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Prinzessin Mäusehaut

Ein König hatte drei Töchter; da wollte er wissen, welche ihn am liebsten hätte, liess sie vor sich kommen und fragte sie. Die älteste sprach, sie habe ihn lieber als das ganze Königreich; die zweite, als alle Edelsteine und Perlen auf der Welt; die dritte aber sagte, sie habe ihn lieber als das Salz. Der König ward aufgebracht, dass sie ihre Liebe zu ihm mit einer so geringen Sache vergleiche, übergab sie einem Diener und befahl, er solle sie in den Wald führen und töten. Wie sie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener um ihr Leben; dieser war ihr treu und würde sie doch nicht getötet haben, er sagte auch, er wolle mit ihr gehen und ganz nach ihren Befehlen tun. Die Prinzessin verlangte aber nichts als ein Kleid von Mausehaut, und als er ihr das geholt, wickelte sie sich hinein und ging fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benachbarten Königs, gab sich für einen Mann aus und bat den König, dass er sie in seine Dienste nehme. Der König sagte es zu, und sie solle bei ihm die Aufwartung haben. Abends musste sie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf. Einmal fragte er, woher sie sei. „Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft.“ Der König ward da aufmerksam, endlich brachten ihm die andern Diener einen Ring; Mausehaut habe ihn verloren, der sei zu kostbar, den müsse er gestohlen haben. Der König liess Mausehaut vor sich kommen und fragte, woher der Ring sei. Da konnte sich Mausehaut nicht länger verbergen, sie wickelte sich von der Mausehaut los, ihre goldgelben Haare quollen hervor, und sie trat heraus, so schön, aber auch so schön, dass der König gleich die Krone von seinem Kopf abnahm und ihr aufsetzte und sie für seine Gemahlin erklärte.

Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mausehaut eingeladen, der glaubte, seine Tochter sei schon längst tot, und erkannte sie nicht wieder. Auf der Tafel aber waren alle Speisen, die ihm vorgesetzt wurden, ungesalzen, da ward er ärgerlich und sagte: „Ich will lieber nicht leben als solche Speise essen!“ Wie er das Wort ausgesagt, sprach die Königin zu ihm: „Jetzt wollt Ihr nicht leben ohne Salz, und doch habt Ihr mich einmal wollen töten lassen, weil ich sagte, ich hätte Euch lieber als Salz!“ Da erkannt er seine Tochter und küsste sie und bat sie um Verzeihung, und es war ihm lieber als sein Königreich und alle Edelsteine der Welt, dass er sie wieder gefunden.

Der Okerlo

Eine Königin setzte ihr Kind in einer goldenen Wiege aufs Meer und liess es fort schwimmen; es ging aber nicht unter, sondern schwamm zu einer Insel, da wohnten lauter Menschenfresser. Wie nun so die Wiege geschwommen kam, stand gerade die Frau des Menschenfressers am Ufer, und als sie das Kind sah, welches ein wunderschönes Mädchen war, beschloss sie, es grosszuziehen für ihren Sohn, der sollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte sie grosse Not damit, dass sie es sorgfältig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo, versteckte, denn hätte er es zu Gesicht bekommen, so wäre es mit Haut und Haar aufgefressen worden.

Als nun das Mädchen gross geworden war, sollte es mit dem jungen Okerlo verheiratet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden und weinte den ganzen Tag. Wie es so einmal am Ufer sass, da kam ein junger, schöner Prinz geschwommen, der gefiel ihm, und es gefiel ihm auch, und sie versprachen sich miteinander; indem aber kam die alte Menschenfresserin, die wurde gewaltig bös, dass sie den Prinzen bei der Braut ihres Sohnes fand, und kriegte ihn gleich zu packen: „Wart nun, du sollst zu meines Sohnes Hochzeit gebraten werden!“

Der junge Prinz, das Mädchen und die drei Kinder des Okerlo schliefen aber alle in einer Stube zusammen; wie es nun Nacht wurde, kriegte der alte Okerlo Lust nach Menschenfleisch und sagte: „Frau, ich habe nicht Lust, bis zur Hochzeit zu warten, gib mir den Prinzen nur gleich her!“ Das Mädchen aber hörte alles durch die Wand, stand geschwind auf, nahm dem einen Kind des Okerlo die goldene Krone ab, die es auf dem Haupte trug, und setzte sie dem Prinzen auf. Die alte Menschenfresserin kam gegangen, und weil es dunkel war, so fühlte sie an den Häuptern, und das, welches keine Krone trug, brachte sie dem Mann, der es augenblicklich aufass. Indessen wurde dem Mädchen himmelangst, es dachte: „Bricht der Tag an, so kommt alles heraus, und es wird uns schlimm gehen.“ Da stand es heimlich auf und holte einen Meilenstiefel, eine Wünschelrute und einen Kuchen mit einer Bohne, die auf alles Antwort gab.

Nun ging sie mit dem Prinzen fort, sie hatten den Meilenstiefel an, und mit jedem Schritt machten sie eine Meile. Zuweilen trugen sie die Bohne:

„Bohne, bist du auch da?“

„Ja,“ sagte die Bohne, „da bin ich, eilt euch aber, denn die alte Menschenfresserin kommt nach im andern Meilenstiefel, der dort geblieben ist!“ Da nahm das Mädchen die Wünschelrute und verwandelte sich in einen Schwan, den Prinzen in einen Teich, worauf der Schwan schwimmt. Die Menschenfresserin kam und lockte den Schwan ans Ufer, allein es gelang ihr nicht, und verdriesslich ging sie heim. Das Mädchen und der Prinz setzten ihren Weg fort:

„Bohne, bist du da?“

„Ja,“ sprach die Bohne, „hier bin ich, aber die alte Frau kommt schon wieder, der Menschenfresser hat ihr gesagt, warum sie sich habe anführen lassen.“ Da nahm das Mädchen den Stab und verwandelte sich und den Prinzen in eine Staubwolke, wodurch die Frau Okerlo nicht dringen kann, also kehrte sie unverrichteter Sache wieder um, und die andern setzten ihren Weg fort.

„Bohne, bist du da?“

„Ja, hier bin ich, aber ich sehe die Frau Okerlo noch einmal kommen, und gewaltige Schritte macht sie.“ Das Mädchen nahm zum dritten Mal den Wünschelstab und verwandelte sich in einen Rosenstock und den Prinzen in eine Biene, da kam die alte Menschenfresserin, erkannte sie in dieser Verwandelung nicht und ging wieder heim.

Allein nun konnten die zwei ihre menschliche Gestalt nicht wieder annehmen, weil das Mädchen das letzte Mal in der Angst den Zauberstab zu weit weggeworfen; sie waren aber schon so weit gegangen, dass der Rosenstock in einem Garten stand, der gehörte der Mutter des Mädchens. Die Biene sass auf der Rose, und wer sie abbrechen wollte, den stach sie mit ihrem Stachel. Einmal geschah es, dass die Königin selber in ihren Garten ging und die schöne Blume sah, worüber sie sich so verwunderte, dass sie sie abbrechen wollte. Aber Bienchen kam und stach sie so stark in die Hand, dass sie die Rose musste fahren lassen, doch hatte sie schon ein wenig eingerissen. Da sah sie, dass Blut aus dem Stängel quoll, liess eine Fee kommen, damit sie die Blume entzauberte. Da erkannte die Königin ihre Tochter wieder und war von Herzen froh und vergnügt. Es wurde aber eine grosse Hochzeit angestellt, eine Menge Gäste gebeten, die kamen in prächtigen Kleidern, tausend Lichter flimmerten im Saal, und es wurde gespielt und getanzt bis zum hellen Tag.

„Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?“ – „Jawohl, bin drauf gewesen:

mein Kopfputz war von Butter, da kam ich in die Sonne,
und er ist mir abgeschmolzen;
mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich durch Dornen,
die rissen es mir ab;
meine Pantoffel waren von Glas, da trat ich auf einen Stein,
da sprangen sie entzwei.“

Hurleburlebutz

Ein König verirrte sich auf der Jagd, da trat ein kleines weisses Männchen vor ihn: „Herr König, wenn Ihr mir Eure jüngste Tochter geben wollt, so will ich Euch wieder aus dem Wald führen.“ Der König sagte es in seiner Angst zu, das Männchen brachte ihn auf den Weg, nahm dann Abschied und rief noch nach: „In acht Tagen komm ich und hol meine Braut.“ Daheim aber war der König traurig über sein Versprechen, denn die jüngste Tochter hatte er am liebsten; das sahen ihm die Prinzessinnen an und wollten wissen, was ihm Kummer mache. Da musst er’s endlich gestehen, er habe die jüngste von ihnen einem kleinen weissen Waldmännchen versprochen, und das komme in acht Tagen und hole sie ab. Sie sprachen aber, er solle gutes Muts sein, das Männchen wollten sie schon anführen. Darnach, als der Tag kam, kleideten sie eine Kuhhirtstochter mit ihren Kleidern an, setzten sie in ihre Stube und befahlen ihr: „Wenn jemand kommt und will dich abholen, so gehst du mit!“ Sie selber aber gingen alle aus dem Hause fort. Kaum waren sie weg, so kam ein Fuchs in das Schloss und sagte zu dem Mädchen: „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hur- leburlebutz! hinaus in den Wald!“ Das Mädchen setzte sich dem Fuchs auf den Schwanz, und so trug er es hinaus in den Wald; wie sie aber auf einen schönen grünen Platz kamen, wo die Sonne recht hell und warm schien, sagte der Fuchs: „Steig ab und laus mich!“ Das Mädchen gehorchte, der Fuchs legte seinen Kopf auf ihren Schoss und ward gelaust; bei der Arbeit sprach das Mädchen: „Gestern um die Zeit war’s doch schöner in dem Wald!“ – „Wie bist du in den Wald gekommen?“ fragte der Fuchs. „Ei, da hab ich mit meinem Vater die Kühe gehütet.“ – „Also bist du nicht die Prinzessin! Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! zurück in das Schloss!“ Da trug sie der Fuchs zurück und sagte zum König: „Du hast mich betrogen, das ist eine Kuhhirtstochter, in acht Tagen komm ich wieder und hol mir deine.“ Am achten Tage aber kleideten die Prinzessinnen eine Gänsehirtstochter prächtig an, setzten sie hin und gingen fort. Da kam der Fuchs wieder und sprach: „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Wie sie in dem Wald auf den sonnigen Platz kamen, sagte der Fuchs wieder: „Steig ab und laus mich!“ Und als das Mädchen den Fuchs lauste, seufzte es und sprach: „Wo mögen jetzt meine Gänse sein!“ – „Was weisst du von Gänsen?“ – „Ei, die hab ich alle Tage mit meinem Vater auf die Wiesen getrieben.“ – „Also bist du nicht des Königs Tochter! Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! zurück in das Schloss!“ Der Fuchs trug sie zurück und sagte zum König: „Du hast mich wieder betrogen, das ist eine Gänsehirtstochter, in acht Tagen komm ich noch einmal, und wenn du mir dann deine Tochter nicht gibst, so soll dir’s übel gehen.“ Dem König ward Angst, und wie der Fuchs wieder kam, gab er ihm die Prinzessin. „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Da musste sie auf dem Schwanz des Fuchses hinausreiten, und als sie auf den Platz im Sonnenschein kamen, sprach er auch zu ihr: „Steig ab und laus mich!“ Als er ihr aber seinen Kopf auf den Schoss legte, fing die Prinzessin an zu weinen und sagte: „Ich bin eines Königs Tochter und soll einen Fuchs lausen, sass ich jetzt daheim in meiner Kammer, so könnt ich meine Blumen im Garten sehen!“ Da hörte der Fuchs, dass er die rechte Braut hatte, verwandelte sich in das kleine weisse Männchen, und das war nun ihr Mann, bei dem musst sie in einer kleinen Hütte wohnen, ihm kochen und nähen, und es dauerte eine gute Zeit. Das Männchen aber tat ihr alles zuliebe.

Einmal sagte das Männchen zu ihr: „Ich muss fortgehen, aber es werden bald drei weisse Tauben geflogen kommen, die werden ganz niedrig über die Erde hinstreifen, davon fang die mittelste, und wenn du sie hast, schneid ihr gleich den Kopf ab, hüt dich aber, dass du keine andere ergreifst als die mittelste, sonst entsteht ein gross Unglück daraus.“ Das Männchen ging fort; es dauerte auch nicht lang, so kamen drei weisse Tauben dahergeflogen. Die Prinzessin gab acht, ergriff die mittelste, nahm ein Messer und schnitt ihr den Kopf ab. Kaum aber lag der auf dem Boden, so stand ein schöner junger Prinz vor ihr und sprach: „Mich hat eine Fee verzaubert, sieben Jahr lang sollt ich meine Gestalt verlieren und sodann als eine Taube an meiner Gemahlin vorbeifliegen, zwischen zwei ändern, da müsse sie mich fangen und mir den Kopf abhauen, und fange sie mich nicht oder eine unrechte und ich sei einmal vorbeigeflogen, so sei alles vorbei und keine Erlösung mehr möglich; darum hab ich dich gebeten, ja recht achtzuhaben, denn ich bin das graue Männlein und du meine Gemahlin.“ Da war die Prinzessin vergnügt, und sie gingen zusammen zu ihrem Vater, und als der starb, erbten sie das Reich.

Hans Dumm

Es war ein König, der lebte mit seiner Tochter, die sein einziges Kind war, vergnügt. Auf einmal aber brachte die Prinzessin ein Kind zur Welt, und niemand wusste, wer der Vater war; der König wusste lang nicht, was er anfangen sollte, am Ende befahl er, die Prinzessin solle mit dem Kind in die Kirche gehen, da sollte ihm eine Zitrone in die Hand gegeben werden, und wem es die reiche, solle der Vater des Kinds und Gemahl der Prinzessin sein. Das geschah nun, doch war der Befehl gegeben, dass niemand als schöne Leute in die Kirche sollten eingelassen werden. Es war aber in der Stadt ein kleiner, schiefer und buckelichter Bursch, der nicht recht klug war und darum der Hans Dumm hiess, der drängte sich ungesehen zwischen den ändern auch in die Kirche, und wie das Kind die Zitrone austeilen sollte, so reichte es sie dem Hans Dumm. Die Prinzessin war erschrocken, der König war so aufgebracht, dass er sie und das Kind mit dem Hans Dumm in eine Tonne stecken und aufs Meer setzen liess. Die Tonne schwamm bald fort, und wie sie allein auf dem Meere waren, klagte die Prinzessin und sagte: „Du garstiger, buckelichter, naseweiser Bub bist an meinem Unglück schuld, was hast du dich in die Kirche gedrängt, das Kind ging dich nichts an.“ – „O ja,“ sagte Hans Dumm, „das ging mich wohl etwas an, denn ich habe es einmal gewünscht, dass du ein Kind bekämst, und was ich wünsche, das trifft ein.“ – „Wenn das wahr ist, so wünsch uns doch was zu essen hierher.“ – „Das kann ich auch,“ sagte Hans Dumm, wünschte sich aber eine Schüssel recht voll Kartoffel, die Prinzessin hätte gern etwas Besseres gehabt, aber weil sie so hungrig war, half sie ihm die Kartoffel essen. Nachdem sie satt waren, sagte Hans Dumm: „Nun will ich uns ein schönes Schiff wünschen!,“ und kaum hatte er das gesagt, so sassen sie in einem prächtigen Schiff, darin war alles zum Überfluss, was man nur verlangen konnte. Der Steuermann fuhr grad ans Land, und als sie ausstiegen, sagte Hans Dumm: „Nun soll ein Schloss dort stehen!“ Da stand ein prächtiges Schloss, und Diener in Goldkleidern kamen und führten die Prinzessin und das Kind hinein, und als sie mitten in dem Saal waren, sagte Hans Dumm: „Nun wünsch ich, dass ich ein junger und kluger Prinz werde!“ Da verlor sich sein Buckel, und er war schön und gerad und freundlich, und er gefiel der Prinzessin gut und ward ihr Gemahl.

So lebten sie lange Zeit vergnügt; da ritt einmal der alte König aus, verirrte sich und kam zu dem Schloss. Er verwunderte sich darüber, weil er es noch nie gesehen, und kehrte ein. Die Prinzessin erkannte gleich ihren Vater, er aber erkannte sie nicht, er dachte auch, sie sei schon längst im Meer ertrunken. Sie bewirtete ihn prächtig, und als er wieder nach Haus wollte, steckte sie ihm heimlich einen goldenen Becher in die Tasche. Nachdem er aber fortgeritten war, schickte sie ein paar Reuter nach, die mussten ihn anhalten und untersuchen, ob er den goldenen Becher nicht gestohlen, und wie sie ihn in seiner Tasche fanden, brachten sie ihn mit zurück. Er schwur der Prinzessin, er habe ihn nicht gestohlen und wisse nicht, wie er in seine Tasche gekommen sei, „darum,“ sagte sie, „muss man sich hüten, jemand gleich für schuldig zu halten,“ und gab sich als seine Tochter zu erkennen. Da freute sich der König, und sie lebten vergnügt zusammen, und nach seinem Tod ward Hans Dumm König.

Die wunderliche Gasterei

Auf eine Zeit lebte eine Blutwurst und eine Leberwurst in Freundschaft, und die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Wie es Essenszeit war, ging die Leberwurst auch ganz vergnügt zu der Blutwurst, als sie aber in die Hausthüre trat, sah sie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder Stiege der Treppe, deren viele waren, immer etwas anderes, da war etwa ein Besen und eine Schippe, die sich miteinander schlugen, dann ein Affe mit einer grossen Wunde am Kopf und dergleichen mehr.

Die Leberwurst war ganz erschrocken und bestürzt darüber, doch nahm sie sich ein Herz, trat in die Stube und wurde von der Blutwurst freundschaftlich empfangen. Die Leberwurst hub an, sich nach den seltsamen Dingen zu erkundigen, die draussen auf der Treppe wären, die Blutwurst that aber, als hörte sie es nicht, oder als sei es nicht der Mühe werth davon zu sprechen, oder sie sagte etwa von der Schippe und dem Besen: „Es wird meine Magd gewesen seyn, die auf der Treppe mit jemand geschwätzt hat,“ und brachte die Rede auf etwas anderes.

Die Blutwurst ging darauf hinaus und sagte, sie müsse in der Küche nach dem Essen sehen, ob alles ordentlich angerichtet werde, und nichts in die Asche geworfen. Wie die Leberwurst derweil in der Stube auf und abging und immer die wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam jemand, ich weiss nicht, wers gewesen ist, herein und sagte: „Ich warne dich, Leberwurst, du bist in einer Blut- und Mörderhöhle, mach dich eilig fort, wenn dir dein Leben lieb ist.“ Die Leberwurst besann sich nicht lang, schlich zur Thür hinaus und lief, was sie konnte; sie stand auch nicht eher still, bis sie aus dem Haus mitten auf der Strasse war. Da blickte sie sich um, und sah die Blutwurst oben im Bodenloch stehen mit einem langen, langen Messer, das blinkte, als wärs frisch gewetzt, und damit drohte sie, und rief herab: „Hätt ich dich, so wollt ich dich!“

Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhütlein und dem Horn

Es waren drei Brüder aus dem Schwarzenfelsischen, von Haus sehr arm, die reisten nach Spanien, da kamen sie an einen Berg, der ganz von Silber umgeben war. Der älteste Bruder machte sich bezahlt, nahm so viel, als er nur tragen konnte, und ging mit seiner Beute nach Haus. Die andern zwei reisten weiter fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als Gold zu sehen war. Nun sprach der eine zu dem andern: „Wie sollen wir es machen?“ Und der zweite nahm sich auch so viel Gold, als er nur tragen konnte, und ging nach Haus; der dritte aber wollte sein Glück noch besser versuchen und ging weiter fort. Nach drei Tagen kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er sich müde gegangen, Hunger und Durst plagten ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus. Da stieg er auf einen hohen Baum und wollte sehen, ob er Waldes Ende finden möge, er sah aber nichts als Baumspitzen; da wünschte er nur noch einmal seinen Leib zu sättigen und begab sich, von dem Baum herunterzusteigen. Als er herunterkam, erblickte er unter dem Baum einen Tisch mit vielerlei Speise besetzt, da ward er vergnügt, nahte sich dem Tisch und ass sich satt. Und als er fertig gegessen hatte, nahm er die Serviette mit sich und ging weiter, und wenn ihn wieder Hunger und Durst ankam, so deckte er die Serviette auf, und was er wünschte, das stund darauf. Nach einer Tagreise kam er zu einem Köhler, der brannte Kohlen und kochte Kartoffeln. Der Köhler bat ihn zu Gast, er sagte aber: „Ich will nicht bei dir essen, aber ich will dich zu Gast bitten.“ Der Köhler fragte: „Wie ist das möglich, ich sehe ja nicht, dass du etwas bei dir hast.“ – „Das tut nichts, setz dich nur her,“ damit deckte er seine Serviette auf, da stand alles, was zu wünschen war. Der Köhler liess sich’s gut schmecken und hatte grossen Gefallen an der Serviette, und als sie abgegessen hatten, sagte er: „Tausch mit mir, ich gebe dir für die Serviette einen alten Soldatentornister, wenn du mit der Hand darauf klopfst, kommt jedes Mal ein Gefreiter und sechs Mann Soldaten mit Ober- und Untergewehr heraus, die können mir im Wald nichts helfen, aber die Serviette wäre mir lieb.“ Der Tausch ging vor sich, der Köhler behielt die Serviette, der Schwarzenfelser nahm den Tornister mit. Kaum war er aber ein Stück Wegs gegangen, so schlug er darauf, da kamen die Kriegshelden heraus: „Was verlangt mein Herr?“ – „Ihr marschiert hin und holet bei dem Köhler meine Serviette, die ich dort gelassen.“ Also gingen sie zurück und brachten ihm die Serviette wieder. Abends kam er zu einem andern Kohlenbrenner, der lud ihn wiederum zum Abendessen ein und hatte desgleichen Kartoffeln ohne Fett. Der Schwarzenfelser aber deckte seine Serviette auf und bat ihn zu Gast, da war alles nach Wunsch. Als die Mahlzeit vorbei war, hielt auch dieser Köhler um den Tausch an, er gab für die Serviette einen Hut, drehte man den auf dem Kopf herum, so gingen die Kanonen, als stünde eine Batterie auf dem Flecken. Als der Schwarzenfelser ein Stück Wegs fort war, klopfte er wieder auf seinen alten Ranzen, und der Gefreite mit sechs Mann musste ihm die Serviette holen. Nun ging es weiter fort in dem nämlichen Wald, und er kam abends zu dem dritten Köhler, der lud ihn, wie die andern, auf ungeschmälzte Kartoffeln, erhielt aber von ihm ein Traktament und vertauschte ihm die Serviette für ein Hörnchen, wenn man darauf blies, fielen alle Städte und Dorfschaften wie auch alle Festungswerke übern Haufen. Der Köhler behielt aber die Serviette nicht länger als die andern, denn der Gefreite mit sechs Mann kam bald und holte sie ab. Wie nun der Schwarzenfelser alles beisammen hatte, kehrte er um nach Haus und wollt seine beiden Brüder besuchen. Diese waren reich von ihrem vielen Gold und Silber, und wie er nun kam, einen alten zerrissenen Rock anhabend, da wollten sie ihn nicht für ihren Bruder erkennen. Alsbald schlug er auf seinen Tornister und liess 150 Mann aufmarschieren, die mussten seinen Brüdern die Hucke (den Buckel) recht voll schlagen.

Das ganze Dorf kam zu Hülfe, aber sie richteten wenig aus bei der Sache; da ward es dem König gemeldet, der schickte ein militärisch Kommando ab, diese Soldaten gefangen zu nehmen; aber der Schwarzenfelser schlug in einem hin auf seinen Ranzen und liess Infanterie und Kavallerie aufmarschieren, die schlugen das militärische Kommando wieder zurück an seinen Ort. Am andern Tag liess der König noch viel mehr Volk ausmarschieren, um den alten Kerl in Ruh zu setzen. Der aber schlug auf seinen Ranzen so lang, bis eine ganze Armee herausgekommen, dazu drehte er seinen Hut ein paar Mal, da gingen die Kanonen, und der Feind ward geschlagen und in die Flucht gejagt. Da ward Friede geschlossen und er zum Vizekönig gemacht, wie auch die Prinzessin ihm zur Gemahlin gegeben.

Der Prinzessin aber lag es beständig im Sinn, dass sie so einen alten Kerl zum Gemahl nehmen müsse, und wünschte nichts mehr, als dass sie ihn wieder loswerden könnte. Sie forschte täglich, in welchen Vorteilen seine Macht bestehe, er war auch so treu und entdeckte ihr alles. Da schwätzte sie ihm seinen Ranzen ab und verstiess ihn, und als darauf Soldaten gegen ihn marschierten, war sein Volk verloren, aber noch hatte er sein Hütchen, da griff er daran und liess die Kanonen gehen, so schlug er den Feind und ward wieder Friede gemacht. Darnach aber liess er sich wieder betrügen, und die Prinzessin schwätzte ihm sein Hütchen ab. Und als nun der Feind auf ihn eindrang, hatte er nichts als sein Hörnchen, da blies er darauf, alsbald fielen Dörfer, Städte und alle Festungswerke übern Haufen. Da war er König allein und blies, bis er gestorben ist.

Von der Nachtigall und der Blindschleiche

Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug und lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da sprach sie zur Blindschleiche: „Ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und möcht nicht gern so mit einem Aug hingehen, sei doch so gut und leih mir deins dazu, ich bring dir’s morgen wieder.“ Und die Blindschleiche tat es aus Gefälligkeit.

Aber den andern Tag, wie die Nachtigall nach Haus gekommen war, gefiel es ihr so wohl, dass sie zwei Augen im Kopf trug und zu beiden Seiten sehen konnte, dass sie der armen Blindschleiche ihr geliehenes Aug nicht wiedergeben wollte. Da schwur die Blindschleiche, sie wollte sich an ihr, an ihren Kindern und Kindeskindern rächen. „Geh nur,“ sagte die Nachtigall, „und such einmal:

Ich bau mein Nest auf jene Linden,
so hoch, so hoch, so hoch, so hoch,
da magst du’s nimmermehr finden!“

Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Augen und alle Blindschleichen keine Augen. Aber wo die Nachtigall hinbaut, da wohnt unten auch im Busch eine Blindschleiche, und sie trachtet immer hinauf zu kriechen, Löcher in die Eier ihrer Feindin zu bohren oder sie auszusaufen.

Der Tod und der Gänsehirt

Es ging ein armer Hirt an dem Ufer eines grossen und ungestümen Wassers, hütend einen Haufen weisser Gänse. Zu diesem kam der Tod über Wasser und wurde von dem Hirten gefragt, wo er herkomme und wo er hin wolle. Der Tod antwortete, dass er aus dem Wasser komme und aus der Welt wolle. Der arme Gänsehirt fragte ferners, wie man doch aus der Welt kommen könne. Der Tod sagte, dass man über das Wasser in die neue Welt müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sagte, dass er dieses Lebens müde, und bat den Tod, er sollte ihn mit über nehmen. Der Tod sagte, dass es noch nicht Zeit, und hätte er jetzt sonst zu verrichten. Es war aber unferne davon ein Geizhals, der trachtete bei nachts auf seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zusammenbringen möchte, den führte der Tod zu dem grossen Wasser und stiess ihn hinein. Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu Grunde gesunken, bevor er an das Ufer konnte. Seine Hunde und Katzen, so ihm nachgelaufen, sind auch mit ihm ersoffen. Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gänsehirten, fand ihn fröhlich singen und sprach zu ihm: „Willst du nun mit?“ Er war willig und kam mit seinen weissen Gänsen wohl hinüber, welche alle in weisse Schafe verwandelt worden. Der Gänsehirt betrachtete das schöne Land und hörte, dass die Hirten derorten zu Königen würden, und indem er sich recht umsah, kamen ihm die Erzhirten Abraham, Isaak und Jakob entgegen, setzten ihm eine königliche Krone auf und führten ihn in der Hirten Schloss, allda er noch zu finden.

Wie Kinder Schlachtens miteinander gespielt haben

I

In einer Stadt, Franecker genannt, gelegen in Westfriesland, da ist es geschehen, dass junge Kinder, fünf- und sechsjährige, Mägdlein und Knaben, miteinander spielten. Und sie ordneten ein Büblein an, das solle der Metzger sein, ein anderes Büblein, das solle Koch sein, und ein drittes Büblein, das solle eine Sau sein. Ein Mägdlein, ordneten sie, solle Köchin sein, wieder ein anderes, das solle Unterköchin sein; und die Unterköchin solle in einem Geschirrlein das Blut von der Sau empfahen, dass man Würste könne machen. Der Metzger geriet nun verabredetermassen an das Büblein, das die Sau sollte sein, riss es nieder und schnitt ihm mit einem Messerlein die Gurgel auf, und die Unterköchin empfing das Blut in ihrem Geschirrlein. Ein Ratsherr, der von ungefähr vorübergeht, sieht dies Elend: er nimmt von Stund an den Metzger mit sich und führt ihn in des Obersten Haus, welcher sogleich den ganzen Rat versammeln liess. Sie sassen all über diesen Handel und wussten nicht, wie sie ihm tun sollten, denn sie sahen wohl, dass es kindlicherweise geschehen war. Einer unter ihnen, ein alter weiser Mann, gab den Rat, der oberste Richter solle einen schönen roten Apfel in eine Hand nehmen, in die andere einen rheinischen Gulden, solle das Kind zu sich rufen und beide Hände gleich gegen dasselbe ausstrecken: nehme es den Apfel, so soll‘ es ledig erkannt werden, nehme es aber den Gulden, so solle man es töten. Dem wird gefolgt, das Kind aber ergreift den Apfel lachend, wird also aller Strafe ledig erkannt.

II

Einstmals hat ein Hausvater ein Schwein geschlachtet, das haben seine Kinder gesehen; als sie nun nachmittag miteinander spielen wollen, hat das eine Kind zum andern gesagt: „Du sollst das Schweinchen und ich der Metzger sein“; hat darauf ein bloss Messer genommen und es seinem Brüderchen in den Hals gestossen. Die Mutter, welche oben in der Stube sass und ihr jüngstes Kindlein in einem Zuber badete, hörte das Schreien ihres anderen Kindes, lief alsbald hinunter, und als sie sah, was vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus dem Hals und stiess es im Zorn dem andern Kind, welches der Metzger gewesen, ins Herz. Darauf lief sie alsbald nach der Stube und wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber mache, aber es war unterdessen in dem Bad ertrunken; deswegen dann die Frau so voller Angst ward, dass sie in Verzweifelung geriet, sich von ihrem Gesinde nicht wollte trösten lassen, sondern sich selbst erhängte. Der Mann kam vom Felde, und als er dies alles gesehen, hat er sich so betrübt, dass er kurz darauf gestorben ist.

Die Hand mit dem Messer

Es war ein kleines Mädchen, das hatte drei Brüder, die galten bei der Mutter alles, und es wurde überall zurückgesetzt, hart angefahren und musste tagtäglich morgens früh ausgehen, Torf zu graben auf dürrem Heidegrund, den sie zum Kochen und Brennen brauchten. Noch dazu bekam es ein altes und stumpfes Gerät, womit es die sauere Arbeit verrichten sollte.

Aber das kleine Mädchen hatte einen Liebhaber, der war ein Elfe und wohnte nahe an ihrer Mutter Haus in einem Hügel, und sooft es nun an dem Hügel vorbeikam, so streckte er seine Hand aus dem Fels und hielt darin ein sehr scharfes Messer, das von sonderlicher Kraft war und alles durchschnitt. Mit diesem Messer schnitt sie den Torf bald heraus, ging vergnügt mit der nötigen Ladung heim, und wenn sie am Felsen vorbeikam, klopfte sie zweimal dran, so reichte die Hand heraus und nahm das Messer in Empfang.

Als aber die Mutter merkte, wie geschwind und leicht sie immer den Torf heimbrachte, erzählte sie den Brüdern, es müsste ihr gewiss jemand anders dabei helfen, sonst wäre es nicht möglich. Da schlichen ihr die Brüder nach und sahen, wie sie das Zaubermesser bekam, holten sie ein und drangen es ihr mit Gewalt ab. Darauf kehrten sie zurück, schlugen an den Felsen, als sie gewohnt war zu tun, und wie der gute Elf die Hand herausstreckte, schnitten sie sie ihm ab mit seinem selbeigenen Messer. Der blutende Arm zog sich zurück, und weil der Elf glaubte, seine Geliebte hätte es aus Verrat getan, so wurde er seitdem nimmermehr gesehen.