaten sind, denn die Hasen gefallen mir allzu gut.‘ ‚Von Dukaten ist die Rede nicht,‘ sprach der Soldat, ‚aber für fünfzig Prügel ist er mir feil.‘ ‚In Gottes Namen,‘ sagte der General, und der Soldat ging hin und schnitt sich ein junges Eichbäumchen, und der General mußte seinen Rücken entblößen und bekam fünfzig Prügel richtig gezählt und von der besten Sorte, denn der Soldat war ein handfester Bursch. Der General biß sich auf die Lippen, zuckte und zappelte, aber es half ihm nichts, und so hielt er aus und tröstete sich schnell, als er seinen Hasen bekam. Kaum war er aber fünfzig Schritt weg, da pfiff der Soldat sein Stückchen und sogleich schmiß der Hase den General vom Gaul, dass ihm Hören und Sehen verging und kam wieder und der General konnte gefoppt nach Hause gehen.
Da schickte die Prinzessin ihre Kammerjungfer weg, dass die dem Soldaten einen Hasen abschwatze. Die kam und tat schön mit dem Soldaten und schmeichelte ihm und bat ihn, er möge ihr doch eins der Häslein verehren; sie gefielen ihr so gut, weil sie so geschickt seien. ‚Von Verehren ist hier die Rede nicht, aber ihr könnt euch einen verdienen,‘ sprach der Soldat, ‚welcher den Pfiff wohl merkte.‘ ‚Sagt nur wie,‘ sprach sie, ‚ich bin Köchin und will euch gut Essen besorgen.‘ ‚Ich spreche nicht von Essen, aber für fünfzig Prügel könnt ihr ihn haben.‘ Wenn’s nicht anders ist,‘ sprach sie, und der Soldat ging und schnitt sich einen Schwarzdornstecken und nahm ihr fünfzigmal das Maß auf dem Rücken, dass ihr die Augen dabei überliefen. Dann bekam sie ihr Häslein und konnte gehen, aber als sie kaum hundert Schritte weit war, da pfiff der Soldat und plumps lag sie auf dem Rücken und das Häslein war wieder bei seinen Kameraden.
Zu Hause erzählte sie ebenso wenig, wie es der General erzählt hatte, wie teuer ihr das Häschen zu stehen gekommen, sondern nur, dass sie es verdient gehabt hätte und dass es ihr wieder fortgelaufen sei. ‚Du hast dich ungeschickt angelegt,‘ sagte die Prinzessin, ‚ich werde schon eins heim bringen.‘ Und sie zog sich als Wildprethändlerin an und ging selber hin, tat auch recht schön mit dem Soldaten und sagte ihm, sie wolle ihm viele Hirsche und Rehe geben, wenn er ihr nur einen von seinen Hasen überlassen wolle. Der Soldat aber erkannte sie auf den ersten Blick, tat jedoch nicht, als ob er etwas merke und sagte: ‚Von Tauschen ist hier nicht die Rede, aber ihr könnt euch ein Häslein verdienen.‘ ‚Sagt nur wie,‘ sprach die Prinzessin. ‚Mit sieben Küssen,‘ sprach der Soldat. O weh! dachte die Prinzessin, das ist sauer, aber sie hielt doch her und der Soldat sprang bei jedem Kuß mannshoch vor Freude, während sie ein Gesicht schnitt, als ob sie Essig und Pfeffer und Wermut verschluckt hätte. Dann bekam sie ihr Häschen und sprang vor Freude selber wie ein Häschen, denn sie dachte des Soldaten jetzt los zu sein. Als sie aber ihrem Vater, der ihr entgegen gekommen war, das Häschen zeigen wollte, da ging ein lauter Pfiff und husch war das Häslein weg und wieder bei seiner Sippschaft. Sie hütete sich aber wohl, zu erzählen, wie sie es verdient hatte.
„Dass dich das Mäuslein biss‘! fluchte der König, als er das sah; jetzt will ich doch selber wissen, ob ich nicht einen Hasen bekommen kann! Und er verkleidete sich auch und ging auch zum Soldaten, der ihn alsbald erkannte. ‚Sind dir die Hasen feil?‘ frug der König. ‚Ja,‘ sprach der Soldat, ‚aber ich verkaufe sie nicht, ihr müßt sie verdienen.‘ ‚Gut, aber wie?‘ frug der König. ‚Wenn ihr dreimal den Gaul dort am Schwanz küßt und dazwischen jedesmal in die Faust trompetet, dann schenk ich euch einen Hasen.‘ Der König zog einen schiefen Mund, aber der Soldat sah nicht aus, wie einer, der leicht seinen Willen ändert, und somit ging der König an sein schweres Werk, und als er es vollendet, bekam er seinen Hasen, den er wohl und sicher bei den Ohren faßte und triumphirend nach Hause trug. Als er ihn aber gerade der Prinzessin zeigen wollte, scholl des Soldaten Pfeifchen und fort war der Has, und der König meinte vor Ärger in die Luft zu fliegen, als der Soldat Abends wieder mit seiner Armee einrückte. Er ließ darum den General holen und die beiden sannen ein neues schweres Stück für den Soldaten aus.
Als dieser am dritten Tage seine Armee auf die Weide führen wollte, ließ ihn der König rufen, zeigte ihm einen Sack, der war hundert Ellen lang und hundert Ellen breit und gab ihm auf, den voll Wahrheiten zu machen, wenn er das nicht könne, dann werde ihm der Kopf abgeschlagen. ‚Das will ich gerne und das ist leicht,‘ sprach der Soldat, und fuhr dann also fort: ‚Ich habe hundert Hasen bekommen, die sollt ich hüten, dass nicht einer davon spränge. Ist das nicht wahr?‘ – ‚Das ist wahr,‘ sprach der König. ‚Marsch in den Sack ihr Hasen!‘ rief der Soldat und hups, hups sprangen die Häslein in den Sack, und der Soldat fuhr fort: ‚Als ich mit ihnen auf der Weide war, kam ein Jäger und wollte mir einen Hasen abkaufen; das wollt ich nicht und sprach, er solle sich ihn verdienen, und da hat er sich ihn mit fünfzig derben Prügeln verdient; ist das nicht wahr, Herr General?‘ – ‚Das ist gelogen!‘ schrie der General, aber der Soldat sprach: ‚Knüpft ihm nur das Wams los, ihr könnt sie noch alle fünfzig zählen, denn sie hatten ihr volles Gewicht und keiner war zu leicht.‘ Da befahl der König, dass der General seinen Rücken zeige, und als Jedermann die Striemen darauf sah, da mußte der General zu den Häslein in’s Quartier. Der Soldat aber erzählte weiter: Dann kam ein Jüngferlein zu mir, eine Köchin, die wollte mich mit Schmeicheleien fangen und mit gutem Essen und Trinken locken, aber ich ließ mich nicht hinter’s Licht führen und sie mußte auch ihr Häslein verdienen und zwar mit fünfzig Prügeln. Das war die Kammerjungfer der Prinzessin, ist das wahr, oder nicht? – ‚Ist das wahr?‘ frug der König, aber die Kammerjungfer war nicht zu finden. ‚Nun wo ist sie denn?‘ frug der König. Da rief sie aus dem Sack heraus: ‚Ich bin schon hier, es ist wahr, es ist Alles wahr.‘ Nun weiter sprach der Soldat: ‚Darauf kam eine Wildprethändlerin, die bot mir Hirsche und Rehe an, aber sie sollte auch ihr Häslein verdienen.‘ – ‚Es ist wahr, es ist wahr!‘ rief die Prinzessin, welche rot war bis hinter die Ohren, und der Soldat hielt den Sack auf und husch war sie hinein. ‚Jetzt weiter,‘ sprach der Soldat, und der König rückte unruhig hin und her auf seinem Thron, als ob’s ihm nicht recht behaglich darauf wär, grad als säß er auf Nadeln, Disteln und Dornen. Daran kehrte sich der Soldat aber nicht, sondern fuhr fort: ‚Zuletzt kam einer, der sich auch sein Häslein verdienen wollte, aber der hat’s kurios verdienen müssen. Ich hab ihm aufgegeben‘ – – ‚Still, still, still!‘ rief der König. ‚Der Sack ist ja ganz voll und kein Platz mehr darin. Morgen hältst du Hochzeit.‘
Da öffnete der Soldat den Sack und ließ alle Wahrheiten wieder heraus und am folgenden Tage hielt er Hochzeit und hatte genug zu leben, und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch.

Aus: Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Hausmärchen
(1851)
Rechtschreibung und Grammatik leicht korrigiert.

Des Gockels Hochzeit

Johann Wilhelm Wolf
Des Gockels Hochzeit

Als der Weltschluss geschlossen war und alle Tiere geschaffen waren, da paarten sie sich und der Gockel hielt Hochzeit mit dem Hinkel. Er hatte aber viel Gäste dazu geladen, alle Hinkel von fern und nahe. Als das Gastmahl vorüber war, führten die jungen Eheleute ihre Gäste in ihre Gärten und Wälder und der Gockel sprach stolz: „Das Alles gehört mein.“ Gretchen das Hinkel aber sagte: „Wir sind junge Anfänger und der Winter droht hart zu werden, darum könntet ihr alle uns helfen Eicheln lesen, damit wir einen kleinen Vorrat bekommen.“ Als sie nun so dahingingen und sammelten, kam plötzlich aus der Ferne der Fuchs geschlichen und alle Hinkel wurden ängstlich und drängten sich um den Gockel. Der sprach: „Gretchen geh du nach Hause und sorge fürs Abendessen, ihr andern seid unbesorgt.“ Da ging Gretchen, aber kaum war sie aus dem Walde, als ein Stoßvogel niederschoss, die arme junge Frau packte und mit sich wegtrug, ohne dass eins von den andern etwas davon ahnte. Unterdessen kam der Fuchs den andern immer näher und die Hinkel schlichen sich weg, eins hierhin eins dortin bis zuletzt der Gockel ganz allein stand, dem erlaubte es nämlich sein Stolz nicht, so feig durchzugehen. Als der Fuchs ihm ganz nahe war, schnappte er nach dem guten Gockel, fasste ihn an den Flügeln und lief mit ihm vor seine Höhle. Da rief der Gockel: „Wie kannst du dich unterstehen, einen ehrlichen Mann so gewaltsam von seinem Eigentum wegzuschleppen und was willst du von mir?“ „Ich will dich fressen“, sprach der Fuchs, „darum mach dich zum Tod bereit, aber kurz, denn ich habe Hunger.“ „Mich fressen und ohne dass du zuvor betest?“ fragte der Hahn. „Da sind wir doch frommer wie ihr; sieh nur wie die Hinkel gackern, wenn sie ein Körnchen Essen finden und wie sie die Köpfe so fromm heben, wenn sie trinken.“ „Wie soll ich denn beten?“ fragte der Fuchs. Da breitete der Gockel die Flügel auseinander, stellte die Beine dicht beisammen, bückte den Kopf und drückte die Augen zu; „so macht man das“ sprach er. „Lehre es mich, dann lasse ich dich noch so lange leben“ sagte der Fuchs und der Gockel rückte des Fuchses Beine zusammen, drückte seinen Schwanz gegen die Erde, den Kopf nieder, bis die Schnauze den Boden berührte und sagte: „Jetzt sprich mir nach A B C und“, da flog der Gockel auf einen Baum und rief „- D, jetzt bin ich in der Höh.“ Der Fuchs merkte jetzt, dass er geprellt war und wenn auch alle Tiere beten, bevor sie essen, der Fuchs tut’s nicht. Der gute Gockel fand sein Gretchen natürlich nicht als er nach Hause kam. Er glaubte sie habe sich verirrt und das glaubt er noch, darum ruft er jeden Morgen allen Vögeln bei Tagesanbruch schon zu: „Grüß mir die Gret!“

Aus: Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Hausmärchen
(1851)
Rechtschreibung und Grammatik leicht korrigiert.

Das Unglaubliche

Johann Wilhelm Wolf
Das Unglaubliche

Es war ein Edelmann, der fuhr nicht anders, als mit vier Pferden aus und tat dabei so stolz, als ob er der König oder gar der Kaiser von Deutschland wär. Das ärgerte einen Bauern, welcher neben dem Edelhof wohnte und sechs Pferde hatte. Als der Edelmann es ihm zu bunt machte, spannte er seine Sechs an seinen großen Heuwagen und fuhr stets hinter dem Edelmann drein, zwei Knechte vorn, er in der Mitte und vier Knechte hinter ihm. Das erste Mal tat der Edelmann, als bemerke er das nicht, das zweite Mal warf er dem Bauern nur einen giftigen Blick zu, das dritte Mal rief er, wenn das noch einmal geschehe, dann… Was er weiter sagte konnte kein Mensch verstehen, denn sobald der Edelmann anfing zu sprechen, gab der Bauer den Knechten ein Zeichen und sie knallten mit ihren Peitschen, als ob das wilde Heer heranführe. Am folgenden Morgen verklagte der Edelmann ihn beim Richter. Der setzte seine Brille auf und schlug alle seine Bücher auf, aber ein solcher Fall stand nicht darin. Endlich entschied er also: „Wer von euch Beiden eine Lüge erfindet, die so groß ist, dass der Andre sie nicht glauben kann, der darf mit allen seinen Pferden ausfahren, der Andre muss zu Hause bleiben.“ Da rieb sich der Edelmann die Hände und dachte, jetzt sei der Bauer verloren, denn der sei keinesfalls so pfiffig wie er. Er zog ein Restchen Brod aus seiner Jagdtasche, hub an zu lügen und sprach: „Gestern haben meine Tagelöhner bis neun Uhr Abends Korn gedroschen, das habe ich säen lassen; es war um elf Uhr reif, um zwei Uhr gemahlen und hier ist das Brod davon.“ „Das glaube ich gern“, sprach der Bauer. „Ich habe gestern Abend Eicheln gelesen und gesäet, die hatten heute Morgen schon gekeimt; da habe ich mir aus ihrem Holz eine Leiter gemacht, die legte ich an den Himmel an und stieg hinauf. Der Erste, dem ich da begegnete, denkt Herr Edelmann, das war euer Großvater, der saß als Sauhirt hinter der Türe.“ „Das ist gelogen“ schrie der Edelmann zornig; der Richter aber sprach: „Und darum sollt ihr mit euren Pferden daheim bleiben, der Bauer aber darf mit Sechsen ausfahren.“

Aus: Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Hausmärchen
(1851)
Rechtschreibung und Grammatik leicht korrigiert.