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Die Füchse, der Wolf und der Bär

Die Füchse sprachen einmal: „Es ist am besten, wir halten alle zusammen, so können wir uns leicht Nahrung verschaffen!“ Sie gingen nun aus, fielen über eine Kuh und töteten sie. Aber sie wußten nun nicht recht, wie sie dieselbe teilen sollten, daß keiner mehr, keiner weniger bekäme. Sie gingen zum Wolf und baten ihn, er solle ihr Teilherr sein. Der tat das gerne, gab jedem ein kleines Stück, hieß sie dann nach Hause gehen und den folgenden Tag wiederkommen; er aber fraß den Rest ganz auf. Als sie am andern Morgen kamen, sprach der Wolf, seine Frau sei krank, er könne ihnen nicht nachgehen, sie sollten ein andermal kommen. Als sie am dritten Morgen erschienen, war er zornig und sprach: „Meint ihr denn, ich hätte nichts Wichtigeres zu tun, als euch Teilherr zu sein; packt euch und kommt mir nicht wieder, sonst will ich anders anfangen“ !
Nun liefen die Füchse zum Bären und klagten über den Wolf. Der Bär wurde sehr aufgebracht über den Wolf und sprach:
„Kommet mit, ich will ihn lehren!“ Als sie vor dessen Burg kamen, rief ihn der Bär heraus und setzte ihn zur Rede. Da sprach der Wolf: „Herr König, wie könnt Ihr so gemeinem Volk glauben? Ich habe Klage zu führen; seht, sie kamen über mein Haus und wollten mich bestehlen!“ – „Ja, ist die Sache so?“ rief der Bär verwundert, „sie haben mich übel berichtet; gleich sollen sie es büßen“ und wollte den ersten besten packen; aber die Füchse warteten nicht, sondern nahmen nach allen Seiten Reißaus. Seit der Zeit suchen sie nicht leicht beim Wolf oder Bären ihr Recht, sondern sie tragen ihre Streitigkeiten selbst untereinander aus, wenn auch mancher von ihnen dabei oft zu kurz kommt.

Die Geschenke der Schönen

Einem Manne war die Frau gestorben und hatte ihm ein Töchterchen hinterlassen. In der Nachbarschaft lebte aber eine Witwe, die hatte auch eine kleine Tochter, die spielte immer mit jenem Mädchen. Da sagte die Witwe eines Tages zu dem Töchterchen des Mannes: „Sage deinem Vater, er solle mich zur Frau nehmen, dann will ich dir eine gute Mutter sein;
ich will dir jeden Morgen ,Biegelchen‘ zum Frühstück geben.“ Das kleine Mädchen bat nun seinen Vater so lange, bis er die Nachbarin nahm; die aber hielt ihr Wort nur einige Morgen ; sie gab dem kleinen Mädchen zwar auch forthin „Biegelchen“, aber „birkene“ zum Frühstück, d. h. sie schlug es mit Birkenruten, wenn es nicht mit einem Stückchen verschimmelten Brotes oder kalten „Palukes“ vorlieb nahm. Ihrer Tochter aber gab sie immer frische „Eierbiegelchen“. Da weinte das arme Mädchen, und wenn es seinem Vater klagte, so ging es ihm noch schlimmer; die Stiefmutter schlug es dann um so mehr, wenn sein Vater fortgegangen war.
Bald aber wollte die Stiefmutter das Mädchen ganz und gar verderben, weil es ihr zuviel aß und zuviel brauchte. Darum schickte sie dasselbe eines Morgens zu dem See, in dem die Schönen badeten. Kein Menschenkind durfte nahe kommen; wagte es ja einmal ein Vorwitziger und wollte die Schönen sehen, so zogen sie ihn in die Tiefe, und er kam nicht wieder. Das arme Mädchen ging aber ohne Furcht hin, und die Wasserjungfern taten ihm nichts; denn sie sahen, daß es ein Leid drücke. Sie fragten es vielmehr mitleidig: wer es wäre und was es so traurig mache.
Das Mädchen erzählte alles treuherzig, wie es die böse Stiefmutter quäle. Da erbarmten sich die Schönen, und als das „Armchen“ sich Wasser geschöpft hatte und fortgehen wollte, zogen sie ihm ein schönes neues Kleid an, und jede gab ihm noch einen Heilsegen mit auf den Weg: „Wo du gehst, sollen Blumen sprießen“, sagte die erste: „Wenn du sprichst, soll es angenehm duften“ die zweite: „Wenn du dich wäschest, soll ein Goldstück in der Schüssel sein!“ die dritte. Als das Mädchen heimkehrte, so machte die Stiermutter große Augen, und es war ihr nicht recht; als sie aber von den Geschenken hörte und sich auch bald überzeugte, daß alles Wahrheit sei, wurde sie ganz grün vor Neid und dachte: „Deine Tochter verdient noch viel mehr!“ Am andern Morgen kleidete sie dieselbe schön an und schickte sie auch nach Wasser zum See. Die Schönen kamen hinzu und fragten zornig, wer sie wäre und was sie suche. Jetzt tat sie ganz vornehm und stolz, log und sagte, sie sei eine Edeljungfer und sie wolle noch schönere Geschenke, als sie dem Bettelmädchen gegeben hätten. Da trübte sich auf einmal das Wasser, und die Schönen spritzten mit Kot auf das Mädchen, also daß es auf einmal ganz besudelt war und triefend heimlief. Jede gab ihm noch einen Fluchsegen mit: „Wo du gehst, sollen Dornen wachsen!“ sprach die erste; „Wenn du sprichst, soll es stinken!“ die zweite; „Wenn du dich wäschest, soll eine garstige Kröte in der Schüssel sein!“ die dritte.
Als sie zu Hause ankam und ihre Mutter sie sah in solchem Aufzuge und die Tochter heulend erzählte, wie es ihr ergangen und von dem Fluchsegen, da ließ sie all ihr Gift gegen das Stiefkind aus. Von nun an hatte das keinen guten Tag mehr;
fortjagen wollte sie es aber nicht, des Goldstückes wegen, das sie selbst jeden Morgen aus der Schüssel aufhob.
Nach einiger Zeit aber hörte der junge König von den Wundergaben des armen Mädchens und sagte: „Das und kein anders soll mein Ehegemahl werden!“ Er schickte einen prächtigen Wagen und schöne Kleider hin, um es abholen zu lassen. Die Stiefmutter aber hatte gleich einen boshaften Plan sich ausgedacht ; sie setzte sich mit ihrer häßlichen Tochter auch in den Wagen, und auf dem Wege stachen sie der Königsbraut die Augen aus und warfen sie in einen Sumpf am Wege, ohne daß es der Kutscher merkte. Dann zog die häßliche Tochter der Stiefmutter die Brautkleider an, und so gelangten sie an die Burg. Der junge König kam ihnen entgegen und hob die vermeintliche Braut aus dem Wagen und rief: „Bist du es, nach der mein Herz verlangt?“ – „Ja, ja!“ sprach sie, sonst nichts mehr. Da verbreitete sich ein entsetzlicher Gestank, also daß dem König übel wurde. Als die falsche Braut im Schloßhofe so hinging, siehe da schössen gleich zwischen den Steinen Dornen empor, also daß man mit Not fortkommen konnte. „Was ist das ?“ rief der junge König verwundert, „sind das die Gaben meiner Braut ?“ – „Das ist von der Anstrengung der Reise!“ sprach die böse Mutter, „es wird schon anders werden, nur muß die Braut eine Zeitlang allein bleiben!“ Da schloß sich die Alte mit ihrer Tochter in ein Gemach ein, und als diese am andern Morgen sich wusch, goß die Alte selbst das Wasser aus, damit niemand die garstige Kröte bemerken solle.
Unterdessen war das geblendete arme Mädchen aus dem Sumpfe herausgekrochen und war unter einen Baum am Wege gekommen, und da es ganz müde geworden, war es gleich eingeschlafen. Als es erwachte, wußte es nicht, ob es Tag oder Nacht sei, und es fing laut an zu jammern; da kamen drei ganz weiße Schwäne herangeflogen, die hörten die Klage und setzten sich auf den Baum und sprachen: „Du armes Kind, benetze deine Augenhöhlen mit dem Morgentau, der auf den Baumblättern liegt!“ Kaum war das geschehen, so hatte es frische Augen und sah noch weit besser als zuvor. Nun sah es auch, daß es schon lichter Tag war und daß die Leute ins Feld gingen. Es machte sich auf und wandelte auf der Landstraße fort und kam gegen Mittag an die Königsburg. Überall aber standen die Leute still, sahen das Mädchen an und staunten; denn auf dem ganzen Wege hinter ihr wuchsen die schönsten Blumen, und wie sie so freundlich die Leute grüßte, verbreitete sich der angenehmste Duft. Als man dem jungen König meldete, es sei eine Bettlerin draußen so und so, rief er freudig: „Das ist keine Bettlerin, daran erkenne ich meine liebe Braut; auf, machet die Tore weit und führet sie herein zu mir!“ Er eilte aber selbst hinaus ihr entgegen, herzte und küßte sie.
Die Bosheit der Stiefmutter und ihrer häßlichen Tochter kam nun an den lichten Tag. Der König ließ beide in ein Faß einschließen, das inwendig ganz mit Nadeln beschlagen war, und sie von einem Berge ins Meer hinabrollen. Dann aber feierte er eine glänzende Hochzeit, und das arme Mädchen war jetzt die liebste und glücklichste Königin.

Der Wolf als König, der Fuchs sein Minister

Der König der Waldtiere war gestorben; da sprachen diese untereinander: „Es ist am besten, wir machen den Wolf zum König; da wird er immer daheim sitzen und Recht sprechen, und wir haben indes vor ihm Ruhe.“ So geschah es auch, daß sie ihn wählten. Der Wolf freute sich über die große Ehre, die ihm angetan wurde, und damit es ihm an klugem Rat nie fehle, machte er den Fuchs zu seinem Minister. Wehe aber den armen Tieren, die vor dem Gerichtshof des neuen Königs erschienen; keines kam lebendig davon; was der König nicht selbst gewaltsam tötete, das starb durch die Hinterlist seines Ministers. So ging es z.B. dem Hasen.
Die Geschichte ist diese: Der Hase ging an einem Felsblock vorüber; da sah er eine Schlange liegen, auf die ein mächtiger Stein gerollt war. Die Schlange bat ihn, er möchte den Stein von ihr wegheben. Der Hase, mitleidig von Natur, bedachte sich nicht lange und hob den Stein fort. Kaum war die Schlange frei, so wollte sie den Hasen verschlingen. „Wie, ist das der Dank?“ rief dieser. „Ja, so geht es in diesen Zeiten“, sprach die Schlange, „Undank ist der Welt Lohn!“ – „So lasse wenigstens einen andern Recht sprechen!“ sagte der Hase. Die Schlange war das zufrieden. Da fiel dem Hasen ein Stein vom Herzen. Sie gingen nun weiter und sahen zwei Raben; diesen legten sie die Sache vor. „Er soll sterben!“ sprachen die Raben, „denn Undank ist der Welt Lohn!“ – „Was, sollen Räuber meine Richter sein?“ sprach der Hase, „noch füge ich mich nicht, gehen wir zum König.“ Die Schlange ließ auch das geschehen.
Als sie vor dem König waren und ihm die Sache vortrugen, sprach der zornig: „Der Hase hat auf keinen Fall recht, weil er der Schwächere ist; ob aber die Schlange recht hat, soll mein Minister untersuchen.“ Da kamen sie vor den Fuchs und trugen
ihm die Geschichte vor. Der schüttelte bedenklich den Kopf und sprach: „So ein verwickelter Fall ist mir noch nicht vorgekommen.“ Er ließ sich zum Stein hinführen. Da sagte er zu der Schlange: „So lege du dich an die Stelle, wo du warst, und du, Hase, wälze den Stein hin, wie er war.“ Als das geschehen, sprach der Fuchs das Urteil: „So soll es auch bleiben!“ Den Hasen packte er gleich und würgte ihn, indem er sagte: „Dich hat mein König verurteilt, du darfst der gerechten Strafe nicht entgehen.“
Ob der Wolf noch immer König ist von den Tieren im Walde und der Fuchs sein Minister, weiß ich nicht; frage seinen Herrn Vetter im gelbkrausen Mente, der wird es wissen.

Die Königstochter in der Flammenburg

Es war einmal ein armer Mann, der hatte so viele Kinder, als Löcher sind in einem Sieb, und hatte alle Leute in seinem Dorfe schon zu Gevatter gehabt; als ihm nun wieder ein Söhnlein geboren wurde, setzte er sich an die Landstraße, um den ersten besten zu Gevatter zu bitten. Da kam ein alter Mann in einem grauen Mantel die Straße, den bat er, und dieser nahm den Antrag willig an, ging mit und half den Knaben taufen. Der alte Mann aber schenkte dem Armen eine Kuh mit einem Kalb; das war an demselben Tage, an welchem der Knabe geboren, zur Welt gekommen und hatte vorn an der Stirne einen goldnen Stern und sollte dem Kleinen gehören. Als der Knabe größer war, ging er mit seinem Rind, das war nun ein großer Stier geworden, jeden Tag auf die Weide. Der Stier aber konnte sprechen, und wenn sie auf dem Berg angekommen waren, sagte er zum Knaben: „Bleibe du hier und schlafe, indes will ich mir schon meine Weide suchen!“ Sowie der Knabe schlief, rannte der Stier wie der Blitz fort und kam auf die große Himmelswiese und fraß hier goldne Sternblumen. Als die Sonne unterging, eilte er zurück und weckte den Knaben, und dann gingen sie nach Hause. Also geschah es jeden Tag, bis der Knabe zwanzig Jahre alt war. Da sprach der Stier eines Tages zu ihm:
„Jetzt sitze mir zwischen die Hörner, und ich trage dich zum König; dann verlange von ihm ein sieben Ellen langes eisernes Schwert und sage, du wollest seine Tochter erlösen.“
Bald waren sie an der Königsburg; der Knabe stieg ab und ging vor den König und sagte, warum er gekommen sei. Der gab gern das verlangte Schwert dem Hirtenknaben; aber er hatte keine große Hoffnung, seine Tochter wiederzusehen, denn schon viele kühne Jünglinge hatten es vergeblich gewagt, sie zu befreien. Es hatte sie nämlich ein zwölfhäuptiger Drache entführt, und dieser wohnte weit weg, wohin niemand gelangen konnte; denn erstens war auf dem Wege dahin ein hohes unübersteigliches Gebirge, zweitens ein weites und stürmisches Meer und drittens wohnte der Drache in einer Flammenburg. Wenn es nun auch jemandem gelungen wäre, über das Gebirg und das Meer zu kommen, so hätte er doch durch die mächtigen Flammen nicht hindurchdringen können, und wäre er glücklich durchgedrungen, so hätte ihn der Drache umgebracht.
Als der Knabe das Schwert hatte, setzte er sich dem Stier zwischen die Homer, und im Nu waren sie vor dem großen Gebirgswall. „Da können wir wieder umkehren“, sagte er zum Stier, denn er hielt es für unmöglich, hinüber zu kommen. Der Stier aber sprach: „Warte nur einen Augenblick!“ und setzte den Knaben zu Boden. Kaum war das geschehen, so nahm er einen Anlauf und schob mit seinen gewaltigen Hörnern das ganze Gebirge auf die Seite, also, daß sie weiterziehen konnten.
Nun setzte der Stier den Knaben sich wieder zwischen die Hörner, und bald waren sie am Meere angelangt. „Jetzt können wir umkehren!“ sprach der Knabe, „denn da kann niemand hinüber!“ – „Warte nur einen Augenblick!“ sprach der Stier, „und halte dich an meinen Hörnern.“ Da neigte er den Kopf zum Wasser und soff und soff das ganze Meer auf, also daß sie trocknen Fußes wie auf einer Wiese weiterzogen. Nun waren sie bald an der Flammenburg. Aber da kam ihnen schon von weitem solche Glut entgegen, daß der Knabe es nicht mehr aushalten konnte. „Halte ein!“ rief er dem Stiere zu, „nicht weiter, sonst müssen wir verbrennen.“ Der Stier aber lief ganz nahe und goß auf einmal das Meer, das er getrunken hatte, in die Flammen, also daß sie gleich verlöschten und einen mächtigen Qualm erregten, von dem der ganze Himmel mit Wolken bedeckt wurde. Aber nun stürzte aus dem fürchterlichen Dampfe der zwölfhäuptige Drache voll Wut hervor. „Nun ist es an dir!“ sprach der Stier zum Knaben, „siehe zu, daß du auf einmal dem Ungeheuer alle Häupter abschlägst!“ Der nahm alle seine Kraft zusammen, faßte in beide Hände das gewaltige Schwert und versetzte dem Ungeheuer einen so geschwinden Schlag, daß alle Häupter herunterflogen. Aber nun schlug und ringelte sich das Tier auf der Erde, daß sie erzitterte. Der Stier aber nahm den Drachenrumpf auf seine Homer und schleuderte ihn nach den Wolken, also, daß keine Spur mehr von ihm zu sehen war. Dann sprach er zum Knaben: „Mein Dienst ist nun zu Ende. Gehe jetzt ins Schloß, da findest du die Königstochter und führe sie heim zu ihrem Vater!“ Damit rannte er fort auf die Himmelswiese, und der Knabe sah ihn nicht wieder. Der Junge aber fand die Königstochter drinnen, und sie freute sich sehr, daß sie von dem garstigen Drachen erlöst war. Sie fuhren nun zu ihrem Vater, hielten Hochzeit, und es war große Freude im ganzen Königreiche.

Der Wolf und der Fuchs beim Kürschner in der Beize

Fuchs: Nicht wahr, Gevatter, es liegt sich hier so sanft, so ruhig; wir müssen im Paradiese sein! Aber saget mir, wie kommt Ihr denn her?
Wolf: Weiß der blaue Teufel! Ich hatte meinen Hunger, lief damit in die Schafherde, packte mir ein schönes, junges Lämmchen und eilte fort. Da fielen die Hunde über mich her; doch erwehrte ich mich ihrer, biß zwei zusammen und kam glücklich in den Wald. Jetzt glaubte ich an keine Gefahr mehr; siehe, da blies nur einmal einer in ein Rohr, daß es rauchte; sogleich kitzelte es mich auch in dem Kopfe, ich bekam Schwindel, verlor das Bewusstsein , und von der Zeit an bis jetzt weiß ich nicht mehr, was mit mir geschehen. Aber wie kommt Ihr denn her ? Lasset hören!
Fuchs: Weiß Gott, durch die Falschheit und Undankbarkeit eines Bauern. Es waren auf einem Hofe zwölf schöne Hühner;
neun hatte ich mir davon geholt. Der böse Bauer hatte umsonst seine Hunde auf die Wache gestellt und mir Fußeisen gelegt;
er bekam mich nicht. Ich wollte mir jetzt nur noch das zehnte Huhn holen; zwei wollte ich bei Gott dem Bauern lassen, den Hahn und eine Henne, daß er Nachzucht hätte. Aber siehe da, der Boshafte und Undankbare; er hatte sich selbst – o der Bauer ist des Teufels! -, denket Euch nur, in den Hühnerstall auf die Lauer gestellt und die Hunde und Fallen entfernt. Ich Törichter gehe bis zum Stalle behutsam fort und spüre und lausche hin und her und sehe keinen Hund, keine Falle. Als ich glücklich bis an die Öffnung zum Hühnerstall gekommen, war ich weiter sorglos und springe blind hinein und – dem Kukelure (Paßauf) gerade in die Arme. Nur einmal fühlte ich meine Kehle beengt wie bei einer bösen Halsentzündung und verlor sogleich die Besinnung. Was weiter bis jetzt mit mir geschehen, weiß ich nicht.
Wolf: Euch ist nur recht geschehen; Ihr leidet für Eure Sünden; aber was hatte ich denn jenem Manne im Walde getan?
Fuchs: Schweiget, Ihr Vielfraß, Nimmersatt; Euch ist recht geschehen; Ihr seid ja der große Mörder, Dieb! – aber ich Unschuldiger! –

Der Streit wäre jetzt arg geworden und bald hätten sie sich derb die Wahrheit gesagt und einander zerzaust. Da trat der Kürschner zum Glück ein – und beide verstummten.

Die Mär von den fünf Zehen

Weißt du, warum diese Zehe (die dicke) hier so fett ist und die andern so mager aussehen? Ich will dir die Geschichte erzählen: Diese (die kleine Zehe) ist einmal in den Wald gegangen, diese (die nächste an der kleinen) hat einen Hasen gefangen, diese (die dritte von der kleinen) hat ihn nach Hause gebracht, diese (die vierte von der kleinen) hat ihn gebraten, und dieser dicke garstige Buta (die große Zehe) hat ihn ganz und allein gegessen. War das schön? Gewiß nicht. Darum können ihn die anderen bis auf den heutigen Tag nicht recht leiden.

Der Wolf und die Geiß mit ihren zehn Zicklein

Der Hunger nagte bald wieder in den Eingeweiden des Wolfes, die Wurzeln verfluchte er, denn die hatten ihm nur allen Geschmack am Guten und Schönen verdorben, und er hatte einen Eid getan, keine in seinem Leben mehr zu berühren und sollte er des entsetzlichsten Hungertodes sterben. Das Abenteuer mit der Sau war ihm im frischen Gedächtnis, und er ward fast toll vor Ärgernis. „Die prächtigen Ferkel, ha! und die boshafte Treulosigkeit ihrer Mutter; soll man da nicht den Glauben an die Ehrlichkeit in der Welt verlieren ?“
Unter solchen Gedanken hatte er sich wieder dem Dorfe genähert, und wunderbar, es sah in den Gassen so aus, als wäre alles tot. Er fing an, mit der Vorsehung sich auszusöhnen. „Das scheint sich jetzt doch einmal gut zu machen“, sprach er bei sich. Die Leute im Dorf hielten nämlich gerade Richttag, tanzten in den Häusern und waren lustig, und die Hunde trieben sich, wie es bei derlei Gelegenheiten geschieht, auch immer in der Küche herum. Da sah der Wolf am Ende des Dorfes die alte Geiß mit ihren zehn Zicklein, die waren wie immer fröhlich und sprangen sorglos um den Backofen herum. „Die hast du jetzt sicher!“ dachte er und war schnell an ihnen. „Ha!“ rief er, „da habe ich Euch einmal; Ihr seid es, die das Laub und die Blüten in meinem Baumgarten gefressen habt, folgt mir nur gleich als meine Gefangenen !“ – „Aber lieber Wolf“, sprach die Geiß flehend, „wie könnt Ihr uns so arg beschuldigen, wir haben uns ja nicht von dieser Stelle gerührt!“ – „Ach was!“ sprach der Wolf, „das ist nun einmal so, das lasse ich mir nicht nehmen; nur kein langes Gerede mehr!“ Als die Geiß sah, daß mit Vorstellungen wider Unrecht hier nichts anzufangen sei, sprach sie: „Lieber Wolf, ich weiß, Ihr könnt so gut singen, Ihr seid ja der beste Kantor, singt uns doch einmal vor, wir singen für unser Leben gern. Wenn wir dann gesungen haben, mögt Ihr uns führen, wohin Ihr wollt!“ Der Wolf war stolz darauf, daß man ihn für einen guten Sänger hielt, daher konnte er die Bitte nicht abschlagen. „Es sei!“ sprach er. Da schickte die alte Geiß ihre zehn Zicklein in den Backofen, sie selbst sprang auf den Backofen und bat den Wolf, er möge auf das Backbrett steigen, das sei der Ehrenplatz für ihn. Als sie aufgestellt waren, schlug der Wolf den Takt und fing an sein Lied, das er auf der Hochzeit gesungen: „Ullulluh! Jujujuhl“ Die Geiß und die Zicklein machten ihr „Meck, meck!“ Als die Leute auf dem Richttag den wilden Gesang hörten, sahen sie zum Fenster hinaus und erblickten den Wolf; alles lief hinaus, Männer und Frauen, mit Holzscheiten, Ofengabeln, Besen, was jeder zuerst in die Hand bekam und – hallo! auf den Wolf los; auch die Hunde aus der Küche waren nun flink. Als der Wolf sie kommen sah, sprang er eilig von seinem Kantorstuhl hinab und nahm die Flucht. Das war eine Hetze! Man verfolgte ihn weit ins Feld; dann kehrten die Menschen zurück; die Hunde bellten ihm noch eine Weile nach, dann eilten auch sie abermals zum fröhlichen Feste. Der Geiß aber und den kleinen Zicklein zitterte noch der Bart von der Furcht, die sie ausgestanden. Da gab man ihnen einige Hoffmannstropfen ein, und bald waren sie wieder lustig und hüpften und sprangen herum wie ehedem.

Die tauben Hirten

Ein tauber Geißhirt kam zu einem tauben Schafshirten und fragte ihn: „Bruder, hast du nicht meine Geiß[en] gesehen?“ — „Das Dorf liegt dort hinter dem Berg, gehe nur geradeaus, so kommst du hin!“ sprach der Schafshirt. Der Geißhirt lief und fand auf der andern Seite des Berges seine Geiß[en]. Er wollte sich aber dankbar beweisen und nahm sogleich eine „tschuttige“ Geiß, die er hatte, denn er dachte, als Geschenk ist die schon gut genug, und lief zurück zum Schafshirten. „Siehe, diese schenke ich dir“, rief er voller Atem, „weil du mir den rechten Weg gezeigt hattest; denn einen halben Tag schon hatte ich die Herde umsonst gesucht.“ — „Was?“ rief der Schafshirt zornig, „ich habe ihr die Hörner nicht abgehauen !“ und wollte eiligst fort; der Geißhirt aber ging hinter ihm her und rief: „So nimm doch mein Geschenk! so nimm doch mein Geschenk!“ Da trafen sie auf einen tauben Roßhirten, der eben auf einem gestohlenen Pferde fortritt. Der Schafshirt ging gleich auf ihn zu, faßte die Halfter des Pferdes und sprach: „Siehe, dieser meint, ich hätte seiner Geiß die Hörner abgehauen!“ — „Er will mein Geschenk nicht nehmen“, schrie der Geißhirt, „und wenn er’s nicht tut, so habe ich kein Glück!“ — „Ich habe sie wahrlich nicht gesehen, eure Pferde!“ sprach der Roßhirt und wollte fortreiten, aber der Schafshirt ließ ihn nicht aus: „Nein, sage du zuvor, bin ich schuldig oder nicht.“
„Gut, wenn dies Pferd euer ist, so nehmt es; aber den Sattel lasse ich euch nicht, der ist mein!“ sagte der Roßhirt. Damit sprang er ab, nahm schnell den Sattel und rannte weg. Der Schafshirt ließ das Pferd aus; das wieherte einmal und lief dann zurück zur Herde. Der Schafshirt aber eilte hinter dem Roßhirten her und rief: „So sag‘ mir’s doch! so sag‘ mir’s doch! und hinter ihm keuchte der Geißhirt mit der Geiß im Arm: „Nimm doch die Geiß, wenn sie auch ,tschuttig‘ ist; es ist eine gute Geiß!“ Also liefen die drei hintereinander in einem fort bis ins Dorf. Die Leute hörten den Lärm und kamen heraus auf die Gasse, und weil sie nicht wußten, was es gebe, dachten sie, es seien Räuber, faßten alle drei ab und führten sie vor den Hannen. Da fragte sie dieser ganz zornig: „Was habt ihr das ganze Dorf so in Schrecken gesetzt ? Was gibt es ?“ Nun glaubte jeder von den dreien, der Richter wisse schon alles; es sei am besten, ehrlich zu gestehen.
„Herr“, sprach der Geißhirt, „ich will alles sagen, wie es ist. Ich habe in meinem Leben mehr als hundert Geiß[en] gestohlen und dieser einmal im Zorne die Hörner abgehauen. Nun wollte ich sie diesem Manne geben, weil er mich zu meiner Herde gewiesen hatte; allein er wollte sie nicht nehmen; ich lief ihm nach, er solle sie doch nehmen, daß ich Glück hätte!“ Der Schafshirt sprach: „Ich habe mehr als tausend Schafe in meinem Leben gestohlen; aber dieser Geiß habe ich die Hörner nicht abgehauen, das ist eine Lüge; dieser Mann sollte mich freisprechen; ich hielt ihm deshalb sein Pferd an; allein er wollte nicht, sprang ab, nahm seinen Sattel und lief fort, und so mußte ich ihm nach, denn ich konnte den falschen Verdacht nicht auf mir lassen!“
Der Roßhirt sprach: „Ich kann die Zahl der Pferde nicht angeben, die ich in meinem Leben gestohlen habe; allein in diesem Falle bin ich unschuldig. Als der Mann da sagte, das Pferd gehöre ihm, so ließ ich es aus und nahm nur meinen Sattel!“ Der Hann und die versammelten Ältesten schlugen die Hände zusammen über die wunderbare Fügung Gottes, wodurch so viele Verbrechen auf einmal ans Tageslicht kamen. Die drei ergrauten Diebe wurden gleich ins Gefängnis geworfen und bald darauf zum Galgen geführt und gehenkt, wie sie es verdient hatten.

Der Wolf und die zwei Bauern

Der Wolf mußte mit Schaden und Schande von der Wohnung des Fuchses abziehen, aber heimkehren wollte er nicht eher, als bis ihm sein Schmuck, der Zagel, gewachsen wäre. Nun ging er allein auf Abenteuer aus, sobald ihn sein unbändiger Hunger dazu trieb; das war aber nicht sehr lange, denn von dem Hochzeitsschmause war ja fast nichts in seinem Bauche geblieben. „Das ist wahr“, sprach er bei sich, „der schlimme Fuchs hat dir manchen guten Bissen verschafft, doch was, ich werde mir schon auch ohne ihn helfen, habe ich doch die Schliche und Mittelchen ihm abgelernt!“
Da sah er zwei Bauern auf einem Wagen, die rührten Säcke in die Mühle. „Ha!“ dachte er, „das sind Fische, du willst es jetzt gleich so machen wie der Fuchs!“ Er lief auf einem Seitenweg dem Wagen voran und legte sich wie tot an die Landstraße. Als der Wagen heranfuhr, sahen die Bauern den Wolf, und sie schnallten sofort ihre Hosenriemen fester und sprangen vom Wagen ab. Einer aber war gerade derjenige, der vom Fuchs geprellt worden, der winkte dem andern mit den Augen und dem Kopf und zeigte mit den Armen, er solle die Axt nehmen; er selbst nahm sich eine Wagenleiste. Sie traten leise hinzu: als sie nahe waren, führten sie zuerst einige gelinde Schläge. „Denn ist er tot“, dachten sie, „können wir den Pelz unversehrt haben.“ Der Wolf ließ anfangs nichts merken und meinte. „Die wollen gewiß nur versuchen, ob du wirklich tot bist!“ Als aber der eine sah, wie der Wolf mit den Augen zwink[er]te und Atem von sich ließ, erhob er die Axt und versetzte ihm einen Schlag auf das Haupt, daß gleich das Blut hervorströmte; jetzt fühlte der Wolf, das sei kein Spaß, sprang heulend auf und rannte wie besessen davon.

Goldhaar

Es war einmal ein armer, armer Mann, der hatte einen Knaben und wußte nicht, wie er ihn länger erhalten sollte; er führte ihn eines Tages in einen dichten Wald, und als er mit dem Jungen das letzte Stückchen Brot gegessen hatte, schlief dieser ein. Da stand der Vater auf und ging nach Hause, denn er dachte, wenn der Kleine erwacht, wird er sich verirren und nicht nach Hause finden; und so geschah es auch. Als der Knabe die Augen aufschlug und sah, daß sein Vater fort war, machte er sich auf und wollte nach Hause, aber er geriet nur immer tiefer in den Wald, und es wurde schon Abend; er ging und lief voll Angst hin und her; endlich sah er ein kleines Häuschen; hier wollte er Nachtherberge nehmen. Als er eintrat, saß an dem Tisch ein alter blinder Mann und aß Hühnersuppe. Der Knabe war so hungrig, daß er zum Tisch ging, einen Löffel nahm und mit aß. Der blinde Mann aber merkte es und fragte: „Wer ißt von meiner Hühnersuppe?“ – „Ich bin’s, lieber Großvater“, rief der Knabe, „denn ich habe gar großen Hunger!“ Da freute sich der Alte und sprach: „Ich habe lange auf dich gewartet, du sollst es gut haben bei mir!“

Nach dem Essen machte er ihm ein weiches Bettchen, und der Knabe schlief so gut, als wäre er im Himmel. Am folgenden Morgen, als er aufgestanden war, sagte der Alte: „Nun sollst du meine Geiß [en] hüten!“ Dazu war der Knabe willig und bereit, und als er abends nach Hause kam, aß er mit dem blinden Großvater wieder Hühnersuppe, und die schmeckte sehr gut. Nun hütete er zwölf Jahre lang, einen Tag wie den andern, die Geiß[en], und der Alte war mit dem Jungen wohl zufrieden. Da gab er ihm eines Tages ein Schwert und sprach: „Damit kannst du alles erhauen!“
Als er die Geiß[en] wieder auf die Weide trieb und sehr weit ziehen mußte, denn sie hatten ringsherum alles abgefressen, kam er in einen Wald, wo die Bäume und Blätter von blinkendem Kupfer waren. Indem er darüber staunte, fuhr der Kupferdrachen herbei und rief: „Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen Geiß[en] meinen Wald verätzen?“ und wollte ihn gleich verschlingen; aber der Knabe nahm sein Schwert und hieb dem Drachen alle Häupter herunter. Darauf ging er in das Schloß, und da war alles von Kupfer, aber nichts Lebendes zu sehen und zu hören; an der Wand hing ein kupferner Zaum, den nahm er mit sich. Abends trieb er die Geiß[en] heim, und sie gaben viel mehr Milch als vorher. Er erzählte darauf dem Alten, wie er den Drachen erschlagen und sich einen kupfernen Zaum aus dessen Schlosse gebracht habe. „Und das ist das Beste aus dem Schlosse“, sprach der Alte, „denn wenn du den Zaum schüttelst, so erscheint gleich ein Heer Soldaten in kupferner Rüstung, so groß, als du es wünschest!“ Am andern Tag trieb er seine Geiß[en] noch weiter, und er kam in einen Wald, da waren die Bäume und Blätter aus blankem Silber, und das glänzte und glitzerte sehr. Indem er dastand und sich verwunderte, kam der Silberdrache herbei und rief:
„Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen Geiß[en] meinen Wald verätzen?“ und wollte ihn sogleich verschlingen; aber der Knabe schwang sein Schwert und hieb ihm alle Häupter ab. Nun ging er in das Schloß, und darin war alles von blankem Silber; aber keine lebendige Seele war drinnen; an der Wand hing ein silberner Zaum, den nahm er mit. Als er am Abend die Geiß[en] heim trieb, gaben sie dreimal so viel Milch als am vorigen Abend, und er erzählte dem Alten wieder, wie er den Silberdrachen erschlagen und sich den silbernen Zaum mitgebracht habe. „Und das ist das Beste aus dem Schlosse“, sprach der Alte, „denn wenn du den Zaum schüttelst, so erscheint gleich ein Heer Soldaten in silberner Rüstung, so groß als du es wünschest.“ Am dritten Tage trieb er die Geiß[en] noch weiter und gelangte in einen Wald, wo die Bäume und Blätter von purem Gold waren. Das war eine Herrlichkeit! Wie das glitzerte und glänzte! Indem er das alles so ansah, kam nur einmal der Golddrache und rief: „Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen Geiß[en] meinen Wald verätzen?“ und wollte ihn verschlingen; aber der Knabe schwang sein Schwert und schlug dem Drachen auf einmal alle Häupter ab. Dann ging er in das Schloß, und da war alles von purem Gold und ach so schön, so schön! aber nichts Lebendiges sah und hörte man; an der Wand hing ein goldner Zaum, den nahm er mit. Als er die Geiß[en] am Abend heimtrieb und melkte, so gaben sie neunmal so viel Milch als am vorigen Abend. Nun erzählte er dem Alten, wie er den Golddrachen getötet und den goldnen Zaum aus dem Schlosse sich mitgebracht habe. „Und das ist das Beste!“ sprach der Alte, „denn wenn du den Zaum schüttelst, so erscheint gleich ein ganzes Heer Soldaten in goldner Rüstung.“

Am folgenden Tage sprach der Alte: „Gib mir zurück das Schwert; es hat jetzt seinen Dienst getan und seine Kraft bewährt; mit den drei Zäumen kannst du jetzt ausziehen und die jüngste und schönste von den Königstöchtern dir erwerben!“ Das war dem Knaben ganz recht, und er schickte sich zur Reise. Bevor er aber abzog, führte ihn der Alte in einen dunklen Felsen; darin sprang ein Brunnen hoch auf: „Noch muß ich dein Haupt waschen!“ und benetzte seine Haare mit der springenden Flut, und als der Junge hinaus in die Sonne trat, so waren sie lauter Gold und glänzten, daß es eine Freude war. „Jetzt kannst du ziehen; aber halte dein Haupt immerfort bedeckt, daß niemand deine Haare sieht!“
Der Junge gelangte bald in die Königsstadt, versteckte seine drei Zäume unter einem Baum und fragte am Hof, ob der König keinen Diener brauche. Nun fehlte gerade ein Küchenjunge, und so wurde er als solcher in den Dienst genommen; doch machte er die Bedingung, er solle seine Mütze nie abnehmen dürfen, denn er habe einen bösen Grind. Er zeigte sich aber so geschickt, daß der Koch ihn sehr lieb gewann und zu allerlei anstellte.
Der König hatte drei wunderschöne Töchter; von diesen war aber die jüngste am allerschönsten. Da trug es sich zu, daß diese einmal erkrankte und im Bette lag. Während der König und seine ältern Töchter in der Kirche waren, schickte der Koch den Jungen mit Suppe zur kranken Königstochter. Da sah ihn diese genau an, sprach mit ihm, und es wurde ihr auf einmal so wohl, als sei sie gesund. Da nahte die Zeit, wo viele junge Grafen und Fürsten an den Hof kamen und um die Königstöchter warben; um die jüngste aber drehten sich die meisten, sie aber sah keinen mit geneigtem Blicke an. Ihre Schwestern reichten ihre Hand bald zwei Fürsten, und da drängte und beschwor sie ihr Vater, sie solle nun auch einen Fürsten nehmen, und als sie nicht mehr ausweichen konnte, sagte sie;
„Den Küchenjungen will ich nehmen, aber nie und nimmer einen andern!“
Als das der König hörte, erschrak er so sehr, daß ihm eine Zeitlang die Sprache verging; dann aber fing er in seinem Zorne so heftig an zu wüten, daß er seine Tochter in Banden schlagen und in einen Turm sperren ließ. Nicht lange darauf ward der König in einen Krieg verwickelt; die beiden Fürsten, seine Eidame, mußten ihm auch helfen und mit in den Kampf ziehen. Der Küchenjunge bat den Koch, er möge ihm erlauben, in die Nähe zu gehen, daß er sehe, wie es im Kriege sei.

Der Koch gewährte ihm’s, denn er hatte ihn sehr lieb. Nun ging der Knabe hin zu der Stelle, wo die Zäume waren, nahm den kupfernen hervor und schüttelte ihn. Da kamen eine Menge Krieger hervor, so viele als Blätter sind im Wald, und alle glänzten in kupferner Rüstung, und vor dem Jungen stand gleich ein gesatteltes Roß mit der Rüstung für ihn; die legte er schnell an, und im Hui ging es zur Schlacht. Der König und seine Schwiegersöhne waren aber geschlagen worden und wandten sich schon zur Flucht; da stellte der Junge den Kampf wieder her, und bald war der Feind gänzlich besiegt. Nun aber eilte der Junge, noch ehe der König ihm danken konnte, mit seiner Schar von dannen, kam zum Baum geritten, legte den Zaum in seine Stelle, und das ganze Heer war sogleich verschwunden.
Als der König und seine Leute heimkehrten, so erzählten sie Wunder von dem Heere, das ihnen in der höchsten Not zu Hilfe geeilt, und von dessen Führer, und es war ihnen nur leid, daß er dann sogleich verschwunden wäre. Der König mußte bald wieder in einen Krieg. Da zog der Küchenjunge abermals hin, nachdem er dem Koch gesagt hatte, er wolle aus der Ferne zusehen. Er ging aber zu der Stelle, wo die Zäume lagen und holte jetzt den silbernen hervor und schüttelte ihn. Da kamen Soldaten hervor, unzählige, der Erden schwer, und alle glänzten in silberner Rüstung, und vor dem Jungen stand ein gesatteltes Pferd mit der Rüstung für ihn; die legte er schnell an, und im Hui ging es zur Schlacht; der König war jetzt schon geschlagen und floh; da kehrte der Junge ihn und die Fliehenden um, fing den Kampf von neuem an, und der Feind wurde niedergeschmettert. Der König wollte schnell zum jungen Heldenanführer hinanreiten, um ihm zu danken; allein der war nach vollbrachter Tat mit seinen Scharen gleich fort; er ritt zu der Stelle, wo die Zäume waren, legte den silbernen hin, und sogleich war das Heer verschwunden. Als der König und seine Leute heimkehrten, erzählten sie abermals Wunder von dem stattlichen Helden und seinen Scharen in silberner Rüstung, und es war ihnen nur leid, daß sie ihm nicht nachgeeilt, um ihm zu danken und ihn kennenzulernen.
Nach einiger Zeit erhob sich abermals ein Feind, und das war der gewaltigste von allen; der König zog mit allen seinen Scharen ihm entgegen. Der Küchenjunge bat sich vom Koch wieder aus, hinzugehen, damit er sehe, wie es im Kriege sei; er kam aber zu der Stelle, wo die Zäume lagen, nahm jetzt den goldnen hervor, schüttelte ihn, und alsbald drängten sich unzählige Soldaten hervor und wimmelten wie Scharen von Heuschrecken, da wo sie sich niederlassen, und alle erglänzten in der goldnen Rüstung, und vor dem Jungen stand ein gesatteltes Roß mit der Rüstung für ihn; die legte er an und ließ jetzt auch sein goldnes Haar unter dem Hut herabwallen, und im Hui ging es zur Schlacht. Schon war der König aufs Haupt geschlagen und sein Heer zersprengt in alle Winde; da rückten die Hilfsscharen ein, griffen den Feind an und vernichteten ihn ganz und gar. Der König wollte seinem Retter danken, aber bis er sich recht umsah, war der auch schon wieder mit all seinen Scharen fort. Daheim nun ließ er ein großes Siegesfest veranstalten, weil nun alle seine Feinde besiegt lagen. Es waren aber so viele Gäste, daß die Diener nicht hinreichten, ihnen aufzuwarten; da mußte der Koch den Küchenjungen auch anstellen. Der König dachte eben an seine liebste Tochter im Turm, und sein Herz war in der Freude versöhnlich gestimmt; er ließ ihr sagen, wenn sie sich jetzt entschließe, einen Fürsten oder Grafen zum Gemahl zu nehmen, so wolle er sie wieder als sein liebes Kind aufnehmen; allein wie sehr auch die Arme im Turm Not litt, schon ein Jahr hatte sie so einsam gelebt und nur Wasser und Brot genossen, sie blieb dem treu, den sie in ihrem Herzen trug, und sprach: „Nie und nimmer einen andern als den Küchenjungen!“

Da fuhr der König in großem Zorn auf, und gerade jetzt trat der Küchenjunge mit einer Schüssel Wildbret zum König und hatte die Mütze auf. „Du Unverschämter wagst es und dazu mit unentblößtem Haupte vor meinem Angesicht zu erscheinen!“ Damit erhob er seine Hand und schlug ihm die Mütze vom Haupte, daß sie weithin in eine Ecke flog. Der Junge aber stand auf einmal da in aller Herrlichkeit, und die Goldflocken fielen ihm um das Haupt, und er glänzte wie die Sonne. Da erkannte der König gleich seinen Retter, fiel vor ihm nieder und sprach: „Verzeihung!“ Der Junge hob ihn auf, und nun wurde die jüngste Königstochter mit Jubel aus dem dunkeln Turme in den Festsaal gebracht, und das Siegesfest wurde auch zum Hochzeitsfest, und es war große Freude.
Nach der Hochzeit zog der Junge mit der schönen Königstochter in den goldnen Wald und nahm Besitz vom goldnen Schloß; den kupfernen und silbernen Wald mit dem kupfernen und silbernen Schlosse schenkte er seinen Schwägern. Den alten blinden Mann aber suchte er vergebens, der war samt dem Häuschen verschwunden, und er konnte sein Lebtag nichts mehr von ihm erfahren.