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So erziehst du starke Kinder
Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte ihnen ihre Rätsel vorlegen; es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, dass man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin: „Ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?“ – „Wenn’s weiter nichts ist,“ sagte der erste, „es wird schwarz und weiss sein wie Tuch, das man Kümmel und Salz nennt.“ Die Prinzessin sprach: „Falsch geraten, antworte der zweite!“ Da sagte der zweite: „Ist’s nicht schwarz und weiss, so ist’s braun und rot, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.“ – „Falsch geraten,“ sagte die Prinzessin, „antworte der dritte, dem seh ich’s an, der weiss es sicherlich.“ Da trat das Schneiderlein keck hervor und sprach: „Die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blass und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte fest geglaubt, das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie: „Damit hast du mich noch nicht gewonnen; du musst noch eins tun. Unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen; wenn ich dann morgen aufstehe und du bist noch lebendig, so sollst du mich heiraten.“ Sie dachte aber, damit wollte sie das Schneiderlein loswerden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein liess sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt und sprach: „Frisch gewagt ist halb gewonnen.“
Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht. Der Bär wollte auch gleich auf den kleinen Kerl los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. „Sachte, sachte,“ sprach das Schneiderlein, „ich will dich schon zur Ruhe bringen.“ Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen, welsche Nüsse aus der Tasche, biss sie auf und ass die Kerne. Wie der Bär das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Handvoll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beissen, wie er wollte. Ei, dachte er, was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeissen, und sprach zum Schneiderlein: „Mein, beiss mir die Nüsse auf!“ – „Da siehst du, was du für ein Kerl bist,“ sprach das Schneiderlein, „hast so ein grosses Maul und kannst die kleine Nuss nicht aufbeissen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuss in den Mund und knack! war sie entzwei. „Ich muss das Ding noch einmal probieren,“ sprach der Bär, „wenn ich’s so ansehe, ich mein, ich müsst’s auch können.“ Da gab ihm das Schneiderlein abermals Wackersteine, und der Bär arbeitete und biss aus allen Leibeskräften hinein. Aber du glaubst auch nicht, dass er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär die Musik vernahm, konnte er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, dass er zum Schneiderlein sprach: „Hör, ist das Geigen schwer?“ – „Kinderleicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da geht’s lustig, hopsasa, vivallalera!“ – „So geigen,“ sprach der Bär, „das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte, so oft ich Lust hätte. Was meinst du dazu? Willst du mir Unterricht darin geben?“ – „Von Herzen gern,“ sagte das Schneiderlein, „wenn du Geschick dazu hast. Aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muss dir die Nägel ein wenig abschneiden.“ Da ward ein Schraubstock herbeigeholt, und der Bär legte seine Tatzen darauf; das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach: „Nun warte, bis ich mit der Schere komme!“ liess den Bären brummen, soviel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein.
Die Prinzessin, als sie am Abend den Bären so gewaltig brummen hörte, glaubte nicht anders, als er brummte vor Freuden und hätte dem Schneider den Garaus gemacht. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnügt auf; wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sie’s öffentlich versprochen hatte, und der König liess einen Wagen kommen, darin musste sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermählt werden. Wie sie eingestiegen waren, gingen die beiden anderen Schneider, die ein falsches Herz hatten und ihm sein Glück nicht gönnten, in den Stall und schraubten den Bären los. Der Bär in voller Wut rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hörte ihn schnauben und brummen. Es ward ihr angst, und sie rief: „Ach, der Bär ist hinter uns und will dich holen!“ Das Schneiderlein war fix, stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief: „Siehst du den Schraubstock? Wann du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.“ Wie der Bär das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche, und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut, und er lebte mit ihr vergnügt wie eine Heidlerche. Wer’s nicht glaubt, bezahlt einen Taler.