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Der Teufel ist los oder Das Märlein, wie der Teufel den Branntwein erfand

Es hatten einmal zwei Landesherren einen Grenzstreit; da waren auf jeder Seite Zeugen, die das Recht behaupteten, und darunter waren zwei, die hatten vom Teufel die Schwarzkunst erlernt und ihm dafur ihre Seelen verschrieben.

Diese beiden haben einmal ein jeder in der Nacht wollen falsche Grenzsteine setzen, so, wie jeder von ihnen die Grenze behauptete, und haben die Steine mit schwarzer Kunst wollen machen, daß sie aussähen, als ob sie schon viele, viele Jahre da gestanden hätten. Da sind sie alle zwei als feurige Männer hinauf auf die Höhe gegangen. Und wie der eine hinauf kommt, da ist der andere schon da. Aber keiner hat etwas von dem andern gewußt, daß dieser denselben Gedanken hatte.

Da fragte der eine den andern: »Was machst du da?«

»Was hast du danach zu fragen? Sage mir zuvor, was du da machen willst?«

»Grenzsteine will ich setzen und will den Grenzzug machen, wie dieser eigentlich sein muß.«

»Das habe ich selbst schon getan, und da stehen die Steine, und so geht der Grenzzug.«

»Das ist nicht richtig, und so geht der Grenzzug. Mein Herr hat gesagt, ich hätte recht, und ich solle nicht nachgeben.«

»Wer ist denn dein Herr? Das wird auch ein schöner Musjö sein!«

»Der Teufel ist mein Herr! Hast du nun Respekt?«

»Das ist nicht wahr, das ist mein Herr, und mein Herr hat mir gesagt, ich habe recht und solle nicht nachgeben. Packe dich den Augenblick, oder es geht dir schlecht!«

Und so kamen die zwei hintereinander, und zuletzt da gab der eine feurige Mann dem andern eine Maulschelle, daß ihm der Kopf herabflog und kullerte den ganzen Berg hinab. Und der feurige Mann ohne Kopf rannte hinter seinem feurigen Kopfe her und wollte ihn haschen und ihn sich wieder aufsetzen. Aber er konnte ihn nicht einholen bis ganz drunten im Graben.

Wie nun der eine dem andern die Maulschelle gegeben hatte, und jener hinter seinem Kopfe herlief, da kam auf einmal ein dritter feuriger Mann dazu und fragte den, der oben blieb: »Was hast du da gemacht?«

»Was geht es dich an, und was hast du mir zu befehlen? Den Augenblick packe dich deiner Wege, oder ich mache es dir gerade so wie jenem.«

»Halunke! Hast du nicht mehr Respekt vor mir? Weißt du nicht, daß ich dein Herr, der Teufel, bin?«

»Und wenn du zehnmal der Teufel selbst bist, so liegt mir daran gar nichts; du kannst mich meinetwegen recht schön rein machen!«

»Diesen Gefallen will ich dir tun, du sollst aber dein Lebtag daran gedenken!«

Und da fing der Teufel an und machte ihn rein, daß die Feuerputzen auf dem ganzen Bergrücken herumflogen.

Aber wie er ihn so rein machte, da ersah mein feuriger Mann den günstigen Augenblick und griff hin und erwischte den Teufel im Nacken, hielt ihn fest und sagte ihm:

»Nun bist du in meiner Gewalt; nun sollst du sehen, daß du in der Menschen Hände bist! Du hast dein Leben lang genug armen Leuten den Hals herumgedreht, nun sollst du auch selbst einmal erfahren, wie es tut, wenn einem der Hals umgedreht wird!«

Und fing an und wollte dem Teufel den Hals umdrehen. Wie der Teufel sah, daß der feurige Mann Ernst mit ihm machte, legte er sich aufs Bitten und gab ihm die himmelbesten Worte, er solle ihn doch gehen lassen und solle ihm den Hals nicht herumdrehen; er wolle ihm auch alles tun, was er nur von ihm verlangte. Da sagte ihm der: »Weil du also erbärmlich tust, so will ich dich nur gehen lassen; aber zuvor mußt du mir meine Verschreibung wiedergeben, in welcher ich dir meine Seele verschrieben habe, und mußt mir auch versprechen, ja, du mußt mir das bei deiner Großmutter beschwören, daß du kein Teil mehr an mir haben willst, auch all dein Lebetage von keinem Menschen dir wieder die Seele verschreiben lassen.«

Wollte der Teufel wohl oder übel, einmal stak er in der Klemme, und wenn er loskommen wollte und wollte nicht den Hals herumgedreht haben, so mußte er in einen sauren Apfel beißen, und gab ihm seine Verschreibung wieder und versprach’s ihm und verschwur sich bei seiner Großmutter, daß er keinen Teil mehr an ihm haben wolle und wolle auch alle sein Lebetag von keinem Menschen sich wieder lassen die Seele verschreiben. Wie er das alles getan hatte, ließ jener den Teufel los.

Wie aber der Teufel wieder ledig war, da tat er einen Sprung zurück, daß ihn jener nicht etwa unversehens noch einmal erwische, und stellte sich hin und sagte: »So, nun bin ich wieder ledig; wenn ich dir, du Schalksnarr, nun auch deine Verschreibung wiedergegeben habe und habe dir versprochen und beschworen, daß ich kein Teil mehr an dir haben wolle, so habe ich dir doch nicht versprochen, daß ich den Hals dir nicht auch umdrehen wolle, so ich wieder ledig wäre. Und auf dem Hecke da sollst du alleweil sterben, dafür, daß du mich gegurgelt hast und hast mir wollen den Hals umdrehen!«

Und damit fuhr der Teufel auf ihn hinein und wollte ihm den Garaus machen, der aber riß aus und lief zum Wald hinein. Und der Teufel immer hinter ihm her. Endlich ersah es jener und kam an eine alte Buche, die war hohl und hatte unten ein Loch. Da kroch er geschwind hinein und wollte sich verstecken vor dem Teufel. Aber er war nicht weit genug hinein gekrochen, und die Fußzehe guckte ihm noch heraus. Und weil er über und über feurig war, da leuchtete die Zehe durch die Nacht, und der Teufel wurde es gewahr, wo jener sich hin versteckt hatte, und kam und wollte ihn an der Fußzehe erwischen.

Aber der in seinem Baume hörte es, wie der Teufel getappt kam, wie er nach ihm greifen und ihn erwischen wollte; da zog er sich vollends hinein und machte sich weiter im Baume hinauf. Da kroch der Teufel auch hinein, und jener machte immer weiter im Baume hinauf und der Teufel immer hinter ihm her. Endlich da hatte der Baum oben in der Höhe ein weites Astloch, da kam jener dran und kroch heraus. Und wie er draußen war, da nahm er etwas und verkeilte das Astloch, wo er herausgekrochen war, und stieg geschwind herab und verkeilte auch das untere Loch und machte es mit schwarzer Kunst so fest, daß es der Teufel selbst und seine Großmutter und die ganze Hölle nicht wieder aufbringen konnten. Danach ging er seiner Wege.

Und da steckte nun der Teufel in der alten Buche und konnte nicht herauskommen, und es half ihm alles nichts, er mußte drin steckenbleiben. Und da hat er lange Zeit darin gesteckt, und vielmal zu jener Zeit, wenn die Leute des Wegs über jenen Berg gegangen sind, da haben sie ihn darin hören blöken und grunzen in seiner Buche. Endlich aber, wie der Holzschlag dort hinauf gekommen ist, da ist die Buche abgehauen worden. Da ist er endlich wieder herausgekommen und ist wieder frei geworden, der Teufel. Wie er nun wieder los war, da machte er sich auf und ging heim in die Hölle und wollte sehen, wie es aussähe. Aber da war alles leer darin, wie es in der Kirche in der Woche ist, und war keine Seele mehr zu hören noch zu sehen. Seit der Teufel damals fortgegangen und nicht wieder gekommen war, und auch kein Mensch nicht gewußt hatte, wo er hingekommen war, da war nicht eine einzige Seele wieder in die Hölle gekommen. Und da war seine Großmutter aus Herzeleid gestorben, und wie die tot war, da packten alle die armen Seelen, die dazumal in der Hölle waren, auf und machten sich auf und davon und gingen alle miteinander in den Himmel. Und da stand er, Maus-Mutter-Stern-allein in der Hölle, und wußte seines Leides keinen Rat, wie er’s wohl anfinge, daß er wieder arme Seelen bekäme, weil er es nicht mehr tun durfte, und hatte es damals bei seiner Großmutter verschwören müssen, daß er von keinem Menschen sich wieder wollte die Seele verschreiben lassen, und auf andere Weise bekam er damals keine Menschen in die Hölle. Und da stand er und wußte seines Herzeleids kein Ende und wollte sich die Hörner aus dem Kopfe raufen vor lauter Herzeleid und Jammer. Da fiel ihm auf einmal etwas ein.

Wie er in der alten Buche gesteckt hatte und nicht herausgekonnt, da war ihm zuletzt die Zeit lang geworden, und da hatte er über allerlei nachsimuliert und den Branntwein erdacht und erfunden. Das fiel ihm alleweil mitten in seinem Herzeleide wieder ein, und da dachte er sich, das müsse ein Mittelchen sein, wie er doch wieder arme Seelen in die Hölle bekommen könne.

Und da packte er auf der Stelle auf und ließ die Hölle Hölle sein und ging nach Nordhausen und wurde ein Schnapsbrenner und machte Branntwein drein und drauf und schenkte ihn in die Welt hinein. Und er zeigte auch den Nordhäusern allen miteinander, wie der Schnaps gemacht wird, und versprach ihnen viel Geld und Gut, wenn sie’s lernten und Branntwein brennten. Und die Nordhäuser ließen sich’s auch nicht zweimal sagen und wurden alle Schnapsbrenner und machten Branntwein und schenkten ihn in die Welt hinein. Seit dieser Zeit schreibt sich’s her, daß bis auf den heutigen Tag so viel Branntwein in Nordhausen gebrannt wird wie an keinem andern Orte in der ganzen Welt.

Aber wie sich’s der Teufel gedacht hatte, also ging es auch. Wenn die Leute erst ein wenig Branntwein im Leibe hatten, da fingen sie an zu fluchen und zu schwören, und fluchten und schwuren ihre Seele zum Teufel, daß sie der Teufel bekam, wenn sie gestorben waren, und brauchte ihnen darum nicht zu dienen, wie er sonst hatte tun müssen, wenn er eine arme Seele hatte haben wollen. Und wenn sie sich den Kopf erst richtig vollgesoffen hatten im Branntwein, da fingen sie auch an und zankten sich und prügelten sich und brachen sich selber die Hälse, daß sich der Teufel nicht erst brauchte die Mühe zu geben und brauchte sie ihnen herum zu drehen. Und wenn der Teufel sonst mit aller Mühe und Not hatte alle Wochen einmal eine arme Seele in die Hölle bekommen können, da kamen sie jetzt dutzend- und schockweise alle Tage hinein, und es dauerte kein Jahr, da war die Hölle zu klein geworden und konnte der Teufel die Seelen nicht mehr unterbringen und mußte ein ganz neues Stück lassen anbauen an die Hölle.

Und kurz und gut, seit der Teufel aus der alten Buche jenesmal wieder losgekommen ist, seit der Zeit ist der Branntwein aufgekommen, und seit der Branntwein in der Welt ist, da kann man erst recht eigentlich sagen: »Der Teufel ist los!«

Schneider Hänschen und die wissenden Tiere

Ein Schuhmacher und ein Schneider sind einmal miteinander auf die Wanderschaft gegangen. Der Schuster hatte Geld, der Schneider aber war ein armer Schwartenhans. Beide hatten ein und dasselbe Mädchen lieb, welches Lieschen hieß und jeder gedachte, es zu heiraten, wenn er sich ein gutes Stück Geld verdient habe und Meister geworden sei. Der Schuster, Peter genannt, war aller Tücke voll und hatte ein schwarzes Herz, das Schneiderlein war gutmütig und leichtfertig, und sein Name war Hänschen. Erst hatte Hänschen nicht mit dem Peter zusammen wandern wollen, weil es kein Geld hatte, aber Peter, der auf eitel Bosheit gegen das Schneiderlein sann, weil jenes Lieschen das Hänschen gern sah und nicht den Peter, sann auf des Schneiderleins Verderben und sprach: »Komm nur mit mir, ich habe Batzen, ich halte dich frei, auch wenn wir keine Arbeit bekommen. Alle Tage wollen wir uns dreimal tüchtig satt essen und satt trinken. Ist dir das nicht recht?«

»Von satt essen und satt trinken bin ich ja ein Freund!« antwortete Hänschen, und beide schnürten ihre Ränzel und traten ihre Wanderschaft an. Neun Tage lang gingen sie und fanden nirgends Arbeit, zumal Peter keine finden mochte und, wenn auch Hänschen Arbeit hätte haben können, diesen immer verlockte, sie nicht anzunehmen, sondern mit ihm zu wandern. Nun, nach den neun Tagen sprach Peter: »Hänschen, mein Geld nimmt ab, soll es noch eine Weile reichen, so dürfen wir von jetzt an des Tages nur zweimal essen und trinken.« »O weh!« seufzte Hänschen, »wird schon jetzt Schmalhans unser Wandergeselle? Wär ich doch nicht mit dir gegangen! Hungern konnt ich auch daheim! Dort hatt ich doch was Liebes, was mir den Hunger versüßt hätte!«

Peter, der während des Weitermarsches stets die Speisen kaufte, aß sich heimlich dicksatt, denn er hatte Geld genug dazu, aber Hänschen gab er täglich nur zweimal und hatte seine Freude daran, wenn seinem Gefährten der Magen murrte und knurrte und sich, nach dem Sprichwort, die Betteljungen in Hänschens Leibe prügelten.

So gingen abermals neun Tage hin, und noch immer fand sich keine Arbeit, da sprach Peter: »Liebes Hänschen, mit meinem Gelde wird es bald Matthäi am letzten sein – es langt wahrlich nimmer zu vier Mahlzeiten täglich, zwei für dich, zwei für mich. Mein Geldbeutel hat die galoppierende Schwindsucht. Schau her, es ist so dünn wie ein Spulwurm. Wir können von jetzt an uns nur einmal täglich sättigen.«

»Ach, ach Peterlein!« klagte Hänschen. »In welches Unglück hast du mich gebracht! Das halt ich ja nicht aus! Sieh mich doch nur an, ich bin ja schon so dünne und durchsichtig, daß ich schier kaum noch einen Schatten werfe. Wo soll denn das zuletzt hinaus?«

»Schnalle einen Schmachtriemen um!« lachte Peter. »Übe dich in der Tugend der Enthaltsamkeit. Tritt in einen Mäßigkeitsverein!«

»Hat sich was einzutreten«, jammerte das Schneiderlein. »Ich meint, wir wären schon mitten in der Mäßigkeit!«

Was half aber nun alles, es mußte gut tun, wohl oder übel; Hänschen hungerte tapfer, daß er aber nicht zunahm an Leibesfülle, kann sich jeder denken. Er wurde rasseldürr, und sein Angesicht bekam eine Farbe wie Hauszwirn. Und immer gab es keine Arbeit, und nun zumal erst recht nicht, denn die Meister sprachen: »Reise mit Gott, Bruder Mondschein! Wie kann so ein Kerlchen etwas Dauerbares nähen, dem sein ganzes eigenes Gestelle aus der Naht reißt? Schneider dürfen von Natur dünn sein, aber nur was recht ist – so dann, daß man sie statt Nähgarns einfädeln kann, dürfen sie doch nicht sein!«

Hänslein weinte heiße Tränen, wenn er solche lose Reden zu hören bekam, und der schlechte Peter frohlockte heimlich und innerlich darüber, und als wiederum neun Tage vergangen waren und Hänschen vor Hunger fast am Wege liegenblieb, da sprach der falsche Peter: »Bruderherz – es tut mir leid und schneidet mir in die Seele, daß ich’s sagen muß, aber mein Geldbeutel ist jetzt ganz auf den Hund – mit Essen und Trinken bei Bäcker und Wirt ist es nun ganz und gar vorbei.«

»Daß’s Gott erbarm!« schrie Hänschen. »Gar nicht mehr essen und trinken? Da steht mir der Verstand stille! Wer kann das aushalten? O wehe, wehe mir! Daß ich dir folgte! Wehe dir, daß du mich so verlockt hast!«

»Mein Himmel, wie du gleich außer dir geraten kannst, Hänschen!« rief Peter. »Als ob es nicht zu trinken vollauf gäbe!«

»Wo? Wo?« rief Hänschen mit lechzender Zunge.

»Überall! Wasser, Bruderherz! Wasser!« lachte Peter. »Wasser ist sehr gesund, es verdünnt Blut und Säfte, es heilt die meisten Krankheiten, es stärkt die Glieder. Siehst du, ich muß ja auch Wasser trinken.«

»Aber Wasser ist kein Essen!« klagte Hänschen. »Von Luft kann ich nicht leben, also schaffe mir zu essen, oder ich muß ins Gras beißen und Erde kauen. Etwas muß ich zu kauen haben.«

»Nun, ich will zum Bäcker gehen und für das letzte Geld ein Brötchen kaufen, das will ich redlich mit dir teilen!« sagte der falsche Peter, hieß Hänschen auf einen Stein sitzen und ging zu einem Bäcker, kaufte dort vier Brötchen, aß drei davon gleich auf und trank einen Schnaps dazu – dann kam er wieder zu Hänschen.

»Aber Peter!« sprach das hungrige Schneiderlein: »Du bleibst sehr lange aus. Gib mir zu essen, die Ohnmacht wandelt mich an.«

»Ich habe erst warten müssen, bis das Brot sich abgekühlt hatte«, verteidigte sich Peter, »warmes Brot ist nicht gut in einen leeren Magen. Hier hast du deine Hälfte.«

»Peter, du riechst nach Schnaps!« sprach Hänschen.

»So?« fragte Peter, »kann schon sein, drinnen trank einer, der stieß an mich und schüttete mir aus Ungeschick ein paar Tropfen auf mein Gewand.«

Hänschen verschlang sein halbes Brötchen mit Wolfshunger, stillte mit Wasser seinen Durst und wanderte weiter mit seinem treulosen Gefährten. Beide sprachen fast nichts mehr miteinander.

Als es bald Abend wurde und beide wieder durch ein Dorf kamen, ging Peter wieder zu einem Bäcker, aß sich satt und kam mit einem Brötchen aus dem Laden. Hans dachte, jener werde das Brötchen mit ihm teilen, aber Peter schob es in die Tasche.

Nach einer Weile sprach Hänschen, als sie das Dorf im Rücken hatten und in einen Wald gelangt waren: »Nun, Peter! Rücke heraus mit deinem Brötchen! Mich hungert äußerst.«

»Mich nicht«, antwortete Peter ganz kurz.

»Nicht?« schrie Hänschen erschrocken und blieb stehen, und seine Beine zitterten. »Unmensch, der du bist!«

»Vielfraß, der du bist!« höhnte Peter. »Bei dir trifft doch recht zu, was ich immer habe sagen hören: je dürrer ein Kerl ist, eine um so bessere Klinge schlägt er. Das Brötchen, das ich noch bei mir trage, ist, wie du sehr richtig bemerktest, mein Brötchen, und du bekommst nicht eine Krume davon, weil du gesagt hast Unmensch.«

»So muß ich ja Hungers sterben!« schrie Hänschen in Verzweiflung.

»Stirb in Gottes Namen!« antwortete Peter. »Die Leichenträger werden sich an dir keinen Schaden heben.«

»Aber ich bitte dich um Gottes willen!« jammerte Hänschen.

»Um was?« fragte Peter lauernd.

»Um die Hälfte deines Brötchens!« stammelte Hänschen.

»Umsonst ist der Tod – es hat mich mein allerletztes Geld gekostet. Wie viel Geld könnte ich noch haben, hätte ich mich nicht mit dir geschleppt und dich gefüttert!« sprach Peter aufs neue.

»Aber du selbst hast mich ja beredet, mit dir zu gehen!« warf Hänschen ein, doch machten Ärger und Hunger ihm schon schwer, die Worte hervor zu würgen. Seine Zunge klebte am Gaumen.

»Gibst du mir, so geb ich dir«, nahm Peter wieder das Wort. »Mir ist mein Brötchen so lieb wie meine Augäpfel, folglich ist es zwei Augäpfel wert. Gib mir einen deiner Augäpfel für die Hälfte.«

»Gott im Himmel! Wie strafst du mich, daß ich diesem folgte!« wimmerte Hänschen, denn schreien konnte das arme Schneiderlein schon vor Schwäche nicht mehr – doch streckte es die Hand nach dem halben Brötchen aus und sättigte sich, und dann stach ihm Peter den einen Augapfel aus.

Am andern Tage wiederholte sich alles Traurige des vorigen Tages bei den zwei Wandergesellen. Peter kaufte wieder ein Brötchen und gab Hänschen nichts davon, und wollte das andere Auge Hänschens für dessen Hälfte haben.

»Aber dann bin ich ja stockblind!« jammerte das Schneiderlein. »Dann kann ich ja nicht mehr arbeiten! Ohne ein Auge mindestens kann ich doch nicht einfädeln!«

»Wer blind ist«, tröstete der hart- und schwarzherzige Peter mit heimlichem Hohne, »der hat es gut. Er sieht nicht mehr, wie böse, falsch und treulos die Welt ist; er braucht nicht mehr zu arbeiten, denn er hat eine triftige Entschuldigung, und einem armen Blinden gibt auch der Geizigste zur Not noch eine Gabe. Du kannst noch reich werden als blinder Bettler, während ich mich armselig durch die Welt schleppen muß. Sollte dies eintreten, so werde ich zu dir kommen und du wirst mich noch als deinen besten Wohltäter segnen und deinen Reichtum mit mir teilen, wie ich bisher meine Armut mit dir geteilt habe.«

Hänschen vermochte auf diese teuflische Rede gar nichts mehr zu erwidern – er ließ alles mit sich geschehen und gab, um nur nicht Hungers zu sterben, dem treulosen Gefährten auch den zweiten Augapfel preis. Und als das geschehen war und Hänschen hoffte, daß der Peter ihn nun leiten und fuhren werde, sprach dieser: »Nun gehabe dich recht wohl, mein gutes dummes Hänschen! Hier habe ich dich haben wollen. Hier ist Bettelmanns Umkehr. Jetzt wandre ich wieder heim und heirate unser Lieschen. Ätsch! Siehe du zu, wohin du kommst!«

Fort ging Peter, und Hänschen schwanden vor Körper und Seelenschmerz eine Zeitlang völlig die Sinne, so daß er umsank und wie tot am Wege lag.

Da kamen drei Wanderer des Weges daher, aber keine zweibeinigen, sondern zufällig vierbeinige, das waren ein Bär, ein Wolf und ein Fuchs. Sie berochen den Ohnmächtigen, und der Bär brummte: »Dieses Manntier ist tot! Mögt ihr ihn? Ich mag ihn nicht!«

»Ich habe vor einer Stunde erst ein frisches Schaf verspeist, habe justament jetzt keinen Hunger, auch ist ja der Kerl so dürr und so hart wie ein Baumast!« sprach der Wolf. »Da wäre mir leid um meine Zähne, die ich weiter brauche.«

»Dieser Held muß ein Schneider gewesen sein!« spöttelte der Fuchs. »Mir ist eine fette Gans lieber als ein dürrer Schneider. Wäre er ein Kürschner gewesen, so würde ich ihm die Nase abbeißen – so aber liegt er mir gut. Er ist ja blind gewesen, der hat gewiß nie einen Fuchs geschossen.«

Das arme Schneiderlein kam wieder zu sich, merkte seine Gesellschaft und hielt den Odem an sich, so gut es ging, während die drei Tiere sich gar nicht weit von ihm behaglich ins Grüne lagerten.

»Blind zu sein, ist ein großes Unglück«, sprach der Fuchs, »sowohl für uns edle Tiere als für die schlechten zweibeinigen Gabeltiere, die sich Menschen nennen und sich so klug dünken und so fürchterlich dumm sind, daß sie gar nichts wissen. Wüßten sie, was ich weiß, so gäb es keine Blinden mehr.«

»Oho!« rief der Wolf. »Ich weiß auch, was ich weiß. Wüßten das die Manntiere in der nahen Königsstadt, so litten sie nicht den gebrannten Durst, den sie leiden, und kauften nicht ein Schnapsgläschen voll Wasser um eine Krone.«

»Hm hm!« brummte der Bär. »Unsereiner ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Auch mir ist ein Geheimnis kund. Sagt ihr mir das eure, sage ich euch das meine, aber bei Leib und Leben darf keiner von uns den andern verraten.«

»Nein das dürfen und wollen wir nicht tun!« gelobte der Fuchs.

»Es muß einer dem andern feierlich die rechte Pfote darauf geben!« bekräftigte der Wolf.

»Topp, es gilt!« sprach Petz, und hielt seine haarige Tatze hin, und wie die andern einschlugen, so drückte und schüttelte der Bär zum Spaß ihre Pfoten so, daß sie vor Schmerz laut aufheulten, davon dem blinden Schneiderlein angst und bange wurde.

»Ich weiß«, begann der Fuchs, als der Bär ihn ob seines Zartgefühles ausgelacht und wieder begütigt hatte, »daß heute eine besonders heilige Nacht ist; in dieser fällt Himmelstau auf Gras und Kraut. Wer blind ist, darf nur mit dem Tau seine Augen salben, so wird er wieder sehend, und selbst wenn er keine Augäpfel mehr hat, so bekommt er neue.«

»Das ist ein schönes Geheimnis«, sprach der Wolf, »meins ist aber auch nicht zu verachten. In der Königsstadt ist das Wasser ausgeblieben, und die Leute dort leben jetzt fast nur vom Geist, wenigstens sagen sie so, wenn es aber noch ein Weilchen so fort geht, so werden sie ihren Geist ganz aufgeben müssen. Gleichwohl haben sie Wasser die Fülle unter sich und wissen’s nur nicht. Auf dem Markte mitten im Pflaster liegt ein Grauwackenstein, wenn der aufgehoben wird, so wird ein Wasserpütz turmhoch aus dem Boden springen. Ach, wie froh würden die Residenzstädter sein, und wie heilsam wär es ihnen, wenn sie wieder Wasser hätten. Daß aber keiner von euch es ihnen sagt, sonst beiße ich jedem die Zunge im Maule ab!«

»Nichts wird gesagt, Bruder Isegrimm!« sprach Herr Braun und brummelte: »Was ich weiß, ist dieses: Seit sieben Jahren kränkelt des Königs einzige Tochter, und kein Doktor kann ihr helfen, weil keiner weiß, was ihr fehlt, wie wunderklug sich auch alle dünken. Gar manchen Rat gaben schon insgeheim des Königs Geheimräte, aber es ist nichts Rätliches davon an den Tag gekommen. Die Krankheit der Königstochter ist so gestiegen, daß der König verheilen hat, sie dem zur Gemahlin zu geben, der ihr hilft, um sie nur beim Leben erhalten zu sehen; es kann aber keiner helfen, der das nicht weiß, was ich weiß.«

»Du machst uns neugierig, hochgnädiger Herr König Braun!« sprach der Wolf, und Petz brummte: »Nur Geduld, es kommt schon noch. Werdet doch ein wenig warten gelernt haben?« Darauf schnaubte der Bär erst einmal gehörig aus und fuhr dann fort: »Die Prinzessin Königstochter sollte in der Kirche ein Goldstück in den Opferstock werfen, sie war aber noch sehr jung und befangen und ängstlich und schämte sich vor den vielen Leuten in der Kirche und warf das Goldstück etwas ungeschickt, daß es daneben und in eine Spalte fiel. Darauf wurde sie von ihrer Krankheit befallen, die nicht früher enden wird, bis man das Goldstück hervorzieht und in die Ritze des Opferstockes einwirft. Solche Kur ist kinderleicht, es dürfte nur einer hingehen und das Goldstück suchen.«

Als die Tiere sich einander so ihre Geheimnisse mitgeteilt hatten, erhoben sie sich aus ihrer Ruhe und gingen weiter; Hänschen aber war heilfroh über das, was er gehört hatte. Er bestrich sich eilend mit dem bereits gefallenen Himmelstau die Augen, da wuchsen ihm neue klare Augäpfel, und er sahe die goldenen Sterne am Himmel blinken und die dunklen Wipfel der Waldesbäume. Bald brach der Morgen an, und Hänschen sah nun Weg und Steg und wanderte, neu gestärkt, der Straße entlang. In einigen Dörfern, durch die er kam, erfocht er so viel, daß er seinen neuerwachten Hunger und Durst stillen konnte, und endlich kam er in die Stadt, in welcher der Wassermangel so groß war, daß alle Leute Wein und viele Schnäpse tranken, welche sie Likör nannten.

Hänschen hatte kein Geld für Liköre; er trat zu einer Wirtin und bat, ihm ein großes Glas Wasser zu reichen. Die Wirtin sah ihn dafür sehr groß an und schalt: »Seh mir einer den Lump! Hat nicht einmal Geld, einen Likör zu bezahlen, und will Wasser zechen! Meint der Mosjö, Herr von Fadenschein, das Wasser quelle nur so für nichts und wieder nichts? Es koste kein Geld? O weit gefehlt. Wisch Er sich das Maul von wegen dem Wasser; Wein oder Likör kann Er haben, mit Wasser kann ich nicht dienen, zumal in so großer Menge nicht.«

»Liegt man hier wirklich so krank an der Wassersucht, wie ich draußen vernommen?« fragte Hänschen. »Ei, wozu habt ihr denn hier Magistrat und Gemeinderat? Ist kein Moses im Stadtrate, der Wasser aus dem Felsen schlüge? Eure Krankheit wollte ich bald kuriert haben; ich bin ein Brunnenarzt.«

Diese Worte vernahmen einige junge Ratsherren, welche bei der Wirtin teils auch Liköre, teils Champagnerwein tranken; sie taten dies nur aus Ermangelung des Wassers, sonst würden sie es gewiß nicht getan haben, denn sie nannten den Champagner Gift und Äquinoktialsäure, und ohne die äußerste Not wird sicherlich niemand Gift oder solcherlei Säuren zu sich nehmen. Diese jungen Herren umringten Hänschen und fragten hastig, wie er es anstellen wolle, dem Mangel abzuhelfen.

»Meine hochverehrtesten Herren«, sprach Hänschen, »wenn ich sotanen Mangel allhier abstellen soll, so tut nötig sein, daß ich erst angestellt werde. Soll ich euch geheimen Rat erteilen, so würde eine mir zugeteilte kleine Geheimeratsbesoldung – so vier- bis sechstausend Tälerchen alljährlich mich zu Dank vergnügt machen. Dann solltet ihr Herren aber auch sehen, daß ich etwas leiste, was sich nicht von allen Geheimeräten rühmen läßt.«

Die jungen Ratsherren gaben dem Schneiderlein zu verstehen, es möge nicht sticheln und nicht so anzüglich reden, das könne man in der geistreichen Residenz nicht vertragen.

»Nanu!« entgegnete Hänschen. »Wenn ein Kleiderkünstler nicht mehr sticheln und anzüglich reden soll, da hört alles auf.«

Die Sache wurde nun im Gemeinderate und vom Magistrate reiflich erwogen, und alle Stimmen einigten sich in dem Rufe: »Wasser um jeden Preis – ehe wir im Sande totaliter vertrocknen!«

Der Magistrat stellte hierauf die Not gemeiner Stadt dem Könige vor und auch das Mittel zu deren Abhilfe und bat Seine Majestät, in Gnaden zu geruhen, für den fremden Brunnenarzt ein Geheimeratsdekret ausfertigen zu lassen, die Besoldung solle aus städtischen Mitteln gern bestritten werden. Der König willfahrete mit väterlicher Huld diesem Gesuche und ließ das Dekret ausfertigen, jedoch – durch Erfahrungen gewitzigt – mit dem Vorbehalte, daß selbes nicht eher in Kraft trete, bis hinlängliches Wasser geschafft sei – sonst solle es nichts gelten, da schon so viele Versprechungen von auswärts hergewanderten Fremdlingen zwar zu Wasser geworden seien, aber zu keinem nutzbaren. Hänschen begab sich nun in Begleitung einer schnell ernannten Wasserkommission auf den Markt, sah schon von weitem den grauen Quader – sprach zu den Technikern der Kommission: diesen Stein lasset ausbrechen, ihr Herren! – und als dies geschah, so rauschte plötzlich der Strahl eines Springbrunnens stark und mächtig und turmhoch in die Luft und quoll so viel Wasser aus, daß auf der Stelle in allen Kaufläden der Residenz die Preise der wasserdichten Zeuge um das Doppelte in die Höhe gingen.

Laut erscholl durch die ganze Königsresidenz das Lob des Wasserdoktors; fast hätte man ihn, wie den Schneider Hans Bockhold von Leiden, zum Propheten gemacht und ihn in Opern voll Pomp und Unsinn verherrlicht .

Noch desselben Tages wurde der neue Herr Geheimerat, der sich indessen mit Staatskleidern, Staatswagen und Dienerschaft versehen hatte, an den Hof gerufen und fuhr stolz in den Palast. Der König sagte ihm vieles Freundliche und schenkte ihm in Anerkennung seines Verdienstes um die Haupt- und Residenzstadt einen schönen Orden, am gewasserten Bande zu tragen. Sehr bald lenkte sich das Gespräch auf die Krankheit der Königstochter, und der König fragte den neuen Geheimerat, ob er als geschickter Wasserdoktor vielleicht für die Prinzessin eine Brunnenkur heilsam finde. »Nein, Euer Majestät«, erwiderte der Geheimerat. »Einmal mit Wasser mich befaßt, und nicht wieder. Lasse mich Eure Majestät der Gnade teilhaft werden, Allerhöchstdero Prinzessin Tochter zu sehen, so hoffe ich zuversichtlich den Sitz ihrer Krankheit zu ergründen.« Darüber war der König über alle Maßen froh und führte den Doktor selbst zu der kranken Prinzessin. Der fühlte ihr den Puls und sahe, daß sie sehr schön war. Dann sprach er: »Großmächtigster König, wenn die allerdurchlauchtigste Prinzessin genesen soll, so kann dies nicht durch irdische Medizin geschehen, sondern durch göttliche Hilfe; gestatten Allerhöchstdieselben, daß wir die Kranke in die Hofkirche tragen lassen, dort wird sie wohl genesen.« Dieser Vorschlag ward vom Könige alsbald gutgeheißen, denn er war sehr fromm und freute sich, einen so frommen neuen Geheimerat gewonnen zu haben. In der Kirche ließ sich der Heilkünstler von der Prinzessin den Opferstock zeigen, suchte nach und fand in einer Ritze das Goldstück. Dieses gab er der erleuchten Kranken in die Hand und ersuchte sie, dasselbe nun richtig in den Stock zu werfen. Selbiges tat die Prinzessin, und alsbald wurde sie völlig gesund und begann wie eine Rose aufzublühen. So führte sie nun der Geheimerat zu dem Könige. Was da für eine große Freude war, ist gar nicht zu schildern. Aus dem Geheimerat wurde alsbald rasch nacheinander ein Reichsrat, ein Standesherr, ein Graf, ein Fürst – und aus diesem ein Bräutigam der genesenen Prinzessin.

Nach der Hochzeit fahren die Neuvermählten auf einer Rundreise durch das Land, da kamen sie auch durch das Dorf, aus welchem der Fürst jüngst als Hänschen gewandert war. Da stand am Wirtshaus ein Scherenschleifer und schliff, und seine Frau drehte ihm das Rad – und da waren’s der Peter und das Lieschen, die den Peter erst durchaus nicht haben wollte, ihn aber am Ende doch nahm, weil er ihr zuschwur, Hänschen werde sie nie wieder sehen. Hänschen kannte gleich den Peter am falschen Gesicht, rief dem Kutscher zu: »Halt!« und jenem rief er zu: »Peter!«

Peter horchte hoch auf – und fragte, was der Herr befehle.

»Nichts befehlen will ich; Peter«, sprach Hans, »als daß du das Hänschen in mir wiederkennen sollst, dem du zu so hohem Glücke verholfen hast. Dort im Walde fand ich armer Augenloser, durch dich augenlos – das blinde Glück, wie manche blinde Taube ihre Erbse. Dort unter einem Baume, an dem ich lag, suchte mich es heim. Hier hast du vieles Geld vom blinden Bettler, der wieder sehend und reich geworden ist! Fahre wohl, und fahr zu, Kutscher!«

Peter stand wie aus den Wolken gefallen, lange starrte er dem Prachtwagen nach, dann gab er seiner Frau das Geld, es aufzuheben, und sagte: »Dorthin muß ich auch – muß auch das blinde Glück finden.« Und alsbald rüstete sich Peter und wanderte, so rasch er wandern konnte, an jenen Ort, wo er am armen Hänschen die letzte treulose Tat beging. Ein Fuchs lief lange vor ihm her – an jenem Orte stand der Fuchs. Da kam von weitem ein Wolf entgegengesprungen. Rasch wandte Peter sich um, da trabte ein Bär des Weges daher. Voll Entsetzen klomm jetzt Peter am Baume empor, unter dem er Hänschen den letzten Augapfel ausgestochen hatte.

»Verräter! Verräter! Verräter, die ihr seid!« bellte der Fuchs, heulte der Wolf, brummte der Bär, und jeder beschuldigte den andern, das Geheimnis verplaudert zu haben, auf dessen Behütung sie einander doch alle drei die Pfote gegeben hatten, waren sehr bissig gegeneinander und gaben einander schlechte Titel. Endlich nahmen Bär und Fuchs gegen den Wolf Partei, der sollte zunächst der Verräter sein und dafür gehenkt werden, und alsbald drehte der Fuchs ein Seil und eine Schlinge aus Tannenreisig, der Bär hielt den Wolf fest, der Fuchs warf letzterem die Schlinge um den Hals und zog den Zappelnden in die Höhe. Der Wolf starrte stieren Auges empor, da sah er Peter im Gezweige des Baumes sitzen und heulte: »O falsche ungerechte Welt! Da droben sitzt er, der unser Geheimnis verraten hat!«

Jetzt sahen die andern beiden Tiere auch in die Höhe, ließen den Wolf fallen, und der Bär kletterte auf den Baum und holte den Peter herunter. Drunten empfing ihn der Fuchs, der so fuchswild war, daß er ihm gleich beide Augen auskratzte. Dann würgte ihn der Wolf, und der Bär drückte ihn mausetot, darauf haben sie ihn zu dritt aufgefressen, daß kein Knöchelchen von ihm übrig geblieben ist.

Des Hundes Not

Es war ein Hund, der lag hungrig und kummervoll auf dem Felde, da sang über ihm eine Lerche ihr wonnigliches Lied. Als der Hund das hörte, da sprach er: „O du glückliches Vögelein, wie froh du bist, wie süß du singst, wie hoch du dich aufschwingst! Aber ich – wie soll ich mich freuen? Mich hat mein Herr verstoßen, seine Türe hinter mir versperrt, ich bin lahm, bin krank, kann kein Essen erjagen und muß hier Hungers sterben!“

Wie die Lerche den hungrigen Hund so klagen hörte, flog sie nahe zu ihm und sprach: „O du armer Hund! Mich bewegt dein Leiden, wirst du mir auch Dank wissen, wenn ich dir helfe, daß du satt wirst?“

„Womit, Frau Lerche?“ fragte der Hund mit matter Stimme, und die Lerche antwortete: „Sieh, dort kommt ein Kind gegangen, das trägt Speise zu jenem Ackersmann; ich will machen, daß es die Speise niederlegt und mir nachläuft, indes gehst du hinzu und ißt den Käse und das Brot und stillst deinen Hunger!“

Der Hund bedankte sich für dieses freundliche Anerbieten, und die Lerche flog nun dem Kind entgegen und begann es zu äffen. Bald lief sie vor ihm, bald flatterte sie auf dieser, bald auf jener Seite, bis das Kind dachte: „Die Lerche muß ich fangen.“ Die Lcrche stellte sich flügellahm und ließ einen ihrer kleinen Flügel hängen wie gebrochen. Das Kind griff oft nach ihr, aber tat es vergebens mit der einen Hand, und da legte es sein Tüchlein nieder, darin es das Essen trug, und lief der Lerche nach, die immer voran in einen Grund flog; indessen erhob sich der Hund, hinkte nach dem Tuch und schnüffelte hinein, da lag ein Stück Brot, ein Quarkkäse und vier gute Eier, die fraß er ungesotten und ungeschält und danach den Käse, und das Brot nahm er mit, als er fortkroch und sich im Korn versteckte.

Die Lerche, als sie merkte, daß der Hund sein Teil hatte, flug in die Lüfte und sang lustig; das geäffte Kind aber verwünschte sie und noch viel mehr, als es sein Tüchlein leer fand. Weinend ging es zurück zu seiner Mutter, und ob es Schläge bekommen hat, weiß ich nicht; es wird aber wohl etwas dergleichen abgefallen sein.

Die Lerche flog zum Hund hin und fragte ihn, wie er sich jetzt befinde? Er sagte ihr schönen Dank, und nie sei ihm wohler gewesen. „Nur eine Bitte, liebe Frau Lerche, habe ich noch auf dem Herzen“, sprach er, „wer satt ist, der ist gern froh. O bitte, erzählet mir noch etwas, davon ich ein wenig lachen und lustig werden kann.“

„Wohlan!“ sprach die Lerche. „Folge mir.“ Und da flog die Lerche voran, und der Hund folgte ihr zu einer Scheuer, auf deren Dachboden man von der Erde leicht gelangen konnte; da hinauf hieß die Lerche den Hund steigen und hinuntergehen, denn der Boden war schadhaft und durchgebrochen. Unten auf der Tenne standen zwei Kahlköpfe, die droschen; da setzte sich flugs die Lerche dem einen auf die Glatze, und flugs klapste der andere mit der Hand darauf, vermeinend, die Lerche zu fangen; das kluge Vöglein war aber schneller als er und flog zur Seite.

„Nun, Geselle, was soll das? Was schlägst du mich?“ fragte der erste Kahlkopf den andern. Der entschuldigte sich, daß ein Vöglein sich jenem auf den Kopf gesetzt, dieses habe er fangen wollen; habe der Klaps weh getan, sei es ihm leid. Indem setzte sich die Lerche auf die Glatze dessen, der eben sprach, und da schlug gleich der andere hin, so hart, daß der Kopf gewiß zersprungen, wenn er von Glas gewesen wäre, wenigstens brummte er dem Geschlagenen tüchtig. Nun ging gleich das Schelten los, und beide Drescher warfen ihre Flegel hin und wollten einander in die Haare. Weil sie nun keine Haare hatten, so konnte keiner dem anderen welche ausraufen, und so kratzten sie einander und stießen sich hart; da ging es Glatz wider Glatz und Kratz wider Kratz, auch zerrten sie sich an den Ohren, und darüber mußte der Hund so unbändig lachen, daß ihm ganz weh wurde, und er weder liegen noch stehen konnte, und da purzelte er vor Lachen von dem Boden hoch herunter, den Dreschern gerade auf die Kahlköpfe, daß sie stutzten, denn der Hund war schwer, und diese Art, Haare auf den Kopf zu bekommen, kam ihnen spanisch vor. Sie wandten ihren Zorn gleich vereint gegen den Hund, und da sie Drescher waren, so droschen sie ihn, so lange, bis er mit Ach und Krach durch ein Loch in der Scheuerwand und durch den Zaun fuhr, wobei ihm nicht nur das Lachen, sondern schier Hören und Sehen verging. Ganz mürb und krumm legte er sich in das Gras hinter den Zaun, und da kam die Lerche geflogen und fragte: „Edler Herr, wie befinden Sie sich?“

„Ach, Frau Lerche“, ächzte der Hund, „ich habe vollauf genug. Ich bin ein ganz geschlagener Mann! Ich glaube, meiner Treu, ich habe gar keinen Rücken mehr, die Drescher haben mir das Fell bei lebendigem Leibe abgeschunden und gegerbt. Ach, soll ich länger leben, so muß ich einen Wundarzt haben!“ „Wohl und getrost! Ich hole dir auch den, so es irgend möglich ist“, sprach die Lerche und flog von dannen.

Bald fand sie einen Wolf, den redete sie an: „Herr Wolf? Ihr habt wohl gar keinen Appetit?“

„Ach, Frau Lerche“, war die Antwort, „was das betrifft, so kann ich mit Wolfshunger dienen.“

„Nun, wenn Ihr mir es danken wollt“, sprach die Lerche weiter, „so wollte ich Euch wohl weisen, wo ein feister Hund liegt, der Euch kaum entrinnen wird!“

„O meine edle Königin, wie gnädig Ihr seid!“ schmeichelte und schmunzelte der Wolf und leckte sich die Zähne. Die Lerche flog vor ihm her, und er folgte ihr, und wie sie zu dem Hund kam, redete sie ihn an: „Nun, Geselle? Schläfst du? Willst du nicht den Arzt sehen? Richte dich auf, dort kommt der Doktor!“

„Wo? Frau Lerche, wo?“ fragte der Hund ganz müde; aber als er den Wolf sah, da schrie er: „Nein, Frau Lerche, nein! Diesen Doktor nicht! Haltet ihn zurück! Ich bin gesund!“ Und mit einem Satz war der Hund auf den Beinen und fort – daß ihm kein Zaun zu hoch und kein Graben zu breit war.

Sonnenkringel

Es war ein Mann auf der Wanderschaft, der war aller Zehrung bar und allen Zehrgeldes und wußte nicht, wovon er in der nächsten Herberge die Zeche zahlen sollte. Und da kamen ihm böse Gedanken in den Sinn – wenn einer käme, der am Gelde etwas zu schwer trüge, so wollte er ihm wohl seine Last erleichtern. Und wo der Wald recht tief war, sah dieser Wanderer einen anderen Wanderer vor sich her gehen, beeilte seine Schritte und holte jenen bald ein – und sah, daß der, den er einholte, ein Jude war. Da dachte er gleich: Juden haben immer Geld – und schrie ihn an: »Jud! Gib mir auf der Stelle dein Geld, oder du mußt sterben.«

»Soll mir Gott helfen!« sprach der Jude, »hab ich doch nicht mehr Geld als acht armselige Heller! Was tut Ihr damit? Wollt Ihr vor Gott die große Sünde begehen und einen Menschen totschlagen um acht Heller?«

»Jud, du lügst! Ohne Geld reist kein Mauschel. Heraus mit dem Gelde – oder – !«

»Wehe mir! Wehe geschrien!« rief voll Angst der Jude. »Habe ich doch nicht mehr, als ich Euch sage!« Aber jener hörte schon nicht mehr in seiner tollen Raubsucht und schlug den armen Juden nieder, und dieser rief im Sinken: »Wehe geschrien über dich, du Mörder! Die klare Sonne soll an den Tag bringen deine Missetat, das allsehende Auge des Firmamentes !«

Mit diesen Worten verschied der Jude, und nun suchte sein Mörder ihm alle Taschen aus, er fand aber nur ein kleines schlaffes Lederbeutelchen und darin in der Tat nicht mehr und nicht minder als acht rote Heller. Da war es ihm doch leid, daß er den schnöden Mord verübt – und als er in die Sonne sah, erschrak er, denn sie stand ganz blutrot – und er rannte eilend von dannen – im Walde aber sammelten sich die Rotkehlchen und trugen Blumen herbei und legten sie sanft auf das Angesicht des Erschlagenen, damit das Schrecknis der Menschheit nicht des Waldes heiligen Frieden störe. Der Mörder aber wanderte, so weit er nur vermochte, von jener Stelle fort und konnte nicht mehr in die Sonne sehen. Am andern Morgen war es ihm wie ein böser, böser Traum – aber der Traum verfolgte ihn lange, und die Sonne erinnerte ihn fort und fort an den Todesruf des erschlagenen Juden. Endlich ward er ruhiger in seinem Gemüte, arbeitete fleißig und gewann, da er sonst ein leidlicher Geselle war und sich sehr still und zurückhaltend hielt, die Neigung einer Meisterstochter, mit der er eine Zeitlang in glücklicher Ehe lebte. Nicht häufig dachte er mehr an seine Untat, nur vor der Sonne hatte er eine gewisse Scheu, doch fragte er sich endlich selbst: »Wie soll sie’s denn anfangen, die liebe Sonne, es an den Tag zu bringen? Der Jude ist längst vergessen, ich bin viele Meilen fern von jenem Lande – reden kann die Sonne nicht, schreiben kann sie auch nicht. Ich habe mich für nichts so lange vor ihr gefürchtet und geängstigt.«

Eines Morgens brachte die Frau ihrem Manne seine Tasse Kaffee; er goß einen Teil desselben aus der Obertasse in die Untertasse, und zufällig schien die Sonne hell hinein, da bildeten sich von der bewegten Flüssigkeit an der Stubendecke bewegte, zitternde Lichtkringel infolge der Abspiegelung, und des Mannes Blicke fielen zur Decke empor. Er glaubte, er sei allein, und sprach vor sich hin: »Meinst du Sonne, du könnest es an den Tag bringen, weil du dort hinauf die zitternden Kringel zeichnest?«

»Was soll die Sonne an den Tag bringen wollen, Mann?« fragte laut die Frau – und der Mann erschrak heftig. Lebhaft drang sie in ihn, es ihr zu sagen, als er stockte und nichts bekennen wollte. Aber die Frau ruhte nicht eher, bis er, nachdem sie das tiefste Schweigen ihm angelobt, ihr erzählte, daß er einst einen Juden im Walde erschlagen habe, der habe im Sterben gerufen: »Die klare Sonne soll an den Tag bringen deine Missetat, das allsehende Auge des Firmamentes!« und nun habe die Sonne doch nichts an den Tag gebracht; sie könne nichts als leuchten und wärmen und Kringel an der Wand oder an der Decke machen.

Die Frau hörte das, schauderte und schwieg; aber das unselige Geheimnis drückte ihr fast das Herz ab, beunruhigte sie Tag und Nacht, und stets aufs neue erinnerte sie die Sonne daran. Sie konnte es nimmermehr auf dem Herzen behalten, sie erzählte es unter dem heiligsten Siegel der Verschwiegenheit ihrer liebsten Freundin – diese trug es weiter, bald vernahmen es die Richter. Da wurde der Mörder festgenommen und gestand alsbald alles; er war recht froh, als es heraus war, und empfing, nachdem er zum Schwert verurteilt war, mit Fassung den Todesstreich. In derselben Stunde aber lief seine schwatzhafte Frau auf den Boden und knüpfte sich an einem Balken auf.

Die dankbaren Tiere

Es reiste einst ein Pilger über Land, der kam auf seinem Wege durch den Wald an eine Wolfsgrube und nahm wahr, daß etwas Lebendiges darin sei. Und wie er hinunterblickte, sah er darin einen Menschen, der war ein Goldschmied, und bei ihm war ein Affe, eine Schlange und eine große Natter. Die waren alle unversehens in die Grube gefallen. Da dachte der Pilger bei sich: Übe Barmherzigkeit mit den Elenden und hilf den Menschen von seinen Feinden. Da warf er ein Seil in die Grube und hielt das eine Ende fest in der Hand, willens, den Goldschmied heraufzuziehen, schnell sprang aber der Affe herzu, kletterte herauf und sprang aus der Grube. Zum zweitenmal warf der Pilger das Seil hinab, da ringelte sich die Natter daran empor. Und zum drittenmal erfaßte die Schlange das Seil und kam auch zutage. Diese drei Tiere dankten dem Pilger für seine Güte und sprachen zu ihm: „Was du uns Gutes getan, das wollen wir dir wieder zu vergelten suchen, und wann dich dein Weg in unsere Nähe trägt, so magst du auf uns rechnen, daß wir nach Kräften dir zu Diensten sind; sei aber treulich gewarnt vor dem Menschen da drunten, denn nichts, was da lebt, ist so undankbar, wie er. Dieses haben wir erfahren und sagen es dir an, daß du wissest, dich zu verhalten.“

Damit schieden die drei Tiere von dem Pilger, dieser aber gedachte an seine Pflicht, daß dem Menschen zieme, dem Menschen zu helfen, und er warf das Seil wiederum in die Grube und zog den Goldschmied heraus. Dieser bedankte sich mit vielen Worten für die Gnade und Barmherzigkeit, die der Pilger an ihm getan. Er bat, ihn ja in der Königsresidenz, wo er wohne, zu besuchen und verließ ihn.

Auf seinem Weiterweg kam der Pilger in die Nähe der Residenz und an den Ort, wo der Affe, die Natter und die Schlange wohnten. Die freuten sich, und der Affe brachte ihm, der sehr ermattet war, Obst und süße Feigen, die Natter zeigte ihm eine kühle, angenehme Grotte, wo er ruhen und rasten konnte, und legte sich davor und bewachte seinen Schlaf, denn niemand wagte sich dorthin, wo die große Natter lag. Die Schlange aber schlüpfte in die Königsburg und stahl dort einige goldene Kleinode, die gab sie dem Pilger zur Verehrung, sagte ihm aber nicht, woher sie dieselben hatte. Als dieser von den Tieren aufbrach, ging er in die Königsstadt und suchte den Goldschmied auf, dem zeigte er die Kleinode und bot sie ihm zum Kauf an. Der Goldschmied sah, daß sie des Königs Eigentum waren, schwieg still, ging zum König und zeigte an, daß er den Dieb dieser Kleinode in seinem Haus gefangen habe. Dafür empfing er eine stattliche Belohnung, und der König sandte seine Häscher, die fingen den Pilger, schlugen ihn, führten ihn durch die Straßen und hinaus zum Galgen, um ihn zu henken. Da gedachte der alte Mann auf dem Wege an die Warnung der Tiere und seufzte laut: „O hätte ich euren Rat befolgt, ihr getreuen Tiere, so wäre diese Trübsal mir nicht beschieden worden!“

Nun hatte die Schlange just ihre Wohnung an dem Weg, der zum Hochgericht führte, und hörte die Klagerede des unschuldigen Mannes, an dessen Unglück sie mit schuld war und betrübte sich und dachte darauf, wie sie ihm helfen könne. Da nun der Königssohn, ein junger Knabe, auch des Weges geführt wurde, damit er des Diebes Strafe zusehe, kroch sie hin und biß ihn in das Bein, daß es bald aufschwoll. Da blieb alles Volk erschrocken stehen und man sandte eiligst nach Ärzten und nach Astrologen die helfen sollten. Die Ärzte brachten Theriak herbei, eine Arznei, die gepriesen war gegen den Schlangenbiß, er half jedoch nichts. Die Astrologen aber lasen in den Sternen, daß der zum Tode geführte Pilger unschuldig war, und der Königsknabe rief selbst mit heller Stimme: „Bringt mir den Mann her, daß er seine Hand auf meine Wunde und mein Geschwulst lege, so werde ich heil sein!“

Da wurde der Pilger vor den König geführt, der fragte nach seinem Schicksal, und der Pilger erzählte dem König alles treulich, von den guten dankbaren Tieren und dem schändlichen Undank des Goldschmieds, den er vom Tod errettet. Und dann hob er Hände und Augen zum Himmel und flehte: „O allmächtiger Gott, so wahr es ist, daß ich unschuldig bin an dem Diebstahl, so wahr wird meine Hand diesen Menschen heilen!“ – Und da wurde von Stund an der Königssohn gesund. Als das der König sah, wurde sein Herz froh und freudvoll. Er ehrte den Pilger mit köstlichen Gaben, ließ ihm auch alle Kleinode, um derentwillen der Pilger Todesangst ausgestanden hatte, und ließ den Goldschmied auf der Stelle henken, zur Strafe seines großen Undanks.

Das Kätzchen und die Stricknadeln

Es war einmal eine arme Frau, die in den Wald ging, um Holz zu lesen. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war, sah sie ein krankes Kätzchen hinter einem Zaun liegen, das kläglich schrie. Die arme Frau nahm es mitleidig in ihre Schürze und trug es nach Hause zu. Auf dem Wege kamen ihre beiden Kinder ihr entgegen, und als sie sahen, daß die Mutter etwas trug, fragten sie: „Mutter, was trägst du?“ Und wollten gleich das Kätzchen haben; aber die mitleidige Frau gab den Kindern das Kätzchen nicht, aus Sorge, sie möchten es quälen, sondern sie legte es zu Hause auf alte weiche Kleider und gab ihm Milch zu trinken. Als das Kätzchen sich gelabt hatte und wieder gesund war, war es mit einem Male fort und verschwunden.

Nach einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand eine ganz vornehme Dame dort, winkte die arme Frau zu sich und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wußte nicht recht, was sie denken sollte, und dünkte diese absonderliche Gabe ihr gar zu gering; doch nahm sie die fünf Stricknadeln des Abends auf den Tisch. Aber als die Frau des andern Morgens ihr Lager verließ, da lag ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem Tisch. Das wunderte die arme Frau über alle Maßen, und am nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und am Morgen darauf lagen neue Strümpfe da. jetzt merkte sie, daß zum Lohn ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr diese fleißigen Nadeln beschert waren, und ließ dieselben nun jede Nacht stricken, bis sie und die Kinder genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte genug, bis an ihr seliges Ende.

Vom Büblein, das sich nicht waschen wollte

Es ist einmal ein Büblein gewesen, das wollte sich schon als ganz kleines Kind immer nicht waschen lassen, und als es größer wurde, so hat sich’s vor dem Wasser über alle Maßen gegruselt und hat sich vor dem Naßwerden ärger gefürchtet als vor dem Feuer. Und da hat der unsaubere Geist, der Teufel, Macht genommen über das Büblein und hat zu ihm gesagt, er wolle es an einen Ort führen, wo es sich sein Lebtag nicht zu waschen brauche, und wenn es ihm sieben Jahre diene, dann solle es ein gutes Leben haben.

Das war dem Büblein recht, und es ging mit dem Teufel, und der führte es fort, daß keine Seele mehr von ihm weder hörte noch sah, und es wurde ganz und gar vergessen.

Nach sieben Jahren aber erschien in des Bübleins Heimat ein Geselle, der sah aus wie des Teufels rußiger Bruder. Seine Haut war schwarz, sein Haar wirr und ungekämmt, sein Wesen war schweigsam. Aber wenn er Kinder sah, so warnte er sie vor Unreinlichkeit und ermahnte sie, daß sie sich ja recht fleißig sollten waschen lassen. Nachher geschah es wohl auch, daß er erzählte, wie er am Höllentore im Dienste des unsaubern Geistes habe Wache halten müssen, weil er selbst so unsauber gewesen, und wer alles durch das Tor gekommen aus dem Dorfe und der ganzen Umgegend. Wie aber die Leute von den Kindern vernahmen, was des Teufels gewesener Torwart erzählte, schalten sie ihn einen schwarzen Unhold und liefen haufenweise zu ihm und gaben ihm vieles Geld, daß er schweige und nicht sage, wessen Vater, Großvater, Mutter, Schwester, Muhme und ganze werte Verwandtschaft er in die Hölle habe einziehen sehen. Da nahm er das Geld, wenn ihn aber einer wieder zu schelten anhub, so sagte er: »Ich wasche meine Hände in Unschuld, ich kann nicht dafür, daß Eure Sippschaft in die Hölle spaziert ist, statt in den Himmel.« Und fing an und wusch sich fleißig, des Tages mehr als einmal, und verdiente vieles Geld mit Schweigen, während andere es mit Schwätzen verdienen müssen.

Die drei Hunde

Ein Schäfer hinterließ seinen beiden Kindern, einem Sohn und einer Tochter, nichts als drei Schafe und ein Häuschen, und sprach auf seinem Totenbett: „Teilt euch geschwisterlich darein, daß nicht Hader und Zank zwischen euch entstehe.“ Als der Schäfer nun gestorben war, fragte der Bruder die Schwester, welches sie lieber wollte, die Schafe oder das Häuschen? Und als sie das Häuschen wählte, sagte er: „So nehm‘ ich die Schafe und gehe in die weite Welt: es hat schon mancher sein Glück gefunden, und ich bin ein Sonntagskind.“ Er ging darauf mit seinem Erbteil fort; das Glück wollte ihm jedoch lange nicht begegnen. Einst saß er recht verdrießlich an einem Kreuzweg, ungewiß, wohin er sich wenden wollte; auf einmal sah er einen Mann neben sich, der hatte drei schwarze Hunde, von denen der eine immer größer als der andere war. „Ei, junger Gesell“, sagte der Mann, „Ihr habt da drei schöne Schafe. Wißt Ihr was, gebt mir die Schafe, ich wie Euch meine Hunde dafür geben.“ Trotz seiner Traurigkeit mußte jener lachen. „Was soll ich mit Euren Hunden tun?“ fragte er; „meine Schafe ernähren sich selbst, die Hunde aber wollen gefüttert sein.“ – „Meine Hunde sind von absonderlicher Art“, antwortete der Fremde; „sie ernähren Euch, statt Ihr sie, und werden Euer Glück machen. Der Kleinere da heißt: ‚Bring Speisen‘, der zweite ‚zerreiß’n‘, und der große Starke ‚brich Stahl und Eisen‘.“ Der Schäfer ließ sich endlich beschwatzen und gab seine Schafe hin. Um die Eigenschaft seiner Hunde zu prüfen, sprach er: „Bring Speisen!“ und alsbald lief der eine Hund fort und kam zurück mit einem großen Korb voll der herrlichsten Speisen. Den Schäfer gereute nun der Tausch nicht; er ließ sich’s wohl sein und zog lange im Lande umher.

Einst begegnete ihm ein Wagen mit zwei Pferden bespannt und ganz mit schwarzen Decken bekleidet und auch der Kutscher war schwarz angetan. In dem Wagen saß ein wunderschönes Mädchen in einem schwarzen Gewande, das weinte bitterlich. Die Pferde trabten traurig und langsam und hingen die Köpfe. „Kutscher, was bedeutet das?“ fragte der Schäfer. Der Kutscher antwortete unwirsch, jener aber ließ nicht nach zu fragen, bis der Kutscher erzählte, es hause ein großer Drache in der Gegend, dem habe man, um sich vor seinen Verwüstungen zu sichern, eine Jungfrau als jährlichen Tribut versprechen müssen, die er mit Haut und Haar verschlingt. Das Los entscheide allemal unter den vierzehnjährigen Jungfrauen und diesmal habe es die Königstochter betroffen. Darüber sei der König und das ganze Land in tiefster Betrübnis und doch müsse der Drache sein Opfer erhalten. Der Schäfer fühlte Mitleid mit dem schönen jungen Mädchen und folgte dem Wagen. Dieser hielt endlich an einem hohen Berge. Die Jungfrau stieg aus und schritt langsam ihrem schrecklichen Schicksal entgegen. Der Kutscher sah nun, daß der fremde Mann ihr folgen wollte, und warnte ihn, der Schäfer ließ sich jedoch nicht abwendig machen. Als sie die Hälfte des Berges erstiegen hatten, kam vom Gipfel herab ein schreckliches Untier mit einem Schuppenleib, Flügel und ungeheuren Krallen an den Füßen; aus seinem Rachen loderte ein glühender Schwefelstrom und schon wollte es sich auf seine Beute stürzen, da rief der Schäfer: „Zerreiß’n!“ und der zweite seiner Hunde stürzte sich auf den Drachen, biß sich in der Weiche desselben fest und setzte ihm so zu, daß das Ungeheuer endlich niedersank und sein giftiges Leben aushauchte; der Hund aber fraß ihn völlig auf, daß nichts übrigblieb als ein Paar Zähne, die steckte der Schäfer zu sich. Die Königstochter war ganz ohnmächtig vor Schreck und vor Freude, der Schäfer erweckte sie wieder zum Leben, und nun sank sie ihrem Retter zu Füßen und bat ihn flehentlich, mit zu ihrem Vater zu kommen, der ihn reich belohnen werde. Der Jüngling antwortete, er wolle sich erst in der Welt umsehen, nach drei Jahren aber wiederkommen. Und bei diesem Entschluß blieb er. Die Jungfrau setzte sich wieder in den Wagen, und der Schäfer ging eines anderen Weges fort.

Der Kutscher aber war auf böse Gedanken gekommen. Als sie über eine Brücke fuhren, unter der ein großer Strom floß, hielt er still, wandte sich zur Königstochter und sprach: „Euer Retter ist fort und begehrt Eures Dankes nicht. Es wäre schön von Euch, wenn Ihr einen armen Menschen glücklich machtet. Saget deshalb Eurem Vater, daß ich den Drachen umgebracht habe; wollt Ihr aber das nicht, so werf‘ ich Euch hier in den Strom und niemand wird nach Euch fragen, denn es heißt, der Drache habe Euch verschlungen.“ Die Jungfrau wehklagte und flehte, aber vergeblich; sie mußte endlich schwören, den Kutscher für ihren Retter auszugeben und keiner Seele das Geheimnis verraten. So fuhren sie in die Stadt zurück, wo alles außer sich vor Entzücken war; die schwarzen Fahnen wurden von den Türmen genommen und bunte daraufgesteckt, und der König umarmte mit Freudentränen seine Tochter und ihren vermeintlichen Retter. „Du hast nicht nur mein Kind, sondern das ganze Land von einer großen Plage errettet“, sprach er. „Darum ist es auch billig, daß ich dich belohne. Meine Tochter soll deine Gemahlin werden; da sie aber noch allzu jung ist, so soll die Hochzeit erst in einem Jahr sein.“ Der Kutscher dankte, ward prächtig gekleidet, zum Edelmann gemacht und in allen feinen Sitten, die sein nunmehriger Stand erforderte, unterwiesen. Die Königstochter aber erschrak heftig und weinte bitterlich, als sie dies vernahm, und wagte doch nicht, ihren Schwur zu brechen. Als das Jahr um war, konnte sie nichts erreichen, als die Frist noch eines Jahres. Auch dies ging zu Ende und sie warf sich dem Vater zu Füßen und bat um noch ein Jahr, denn sie dachte an das Versprechen ihres wirklichen Erretters. Der König konnte ihrem Flehen nicht widerstehen und gewährte ihr die Bitte, mit dem Zusatz jedoch, daß dies die letzte Frist sei, die er ihr gestattete. Wie schnell verrann die Zeit! Der Trauungstag war nun festgesetzt, auf den Türmen wehten rote Fahnen, und das Volk war im Jubel.

An demselben geschah es, daß ein Fremder mit drei Hunden in die Stadt kam. Der fragte nach der Ursache der allgemeinen Freude und erfuhr, daß die Königstochter eben mit dem Manne vermählt werde, der den schrecklichen Drachen erschlagen. Der Fremde schalt diesen Mann einen Betrüger, der sich mit fremden Federn schmücke. Aber er wurde von der Wache ergriffen und in ein enges Gefängnis mit eisernen Türen geworfen. Als er nun so auf seinem Strohbündel lag und sein trauriges Geschick überdachte, glaubte er plötzlich draußen das Winseln seiner Hunde zu hören; da dämmerte ein Lichter Gedanke in ihm auf. „Brich Stahl und Eisen!“ rief er so laut er konnte, und alsbald sah er die Tatzen seines größten Hundes an dem Gitterfenster, durch welches das Tageslicht spärlich in seine Zelle fiel. Das Gitter brach, und der Hund sprang in die Zelle und zerbiß die Ketten, mit denen sein Herr gefesselt war; darauf sprang er wieder hinaus, und sein Herr folgte ihm. Nun war er zwar frei, aber der Gedanke schmerzte ihn sehr, daß ein anderer seinen Lohn ernten solle. Es hungerte ihn auch und er rief seinen Hund an: „Bring Speisen!“ Bald darauf kam der Hund mit einer Serviette voll köstlicher Speisen zurück; in die Serviette war eine Königskrone gestickt.

Der König hatte eben mit seinem ganzen Hofstaat an der Tafel gesessen, als der Hund erschienen war und der bräutlichen Jungfrau bittend die Hand geleckt hatte. Mit freudigem Schreck hatte sie den Hund erkannt und ihm die eigene Serviette umgebunden. Sie sah dies als einen Wink des Himmels an, bat den Vater um einige Worte und vertraute ihm das ganze Geheimnis. Der König sandte einen Boten dem Hunde nach, der bald darauf den Fremden in des Königs Kabinett brachte. Der König führte ihn an der Hand in den Saal; der ehemalige Kutscher erblaßte bei seinem Anblick und bat kniend um Gnade. Die Königstochter erkannte den Fremdling als ihren Retter, der sich noch überdies durch die Drachenzähne, die er noch bei sich trug, auswies. Der Kutscher ward in einen tiefen Kerker geworfen, und der Schäfer nahm seine Stelle an der Seite der Königstochter ein. Diesmal bat sie nicht um Aufschub der Trauung. Das junge Ehepaar lebte schon eine geraume Zeit in wonniglichem Glück, da gedachte der ehemalige Schäfer seiner armen Schwester und sprach den Wunsch aus, ihr von seinem Glück mitzuteilen. Er sandte auch einen Wagen fort, sie zu holen, und es dauerte nicht lange, so lag sie an der Brust ihres Bruders. Da begann einer der Hunde zu sprechen und sagte: „Unsere Zeit ist nun um; du bedarfst unser nicht mehr. Wir blieben nur so lange bei dir, um zu sehen, ob du auch im Glück deine Schwester nicht vergessen würdest.“ Darauf verwandelten sich die Hunde in drei Vögel und verschwanden in den Lüften.

Das Märchen von den sieben Schwaben

Es waren einmal sieben Schwaben, die wollten große Helden sein und auf Abenteuer wandern durch die ganze Welt. Damit sie aber eine gute Bewaffnung hätten, zogen sie zunächst in die weltberühmte Stadt Augsburg und gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister allda, um sich mit Wehr und Waffen zu versehen. Denn sie hatten nichts Geringeres im Sinne, als das gewaltige Ungetüm zu erlegen, das zur selben Zeit in der Gegend des Bodensees gar übel hausete. Der Meister staunte schier, als er die sieben sah, öffnete aber flugs seine Waffenkammer, die für die wackeren Gesellen eine treffliche Auswahl bot. »Bygott!« rief der Allgäuer, »send des au Spieß? So oaner wär mer grad reacht zume Zahnstihrer. For mi ischt e Spieß von siebe Mannslengen noh net lang genueg. « Drob schaute ihn der Meister wiederum an mit einem Blick, der den Allgäuer beinahe verdroß. Denn dieser lugte zurück mit grimmigen Augen, und bei einem Haar hätt’s was gegeben, wenn der Blitzschwab nicht just zur rechten Zeit sich ins Mittel gelegt. »Hotz Blitz!« rief er, »du hoscht Reacht und i merk doin Maining: Wie älle siebefor oin, sofor älle siebe noh oin Spieß. « Dem Allgäuer war dies nicht ganz klar, aber weil’s den andern just eben recht, so sagte er: »Joh.« Und der Meister fertigte in weniger als einer Stunde den Spieß, der sieben Mannslängen maß.

Ehe sie aber die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch etwas Apartes, der Knöpflesschwab einen Bratspieß, der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf, der Gelbfüßler aber Sporen für seine Stiefel, indem er bemerkte: solche seien nicht nur gut zum Reiten, sondern auch zum Hintenausschlagen. Als der Seehaas sich endlich einen Harnisch gewählt, pflichtete ihm der Spiegelschwab in solcher Vorsicht vollkommen bei, meinte aber, es sei besser, den Harnisch hinten als vorn anzulegen. Und kaufte sich ein altes Barbierbecken aus der Rumpelkammer des Meisters, groß genug, um seine untere Kehrseite zu bedecken. »Merk’s: han i Curasche und gang i voran, noh brauch i koan Harnisch, goht’s aber hintersche und fällt mer d’Curasche anderswohnah, noh ischt der Harnisch an seinn reachte Blatz.«

Und nachdem die sieben Schwaben wie ehrliche Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt, auch als gute Christen bei St. Ulrich eine Messe gehört und zuletzt noch beim Metzger am Göppinger Tore gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so zogen sie zum Tor hinaus ihres Weges weiter. Den Spieß aber hielten sie alle sieben und gingen in einer Reihe hintereinander, daß sie schier aussahen wie angespielte Lerchen. Voran ging der Herr Schulz, der Allgäuer, als der mannlichste unter ihnen, dann kam der Jockele, genannt der Seehaas, hierauf der Marle, genannt der Nestelschwab, dem folgte der Jerkle, war der Blitzschwab geheißen, hernach ging der Michel, Spiegelschwab zubenamset, dann kam der Hans, Knöpflesschwab, und zuletzt kam Veitle, das war der Gelbfüßler. Der Herr Schulz wurde der Allgäuer geheißen, weil er aus Allgau gebürtig war; der Seehaas hatte am Bodensee gesessen; der Nestelschwab führte darum seinen Namen, weil er statt der Knöpfe Nesteln hatte, er mußte aber bei den Hosen fast immer mit der Hand nachhelfen und halten, dieweil die Nesteln oftmalen abgerissen waren. Der Blitzschwab hieß also, weil er sich die Redensart: »Hotz Blitz!« angewöhnt hatte. Der Spiegelschwab hatte die Gewohnheit, seine Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen, die davon einen gewissen Spiegelglanz annahm; das schaffte jenem den saubern Namen. Knöpflesschwab war ein Mann, der verstand, gute Knöpfle oder Spätzle zu kochen, das ist im bayerischen Deutsch Knötel und im sächsischen Deutsch Klöße. Der Gelbfüßler endlich war aus der Bopfinger Landschaft, deren Einwohner die Umwohner Gehlfießler schimpfen. Darum, daß sie einstmals einen Wagen voll Eier, den sie ihrem Herzog als Abgabe bringen müssen, recht voll stampfen wollen, und die Eier mit den Füßen festgetreten, davon denn die Eier etwas weniges zerbrochen und die Füße der Bopfinger gegilbt hätten.

Zogen nun die sieben allesamt gutes Mutes mit ihrem Spieß dahin, kamen eines Heumondtages in der späten Dämmerung über eine grüne Wiese, da hob sich eine Hornisse nicht weit von ihnen mit feindlichem Gebrummel hinter einer Domhecke hervor und flog vorüber. Darob erschrak der Schulz, Allgäuer, mächtiglich und begann Angstschweiß zu schwitzen und schrie seinen Kriegsgesellen zu: »Horchet! Der Feind drommelt schoh!« Da schmeckte der Jockele, der dicht hinter dem Schulzen ging, einen üblen Geruch und rief: »Wohl! Wohl! ’s ist ebbes in der Näche! I schmeck schaun’s Pulver!« Da nahm der Herr Schulz Reißaus, ließ den Spieß fahren und sprang über einen Zaun, kam aber gerade auf die Zinken eines Rechens zu springen, und da fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. Der Schulz vermeinte, der Feind haue auf ihn ein, und schrie: »Gieb Bardohn! i ergeb me.« Die andern sechs waren nachgesprungen über den Zaun, und da sie ihren Anführer also schreien hörten, so schrien sie alle: »Ergibscht du de, noh ergeb i me au! Ergibscht du de, noh ergeb i me au!« Aber es war niemand vorhanden, der die sieben Schwaben gefangennehmen wollte; und da sie das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit und verschwuren sich, diese ihre erste Heldentat nicht weiterzuerzählen.

Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauf losmarschierten, merkten sie nicht, daß ein großmächtiger Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der Nase an ihn stieß. Als er ihn nun sah, war er hin vor Schreck, stolperte und stieß mit dem Spieße geradezu auf den Bären los, wozu er aber nichts konnte, und schrie dazu gottsjämmerlich: »E Bär! E Bär!« Vermeinte, sein letztes Brot wäre gebacken und bereits verzehrt. Doch rührte sich der Bär nicht, dieweil er maustot war. Des war der Allgäuer hoch erfreut, schaute nun nach seinen Brüdern und sah mit Schreck, daß alle mäusleinstill für tot auf dem Boden lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die am Boden Liegenden vermerkten, daß der Bär den Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor Schreck dahin gepurzelt, lugten sie vorsichtig in die Höh, und wie sie sahen, daß der Bär tot war, erhoben sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum und auf ihn und untersuchten, wie tief wohl die Wunde sei, die der Spieß ihm beigebracht, fanden aber keine, und der Blitzschwab sagte: »Hotz Blitz! Der Bär ischt verreckt und schoh lang tot!«

»Joh Joh«, sprach der Jockele, »mer schmeckt de Brohde.« Wurden eins, dem Bär das Fell abzuziehen und als Siegeszeichen mit sich zu führen, das Aas aber liegen zu lassen. »Jetzt kennet d’Schoof de Bäre fresse, wie er d’Schoof gefresse hod!« sprach einer unter ihnen, und so zogen sie fürbaß mit ihrem Bärenfell und ihrem Spieß.

Kamen nun just in einen Wald und gerieten tiefer und tiefer in die Stauden hinein, bis sie darin stecken blieben. Die Bäume standen zuletzt so dicht, daß des Fortkommens kein Gedanke war, bis der Allgäuer endlich vor einem derben Stamme stehen blieb, den Spieß erhob und wie ein Löw brüllte: »Bygott! Durch muß e.« Sprach’s und rannte den Spieß mit solcher Gewalt zur Seite des Baums in den Boden, daß der Knöpflesschwab zwischen Baum und Spieß eingeklemmt wurde, wie ein Treibkeil, und sich weder rühren noch regen konnte . Und das war eben kein Kinderspiel, denn jetzt stockte der Zug vollends, konnte keiner vor- noch rückwärts. Zwar machten die Gesellen einige mächtige Versuche, den Knöpflesschwab aus der Klemme herauszuziehen, aber es war eitel Mühen: der Hans saß fest und wankte nicht. Da war es plötzlich, als ob dem Allgäuer ein großer Gedanke durch das Hirn dämmerte; er lugte um sich und rief: »]Bygott! i mießt’s Teufels sei, wenn mer Gott et helfe tät!« Und er sagte: »Hui Ochs!« und packte den Baum mit gewaltiger Faust und riß ihn heraus samt Wurzel, Stumpf und Stiel . Der Knöpflesschwab, mehr tot als lebendig, schnellte heraus just wie der Ball beim Pritschenschlagen, flog sechs Klafter himmelanwärts und plumpste hernieder, daß die Erde drob wackelte. Die fünf andern aber schauten gar ehrerbietig zu dem Allgäuer empor, denn erst jetzt ging ihnen ein Licht auf, welchen Fund sie an dem Herrn Schulz getan.

Um ein weniges weiter, zeigte sich’s abermals, daß der Allgäuer das Herz nicht im Springriemen trug, denn als die sieben sich aus den Stauden herausgefunden, kam ein Bräuer aus München des Wegs, der trieb ein Rudel Borstenvieh vor sich her, und man konnt’s ihm auf hundert Schritt ansehen, wes Landes Kind er war. Blieb groß und breit stehen, als er die sieben mit dem Spieß erblickte, und zog ein Gesicht, als wollt er die wackern Leut auslachen. Gleich war der Blitzschwab vor ihn her und fragte protzig: »Was luegscht Gsell? Hoscht du noh koan Schwohbe geseah?«

»O genug«, gab jener zurück, »bei mir daheim auf der Malzdarre laufen sie zu Tausenden herum.« Meinte spottweise die schwarzen Käfer, also geheißen, weiß keine Menschenseele warum. Das war genug, um dem Blitzschwab, der zu Zeiten giftig war wie ein Maifrosch, die Laus über den Grind laufen zu lassen. Machte sich an den Bayer heran und gab ihm flugs eine Watschel, daß jenem die Augen hell aufblitzten und die Ohren summten just eben so wie die große Hornisse. Der Bayer, nicht faul, langte mit den Armen weitmächtig aus, um dem Schwäblein auch eine zu versetzen; und es wär auch eine gewesen, an die er sein Lebtag gedacht hätte. Nun war aber der Blitzschwab ein putziges Kerlchen, drehte sich auf einem Beine siebenmal herum und hatte sein Lebtag nichts besser gelernt als das Ausreißen. So kam es, daß der Bayer gar mächtiglich in die Luft schlug, sich um und um drehte wie ein Kreisel, stolperte und zu Boden stürzte wie ein Wiesbaum. Das half ihm zum Garaus; der Blitzschwab stürzte über ihn her wie ein Queckenhamster und packte ihn an der Gurgel, während die andern Hände und Füße hielten und lustig darauf lostrommelten. Er wäre ihrer aber doch letztlich noch Herr geworden, weil er ein großer starker Kerl war, wäre nicht auch der Allgäuer über ihn hergefallen wie ein Maltersack. Da mußte er Abbitte tun, wohl oder übel, denn das Häuflein ließ nicht eher locker und ledig.

Und es geschah, daß die guten Gesellen auf ihrer Weiterreise an einen weiten blauen See kamen, so dünkte es ihnen, denn es war alleweil etwas dämmerig geworden, der schlug Wellen im Wind, und droben an seinem Abhang standen die sieben Schwaben und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten über diesen See kommen möchten. Es war aber kein Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses, der so recht in seiner schönsten blauen Blüte stand.

»Hotz Blitz!« rief der Blitzschwab, »was ischt doh z’tuan? Über des wild Wasser müßet mer nüber. «

»Allgäuer, trag du es nüber, wie der hoilich Krischdof ed Pilgersleut«, sagte der Seehaas.

»Bygott!« antwortete der Allgäuer, »ins Wasser gieng i wohl, wenn’s net tiefer gieng als an de Hals.« Der Nestelschwab griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das edle Kleidungsstück festzuhalten, daß es ihm nicht entfalle, während er mit der andern Hand schwimmen täte; dem Knöpflesschwab war das Ding gar nicht einerlei, er lugte scharf, ob kein Haifisch, Walfisch oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch die andern ganz verlegen da, bis der Blitzschwab sich hinter ihnen herumdrückte und ein Paar hinunterstieg, indem er ausrief: »Frisch gewohgt ischt halb gschwomme.« Da die nicht untersanken, faßte sich auch der Gelbfüßler ein Herz und tat einen Hupf hinunter; ihm folgten der Blitzschwab und der Nestelschwab mit besserem Vertrauen, und zuletzt ritt der Allgäuer auf dem Spieße hinab, und plumpste drunten einer auf den andern, bis sie merkten, daß sie mit der Nase ins Feld gefallen waren, und allgemach mit etwas gequetschten Rippen sich wieder aufmachten, den Spieß auffischten und an ihm wiederum fürbaß schritten. Bis zur Stunde hatten die sieben einträchtig an dem Spieße gehalten, war weder Unrecht noch Unfried zwischen ihnen vorgekommen. Da kam der böse Feind und säete Zwietracht zwischen dem Blitzschwab und dem Spiegelschwab mitten hinein. Das trug sich folgendermaßen zu. Als die Schar ein gut Stück weiter kam, war es schon Nacht und der Mond ging eben auf. Da wurde es dem Spiegelschwab wunderlich zumute, just wie daheim, und er meinte: »Jetzt hent mehrs gwonne, Meinmenge ischt nemme weit.« Lugt ihn der Blitzschwab verwundert an und fragt, wie er das wissen könne. Der Spiegelschwab lachte pfiffig: »Werd joh doch de Memmenger Mond kenne.«

Drob lachte jener, daß ihm das Wasser aus den Augen rannte, und schrie: »Hotz Blitz! Gsell, wie bischt du so blitzdumm!« Nun vertrug zwar der Spiegelschwab einen derben Puff, hatten ihn oft schon kurz und lang geheißen, aber für dumm gelten wollte er nicht. Das war so eben seine empfindliche Seite. Dies kaum gesagt, hatte der Blitzschwab daher auch schon seine Dachtel. Fuhren nun zusammen die beiden, gerade wie ein paar Metzgerhunde, und draschen sich schier um die Wette, den andern zur Kurzweil, bis endlich der Seehaas den Allgäuer bat, Frieden zu stiften. Der ließ sich nicht lange bitten, sondern packte sogleich den Blitzschwaben am Hosenbündel und hielt ihn in der Luft wie einen Frosch; er mochte zappeln, wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab nicht nach, den Blitzschwaben aufs Brett zu klopfen; daher ergriff der Allgäuer auch diesen und hielt ihn am Leibe unter der Gurgel so steif und fest, daß er bockstarr dastand und nicht mucksen konnte. »Bygott!« rief der Herr Schulz, »i will euch Mores lehre, ihr donnderschlechtige Strohlkerle.« Schüttelte den einen und drosselte den andern immer ärger und ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, daß sie wieder gut Freund sein wollten, was sie denn auch geblieben von der Zeit an bis an ihren Tod.

Es wies sich auch bald aus, daß der Spiegelschwab gar nicht so dumm gewesen wie der Blitzschwab allermeist geglaubt, denn als sie zwei Viertelstunden Weges gegangen, kamen sie richtig nach Memmingen, wie jener aus dem Monde prophezeit. Aber als ob just dieses Städtlein dem Spiegelschwaben heut nur Unglück bringen sollte, so geschah es alsbald wieder, daß es dem Armen zu Haut und Haaren ging. »Durch Memmenge ganget mer net«, hatte er gesagt, und als man ihn ob der Ursache gefragt, hatte er den Kopf geschüttelt und gemeint, er wisse das selbst am besten! Gingen deshalb rings um die Stadtmauer, die sieben, um just am andern Ende wieder die Heerstraße zu gewinnen. Aber da hat sich’s denn wiederum augenfällig gezeigt, daß der Mensch seinem Schicksal nicht entgehen könne. Denn ehe sich’s der Spiegelschwab versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in einem Ton, der durch Mark und Bein ging: »Bischt endlich wieder doh, du Schlingel? Wo bischt so lang rumkalfaktert, du Galgenstrick?« Dem Spiegelschwab wurde es grün und gelb vor den Augen, und er vermeinte, sein Ende sei gekommen, denn die Alte war niemand anders als seine liebwerte Ehehälfte, die er mir nichts dir nichts sitzengelassen, als er hinausgezogen war mit den andern Gesellen auf die Wanderschaft. Hier galt’s, nicht lange zu überlegen, war daher flugs mit einem Satze hinüber in die Hopfengärten zum großen Jubel der andern, die schier bersten wollten vor Lachen. Aber die Alte, schnell wie eine Bachstelze auf den spindeldürren Füßen, war hurtig hintendrein, und es hätte wohl einen argen Strauß gegeben zwischen den beiden, wenn dem Spiegelschwaben nicht gerade zu guter Stunde ein Schelmenstückchen eingefallen wäre. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte als das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Eilig warf er es über den Kopf, schlüpfte behend in die Tatzen und lief nun auf allen vieren, nicht anders als ein leibhaftiger Bär, rannte brummend auf die Frau zu, umfing sie mit den scharfen Krallen und drückte und herzte sie, daß ihr Hören und Sehen verging. Die Alte war froh, als sie dem Schalk entronnen, der nun freudig mit den andern von dannen zog. Von Stund an aber schreibt sich der Brauch, daß böse Männer von ihren Ehehälften gar häufig Brummbären genannt werden.

»Uf Leid folgt Freid!« rief der Allgäuer und zeigte nach dem Leutkircher Tor, wo ein Wirtshaus stand, über dessen Tür zu lesen war: »Hier schenkt man Märzenbier aus!« War keiner unter den sieben, der nicht gern einen Trunk Bier geschenkt genommen hätte, richteten daher im Nu ihre Schritte nach dem Wirtshaus und langten mit dem Spieße in der Hausflur an, in demselben Augenblick, als der dicke Bräuer vor die Tür trat, nach dem Wetter auszulugen. Als der die Schar erblickte mit dem furchtbaren Spieß, wurde es ihm eben nicht warm ums Herz, er zog aber schnell sein Käppchen und fragte höflich nach ihrem Begehr. »Se wellet e bißle sei Bier brobiere«, sagte der Allgäuer und schritt schnurstracks mit den Gesellen in die Zechstube. Da ward’s dem Wirt klar, daß die Gesandtschaft mit dem Spieße abgeschickt sei von der schwäbischen Kreisregierung, wie wohl zu Zeiten geschieht, um das Bier zu kosten und zu prüfen, ob es preiswürdig sei. Rannte daher spornstreichs in den Keller und holte ein Körble vom Besten herauf, wie er nur für sich und seine Leute gebraut. Das Körble war leer im Umsehen, das zweite in noch kürzerer Zeit, und als die sieben in weniger als zwei Stunden nahe an einen halben Eimer getrunken, meinte der Wirt, er sehe, daß es ihnen schmecke. Der Blitzschwab aber, der immer das Maul vorweg hatte, sagte: »’s kennt besser sei, wenn net z’wenig Malz und Hopfe drin wär.« »Das ist nicht wahr«, versetzte der Wirt, der ein Schalk war, »Hopfen und Malz ist nicht zu wenig darin, aber zu viel Wasser.«

Da merkte der Blitzschwab, daß er seinen Mann gefunden, trank noch ein Mäßle und sagte den Spruch, der ihm einfiel:

»In Langesalz, in Langesalz (kennt au Memmenge hoiße, sagte er) Braut mer drui Bier aus oinem Malz, Es erschte hoißet se de Kern, Des drinket d’Burgemoischter gern, Es andre hoißt es Mittelbier, Des setzt mer de gmoane Leud fir; Es dritt des hoißt Covent, Drink di potz Sapperment!«

Zogen dann allesamt fürbaß, und der Wirt in Memmingen schwört heute noch Stein und Bein, daß das Häuflein nichts anders gewesen als des Memminger Kreises Oberbierbeschauer.

»Uf Leid folgt Freid!« hatte der Allgäuer gesagt, ohne zu bedenken, daß das weise Sprüchlein umgekehrt sich noch bei weitem häufiger bewahrheitet. Es sollte nun einmal Regen und Sonnenschein auf der abenteuerlichen Fahrt der sieben Gesellen fast immer abwechseln, drum war’s eben kein Wunder, daß das arme Häuflein gar bald wieder in die Tinte geriet. Noch drehte und wirbelte es in ihren Köpfen von dem überreichlich genossenen Märzenbier, da harrte ihrer schon wieder das tückische Geschick. Zogen eben bei Kronburg vorüber, da lauschte der gestrenge Herr Junker aus dem Fenster. Mochte ihm nicht recht geheuer vorkommen mit der lustigen Schar, die auch dem Äußeren nach nicht eben allzu reputierlich einherzog. Er rief deshalb seinen Schergen und sagte: »Lug einmal nach den Landstreichern da drüben – scheint mir eine saubere Sippschaft zu sein.«

Der Scherg nahm sieben Bullenbeißer mit sich, jeder groß genug, um zur Not mit einem Bären kämpfen zu können, und stieg hinab, Jagd auf die unglücklichen Schwaben zu machen. Hatte sie bald ereilt, und da der Blitzschwab schnippisch war, wie immer, machte der Haltmichfest kurze Sache und nahm das Häuflein mit sich. Zwar wollte der Allgäuer nicht so ohne weiteres mitgehen, als aber die Hunde gar grimmig knurrten, da senkte er den Spieß mit den Ohren zugleich und trabte hintendrein. Wurden nun sämtlich vor den Junker von Kronburg geführt, der ein strenges Verhör begann. Der Seehaas machte den Sprecher für alle und erzählte getreulich: Wie in der Gegend am Bodensee ein schreckliches Tier hause, und da hätten sie sich denn als brave Landsleute und biedere Männer zusammengetan aus allen schwäbischen Gauen, um das Land vom Ungeheuer zu befreien.

Das aber glaubte der Junker nicht, sondern blieb bei seiner Meinung, sie seien Strolche und Diebsgesindel, und ließ sie in das Häusle, das ist ins Gefängnis stecken.

»So geht’s in Schnitzlebutz Heusle, Doh singet und tanzet die Meusle Und bellet die Schnecken im Heusle -«

hat der Blitzschwab im Häusle gesungen, aber ganz still, wie ein Mäusle.

Es hatte aber der Junker erst Tags zuvor, da ihn das Zipperlein plagte, den löblichen Entschluß gefaßt, ein Zuchthaus zu stiften zum Schrecken aller Gauner und Tagediebe, zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft und zur Aufklärung des gemeinen Volkes. Da kamen ihm die sieben Schwaben eben recht. Sonst war er ein gar frommer und milder Herr, der sogar seinen eigenen Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben nötig hatte, um sich selbst warm zu kleiden. Befahl daher auch, daß man den Gefangenen Nahrung reichen solle, so weit sie des bedürften. Der Spiegelschwab aber, der ihn wohl kannte und wußte, daß Schmalhans in dessen Küche und Keller hauste, legte seinen Plan darauf an, welchen er den Gesellen mitteilte. Wie also der Scherg mittags eine große Pfanne voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen, brachte, sprach der Blitzschwab zum Knöpflesschwaben: »Die ghairet wohl for di?« Der Scherg meinte, das sei wohl für alle genug. Der Knöpflesschwab aber sagte, er wolle lugen, ob’s für ihn lange, setzte sich und aß die Pfanne allein aus, so daß kein Krümchen noch Bröckchen übrigblieb. Der Scherg erschrak und lief zum Junker, meinend, man müsse für die Landstreicher eine ganze Braupfanne voll Spätzle auf einmal kochen, und das sei, dünke ihn, noch nicht genug. Da ging der Junker von und auf Kronburg in sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und der Menschheit kein so großes Opfer schuldig, daß er sich aushungern lassen sollte in seinem Schloß um einiger weniger Strolche willen. Stracks wurden die sieben in Freiheit gesetzt, nur daß ihnen der Junker noch einen Steckbrief mit auf den Weg gab, um andere Behörden und Kerkerknechte pflichtschuldigst vor des Knöpflesschwaben großer Freßsucht zu warnen.

Nach mehr als einem andern Abenteuer, das zu viel wäre zu erzählen, gelangten die Schwaben an einen großen See, und da sagte der Seehaas, der ihn gleich erkannte: »Des ischt der Bodesee.« An dessen Ufer sollte, wie die Sage ging, das gefährliche Ungeheuer hausen, welches zu bekämpfen und zu erlegen die sieben Schwaben sich bekanntlich fest vorgenommen hatten. Da sie nun des Sees ansichtig geworden und zugleich des Waldes, in dem das Ungeheuer sich aufhielt, man wußte nicht, war es ein greulicher Lindwurm oder ein feuerspeiender Drache, so fiel ihnen zumeist das Herz in die Hosen, sie machten Halt und zündeten ein Feuerlein an, auf daß der Knöpflesschwab noch zu guter Letzt (denn wer konnte wissen, ob das Untier sie nicht allesamt mit Haut und Haar verschlingen werde, mit oder ohne Spieß) eine Mahlzeit, Knöpfle oder Spätzle bereite, und sie stellten während dem Essen Todesbetrachtungen an. »Joh«, sagte der Allgäuer und seufzte recht von unten ‚rauf, »’s ischt e Sach, wenn mer bei sich so recht bedenkt, daß mer zum letzten Mohl in seim Leben z’Mittag ißt.« Und wieder seufzte er und sagte: »’s ischt e Sach! « und der Knöpflesschwab fing an, still vor sich hin zu flennen, wobei er jedoch des Essens nicht vergaß. Als aber der Allgäuer zum dritten Mal ganz erschrecklich tief seufzte und sagte: »’s ischt e Sach!« da fingen sie alle an, so erbärmlich zu flennen und zu heulen, daß es einen wilden Heiden hätte erbarmen können. Der Nestelschwab allein ließ sich das Sterben nicht zu Herzen gehen; denn, sagte er, mein Mutter hat mir oft gesagt, daß mein Stündlein gar niemals kommen würde. Heulte aber dennoch aus gutem Willen zur Gesellschaft mit. Als sie aber endlich nicht mehr konnten, fiel’s ihnen doch ein, daß es Zeit sei, ihre Schlachtordnung herzurichten; dabei gab es aber allerlei Span und Zwietracht. Der Allgäuer sagte, er sei bislang emmer der vorderscht gwe, ’s wär jetzt Zeit, daß er au emohl der henterscht sei, und es soll der Blitzschwob voran. Der meinte aber:

»Curasche han i gnueg ein Leib, aber net Leib gnueg for d’Curasche und dehs Bescht von Ongheuer.« Der Spiegelschwab wischte sich die Nase am Ärmel und tat den Vorschlag, es solle doch wohl besser sein, wenn einer für alle sterbe, und meinte, der Knöpflesschwab könne ihnen diesen kleinen Gefallen tun; der aber schrie Zetermordio, als habe ihn das Ungeheuer schon am Schlafittich. Und so sprachen und stritten sie noch eine Weile hin und her, bis sie sich friedsam einigten und hurtiglich mit ihrem Spieße vorwärts schritten, gerade auf den Wald zu, wo das Untier hausen sollte. Ehe sie den erreichten, kamen sie an einen Rain davor, da saß ein Has und machte ein Männlein und streckte die langen Löffel in die Höh; das war den Schwaben grauentlich anzuschauen, sie hemmten darum ihren Schritt, hielten Rat und besannen sich, ob sie vorwärts rücken und aufs Untier einrücken sollten mit lang vorgestrecktem Spieß, oder ob sie sich zur Flucht wenden sollten; doch hielt jeder fest am Spieß. Da nun der Veitle hinten am meisten in Numero Sicher war, schwoll ihm der Kamm, und er schrie dem Schulzen zu, der vorne stand:

»Stoßt zue in älter Schwobe Name, Sonscht wünscht i, daß ihr möcht erlahme!«

Der Hans, des Veitle Gehlfießlers Vordermann, Knöpflesschwab, spottete der Curasche des Veitle, indem er sagte:

»Beim Element, du hoscht guat schwätze, Du bischt der letscht beim Drachahetze!«

Dem Michel sträubte die Herzhaftigkeit das Haar empor, er blickte gar nicht hin nach dem Ungeheuer, sondern sprach mit abgewandtem Gesicht, indem er den Ärmel seinem Gesicht näherte:

»Es wird net fehle um a Hoar, So ist es wohl der Teufel gar!«

Jergle lugte dem Michel ins Gesicht und schauete auch gar nicht hin nach dem Bescht von Ungeheuer, indem er zaghaft beistimmte:

»Blitz! Ischt er’s net, so ischt’s sei Muedder, Oder’s Teufels sei Stiefbrueder!«

Dem Marle Nestelschwab, der sich schon ziemlich weit vorn am Spieß befand, daran die Schwaben gingen, gefiel sein Platz nicht, und er hatte einen guten Einfall; er kehrte sich auch um, da er nicht für nötig fand, das Ungeheuer anzusehen, und rief dem Veit zu:

»Gang, Veitle, gang, gang du vorahn, I will dohente for di stahn!«

Veitle drückte aber seine Ohren auf und tat, als hörte er nicht, worauf der Marle zu Jockele sagte:

»Gang, Jockele, gang, gang du vorahn Du hoscht Sporn und Stiefel ahn, Daß di der Drach net beiße kahn!«

Aber Jockele fand seinen Trost. darinnen, daß der Allgäuer an der Spitze des Spießes der sieben Schwaben und des zu bestehenden Abenteuers stand, und sagte:

»Der Schulz, der mueß der erschte sei, Denn ehm gebiehrt die Ehr allei.«

Schulz Allgäuer faßte sich ein Herz und sprach mutig, da es nun einmal in die unvermeidliche Gefahr ging:

»So zieht denn herzhaft in de Streit, Dohran erkennt mer tapfre Leut.«

Und so ging es in Gottes Namen und im Sturmschritt auf das Ungeheuer los, und als dem Schulzen das Herz pfupferte, konnte er sich seiner Angst nicht erwehren und schrie: »Hau huelhau! Hau, hauhau!« Da erschrak der Has und gab spornstreichs Fersengeld querfeldein, und lief, was er laufen konnte. Jetzt rief Schulz Allgäuer freudiglich:

»Potz Veitle, luag, luag, was ischt das? Es Ohngeheuer ischt noh e Haas!«

»Hoschts gsehe? Hoschts gsehe?« fragten sich nun die andern untereinander. »Hotz Blitz! E Ding wie ne Kalb!« rief der Blitzschwab.

Der Nestelschwab tat seinen größten Fluch: »Mit Verlaub! Daß dih es Meusle beiß‘! E Tier wie ne Mastochs!«

»Oho!« rief der Knöpflesschwab: »En Elefand ischt noh e Katz gegen des Ohntier.«

»Bygott!« erwiderte der Allgäuer, »wenn des koa Haas gweh ischt, noh woiß i de Dreimänner-Wei vom Racheputzer net z‘ unterscheide!«

»Noh, Noh!« vermittelte der Seehaas: »Haas her! Haas hen! E Seehaas ischt halt greßer und gremmiger als älle Haase im heilige remische Reich.«

»Wie der Seewei seurer und herber als älle Wei im heilige remische Reich«, sagte hinten der Gehlfüßler, und über diese Anzüglichkeit hätte ihm der Seehaas fast ein paar Watscheln gegeben, denn es kränkte ihn schwer, daß der Veitle über den Seewein spottete, der ihm von Kindesbeinen an geschmeckt. Mit den Seeweinen verhält es sich aber also: es gibt ihrer drei Arten, zum ersten der Sauerampfer, schmeckt nur ein weniges besser als Essig und verzieht das Maul nur ein bißchen, zumal wenn man sich daran gewöhnt hat. Die zweite Gattung ist Dreimännerwein geheißen, steht im Geschmack nach zehn Grad unter Essig und wurde so getauft, weil man behauptet, daß derjenige, so ihn zu trinken verurteilt, von zweien gehalten werden muß, während ihn ein dritter eingießt. Die dritte Sorte ist der Rachenputzer, hat die rühmliche Eigenschaft, daß er Schleim und alles andere abführt, tut aber dabei not, daß wer sich mit dem Wein im Leib schlafen legt, in der Nacht sich wecken lasse, damit er sich umkehren möge, sonst möchte ihm der Rachenputzer ein Loch in den Magen fressen.

Da nun das Abenteuer mit dem Ungeheuer von den sieben Schwaben so glückhaft bestanden war, so wurden sie eins, nunmehr von ihren Taten auszuruhen und wieder friedlich heimzuziehen. Zuvor aber tat not, ein Siegeszeichen zu errichten, das der Mit- und Nachwelt ihren Triumph auf ewige Zeiten vermeide. Da nun unmöglich war, wie vor Zeiten tapfere Ritter getan, die Drachenhaut in einer Kirche aufzuhängen, dieweil kein Drache sein Fell zu Markte getragen und der Has in seinem Balg wohlbehalten entkommen war, so wurden die guten Gesellen dahin eins, ihr Bärenfell und ihren Spieß als eine Trophäe in die nächstgelegene Kapelle zu stiften, die hieß man hernach die Kapell zum schwäbischen Heiland. Dort wird wohl der Spieß noch hängen, das Bärenfell aber haben die Motten verzehrt, und die Sperlinge haben die Haare in ihre Nester getragen .

Vom Schwaben, der das Leberlein gefressen

Als unser lieber Herr und Heiland noch auf Erden wandelte, von einer Stadt zur andern, das Evangelium predigte und viele Zeichen tat, kam zu ihm auf eine Zeit ein guter einfältiger Schwab und fragte ihn: »Mein Leiden-Gesell, wo willt du hin?«

Da antwortete ihm unser Herrgott: »Ich ziehe um und mache die Leute selig.«

So sagte der Schwab: »Willt du mich mit dir lassen?«

»Ja«, antwortete unser Herrgott, »wenn du fromm sein willst und weidlich beten.«

Das sagte der Schwab zu. Als sie nun miteinander gingen, kamen sie zwischen zwei Dörfer, darinnen läutete man. Der Schwab, der gern schwätzte, fragte unsern Herrgott: »Mein Leiden-Gesell, was läutet man da?«

Unser Heiland, dem alle Dinge wissend waren, antwortete: »In dem einen Dorfe läutet man zu einer Hochzeit, in dem andern zum Begängnis eines Toten.«

»Gang du zum Toten!« sprach der Schwab, »so will ich zur Hochzeit gehn.«

Darauf ging unser Herrgott in das Dorf und machte den Toten wieder lebendig, da schenkte man ihm hundert Gulden. Der Schwab tät sich auf der Hochzeit um, half einschenken, einem Gast um den andern und auch sich selbst, und als die Hochzeit zu Ende war, da schenkte man ihm einen Kreuzer. Das war der Schwab wohl zufrieden, machte sich auf den Weg und kam wieder zu unserm Herrgott.

Alsbald, wie der Schwab diesen von weitem sahe, hub er sein Kreuzerlein in die Höhe und schrie: »Lug, mein Leiden-Gesell! Ich hab Geld; was hast denn du?« Trieb also viel Prahlens mit seinem Kreuzerlein.

Unser Herrgott lachet seiner und sprach: »Ach, ich hab wohl mehr als du!« tät den Sack auf und ließ den Schwaben die hundert Gulden sehen.

Der aber war nicht unbehend, warf geschwind sein armes Kreuzerlein unter die hundert Gulden und rief: »Gemein, gemein! Wir wollen alles gemein miteinander haben!« Das ließ unser Herrgott gut sein.

Nun als sie weiter miteinander gingen, begab es sich, daß sie zu einer Herde Schafe kamen, da sagte unser Herrgott zum Schwaben: »Gehe, Schwab, zu dem Hirten, heiße ihn uns ein Lämmlein zu geben, und koche uns das Gehänge oder Geräusch zu einem Mahle.«

»Ja!« sagte der Schwab, tat, wie ihm der Herr geheißen, ging zum Hirten, ließ sich ein Lämmlein geben, zog’s ab und bereitete das Gehänge zum Essen. Und im Sieden da schwamm das Leberlein stets empor; der Schwab drückt’s mit dem Löffel unter, aber es wollte nicht unten bleiben, das verdroß den Schwaben über alle Maßen. Nahm deshalb ein Messer, schnitt das Leberlein, dieweil es gar war, voneinander und aß es. Und als nun das Essen auf den Tisch kam, da fragte unser Herrgott, wo denn das Leberlein hingekommen wär? Der Schwab aber war gleich mit der Antwort bei der Hand, das Lämmlein habe keines gehabt.

»Ei!« sagte unser Herrgott, »wie wollte es denn gelebt haben, ohne ein Leberlein?«

Da verschwur sich der Schwab hoch und teuer: »Es hat bei Gott und allen Gottes-Heiligen keines gehabt!« Was wollte unser Herrgott tun? Wollte er haben, daß der Schwab still schwieg, mußte er wohl zufrieden sein.

Nun begab es sich, daß sie wiederum miteinander spazierten, und da läutete es abermals in zwei Dörfern. Der Schwab fragte: »Lieber, was läutet man da?«

»In dem Dorf läutet man zu einem Toten, in dem andern zur Hochzeit«, sagte unser Herrgott.

»Wohl!« sprach der Schwab. »Jetzt gang du zur Hochzeit, so will ich zum Toten!« (Vermeinte, er wolle auch hundert Gulden verdienen). Fragte den Herrn weiter: »Lieber, wie hast du getan, daß du den Toten auferwecket hast?«

»Ja«, antwortete der Herr, »ich sprach zu ihm, steh auf im Namen des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes! Da stand er auf.«

»Schon gut, schon gut!« rief der Schwab, »nun weiß ich’s wohl zu tun!« und zog zum Dorfe, wo man ihm den Toten entgegentrug. Als der Schwab das sahe, rief er mit heller Stimme: »Halt da! Halt da! Ich will ihn lebendig machen, und wenn ich ihn nit lebendig mache, so henkt mich ohne Urteil und Recht.«

Die guten Leute waren froh, verhießen dem Schwaben hundert Gulden und setzten die Bahre, darauf der Tote lag, nieder. Der Schwab tät den Sarg auf und fing an zu sprechen: »Steh auf im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit!« Der Tote aber wollte nicht aufstehen. Dem Schwaben ward angst, er sprach seinen Segen zum andern und zum dritten Mal, als aber jener Tote sich nicht erhob, so rief er voll Zorn: »Ei so bleib liegen in tausend Teufel Namen!« Als die Leute diese gottlose Rede hörten und sahen, daß sie von dem Gecken betrogen waren, ließen sie den Sarg stehen, faßten den Schwaben und eileten demnächst mit ihm dem Galgen zu, warfen die Leiter an und führten den Schwaben hinauf.

Unser Herrgott zog fein gemachsam seine Straße heran, da er wohl wußte, wie es dem Schwaben ergehen werde, wollte doch sehen, wie er sich stellen würde, kam nun zum Gericht und rief: »O guter Gesell, was hast du doch getan? In welcher Gestalt erblick ich dich?« Der Schwab war blitzwild und begann zu schelten, der Herr hätte ihn den Segen nicht recht gelehrt. »Ich habe dich recht belehrt«, sprach der Herr. »Du aber hast es nicht recht gelernt und getan, doch dem sei, wie ihm wolle. Willst du mir sagen, wo das Leberlein hinkommen ist, so will ich dich erledigen!«

»Ach!« sagte der Schwab, »das Lämmlein hat wahrlich kein Leberlein gehabt! Wes zeihest du mich?«

»Ei, du willst’s nur nicht sagen!« sprach der Herr. »Wohlan, bekenn es, so will ich den Toten lebendig machen !«

Der Schwab aber fing an zu schreien: »Henket mich, henket mich! So komm ich der Marter ab. Der will mich zwingen mit dem Leberlein und hört doch wohl, daß das Lämmlein kein Leberlein gehabt hat! Henket mich nur stracks und flugs!«

Wie solches unser Herrgott hörte, daß sich der Schwab eher wollt henken lassen, als die Wahrheit gestehen, befahl er, ihn herabzulassen, und machte nun selbst den Toten lebendig.

Als sie nun miteinander wieder von dannen zogen, sprach unser Herrgott zum Schwaben: »Komm her, wir wollen mit einander das gewonnene Geld teilen und dann voneinander scheiden, denn wenn ich dich allewege und überall sollte vom Galgen erledigen, würde mir das zuviel.« Nahm also die zweihundert Gulden und teilte sie in drei Teile.

Als solches der Schwab sahe, fragte er: »Ei, Lieber, warum machst du drei Teile, so doch unsrer nur zween sind?«

»Ja«, antwortete unser lieber Herrgott, »der eine Teil, der ist mein; der andere Teil, der ist dein, und der dritte Teil, der ist dessen, der das Leberlein gefressen hat!«

Als der Schwab solches hörte, rief er fröhlich aus: »So hab ich’s bei Gott und allen lieben Gottes-Heiligen doch gefressen!« Sprach’s und strich auch den dritten Teil ein und nahm also Urlaub von unserm lieben Herrgott.