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Das allzeit zufriedene Knäbchen

Zwei Bauersleute hatten ein Kind, und wie es denn in der Welt geht, wo nur eins ist, da wird’s verzogen. Die Ältern hatten aber kein Auge für die Fehler des Bübchens und nannten es immer nur ihr allzeit zufriedenes Kind. Eines Tages war eine Hochzeit im Ort, dazu waren die Bauersleute auch eingeladen und da sie nirgendwo allein hingingen, so nahmen sie auch ihr allzeit zufriedenes Kind mit. Als das Essen vorbei war, kamen Birnen, Nüsse und Anisgebackenes auf den Tisch, von jedem hohe Teller voll. Die Gäste ließen es sich wohl schmecken und der Bräutigam gab den Kindern von allem so viel wie sie haben wollten. Als die Gäste aufstehen und zum Tanze gehen wollten, kam das allzeit zufriedene Kind, stellte sich neben den Bräutigam und weinte bitterlich. Sogleich sprangen die Ältern von ihrer Bank herbei, um zu sehn, was das sei. Der Bräutigam fragte das Knäbchen, was ihm fehle, aber es weinte immer bitterlicher und endlich weinte seine Mutter mit und es verschlug kein Haar, dann hätte der Vater auch geweint. Da fragte der Bräutigam wieder: „Hast du denn Hunger?“ und das Kind schrie: „Ach ich bin ja schon satt.“ „Das dachte ich nur, ach mein Kind ist ja immer so gern zufrieden“ schluchzte die Mutter. Der Bräutigam sprach: „Dann komm her, ich stopfe dir die Hosentasche voll Anisgebackenes“, aber das Kind schrie noch ärger: „Sie sind ja schon Beide voll!“ „Dachte ich es mir nicht“, schluchzte die Mutter, „unser Kind ist so gern zufrieden, es muss ihm etwas andres fehlen.“ Der Bräutigam sprach: „Dann gehe nach Hause, leere sie aus und komm wieder, dann bekommst du mehr.“ Da schrie das Kind noch viel ärger: „Ich war ja schon dreimal zu Hause.“ „Nein das ist es auch noch nicht, unser Kind ist so bald zufriedengestellt, Kindeshand ist bald gestillt, es muss ihm etwas andres fehlen“, schluchzte die Mutter und weinte bittere Tränen. „Dann geh nach Hause und komm noch einmal wieder“, sprach der Bräutigam; doch da schrie das Kind, wie verzweifelt: „Wenn ich wieder komme, haben die Andern alles gegessen.“ „Wir heben dir Alles auf und essen nichts mehr“ sagte der Bräutigam und da lachte das Kind ihn an und lief weg. Die Mutter rief aber: „Ach es ist doch rührend, wie unser Kind ein allzeit zufriedenes Gemüt hat.“ „Ja das weiß der Himmel“, sprach der Vater, „so gibt’s keines mehr.“

Hans ohne Furcht

Ein armer Schuster hatte einen Sohn, der hieß Hans und war der wildeste und unerschrockenste Bube im ganzen Dorf. Sein Vater tat ihn zum Pfarrer, um ihn ein wenig zähmen zu lassen, aber der Pfarrer richtete nicht viel mit ihm aus. Als gute Worte und Ermahnungen nichts halfen, sprach endlich der Pfarrer zum Glöckner: „Zahm muss er werden und sollt er das Leben dabei einbüßen. Nimm ihn den Abend, wenn zu Nacht geläutet wird, mit in die Kirche und schließe ihn ein. Die Geister, welche da webbern, werden ihm schon die Nägel kürzer schneiden.“ Der Glöckner nahm den Hans am Abend mit und schickte ihn nach dem Läuten auf den Boden, um dort etwas zu holen; unterdessen schlich er sich schnell heraus und schloss die Kirchentüre hinter sich zu. Als Hans wieder herunter kam und sah, dass der Glöckner fort war, sprach er: „Der meint wohl, ich fürchte mich; aber hier schläft sich’s so gut, wie anderswo“, und er legte sich auf eine Bank und schlief ein. Als es zwölf Uhr schlug hörte er plötzlich ein Geräusch, als ob gekegelt würde. Er schaute sich um, da standen drei schwarze Männer drunten in der Kirche und warfen mit Totenköpfen nach neun Knochen, welche oben aufgestellt waren, aber sie trafen immer ins Blaue. „Ihr seid mir schöne Burschen!“ rief Hans. „Her den Klotz und lasst mich mal werfen.“ Da warf er und traf alle neun. „Jetzt werfe mir einer nach, ich setze auf“, sprach er, aber die Männer trafen nicht einen Kegel und Hans gewann sich einen neuen Kreuzer von ihnen. Um ein Uhr rafften sie schnell ihr Spiel zusammen und schlupften unter einen Stein.
Morgens weckte der Pfarrer den Glöckner schon sehr früh und sprach: „Geh und sieh, dass du die Leiche des Hans aus der Kirche schaffst, denn er ist gewiss umgekommen; lass sie nur auf dem Kirchhof liegen, die Geister haben ihn ja da so gut wie in der Kirche umbringen können.“ Der Glöckner ging in die Kirche, aber da schnarchte der Hans auf seiner Bank, dass es eine Art hatte, und als der Glöckner ihn weckte, rief er sogleich, indem er seinen neuen Kreuzer zeigte: „Da guck, den hab ich nur von Zwölf bis Eins gewonnen. Hast du Lust mitzuspielen, dann bleibe die Nacht hier.“ „Da soll mich der liebe Himmel vor bewahren!“ sprach der Glöckner und ging seines Weges, um es dem Pfarrer zu sagen. „Lass ihn nur gehen, er ist noch nicht zu Ende mit den Geistern“, sprach dieser.
Am folgenden Abend als der Glöckner läuten wollte, stand Hans schon an der Kirchtür; er ging hinein, ließ den Glöckner zuschließen und legte sich auf seine Bank. Gegen zwölf Uhr erwachte er wieder und sah sechs schwarze Männer, die mit zwei Totenköpfen nach Knochenkegeln warfen, aber so wenig trafen, wie die drei in der vorigen Nacht. Hans sprang auf und rief: „Weg da, lasst mich werfen, ihr lernt es ja in alle Ewigkeit nicht“, warf und traf alle neun. „Nun versucht es noch einmal, ich will aufsetzen“ sprach er und setzte auf bis ein Uhr, da rafften die Männer ihre Kegel zusammen und gingen. „Nun, wo ist mein Geld?“ fragte Hans. „Aber geht nur, ich will’s gut behalten bis morgen.“ Die Männer verschwanden wieder unter dem Stein und Hans legte sich und schlief weiter bis an den hellen Morgen. Da kam der Glöckner, welchen der Pfarrer geschickt hatte um nach dem Hans zu sehen und Hans rief ihm entgegen: „Denk dir, ich kegele besser, als die sechs Kerle, welche die Nacht hier waren; heute sind sie mir mein Geld schuldig geblieben, aber die kommende Nacht müssen sie es mir auszahlen, ich lasse sie nicht eher fort. Bleib doch mit hier, es ist gar zu schön und mager sind die Burschen, dass ihnen der Mond durch den Leib scheint, es ist als hätten sie kein Fleisch an ihren Knochen.“ Da überlief es den Glöckner heiß und kalt. „Um Alles in der Welt bleibe ich nicht da“, sprach er und lief zum Pfarrer zurück, dem er Alles meldete. „Lass ihn gehen“, sprach der Pfarrer, „er bekommt doch seinen Lohn für solche Verwegenheit.“
In der dritten Nacht lag Hans wieder auf seiner Bank, da rappelte es und er sah neun Männer, welche mit drei Kugeln nach den Totenkegeln warfen. „Potz Wetter, das ist ja nicht anzusehen!“ schrie er, als sie nie trafen; „her den Klotz.“ Da schmiss er die Kugel, dass sie in Stücke brach und alle neun Kegel sanken. „So wirft man und nun tut es mir nach!“ rief er, „ich will derweil aufsetzen.“ Also ging das Spiel fort bis es ein Uhr schlug, da rafften die Männer Alles zusammen und gingen. „Heut schenke ich euch mein sauer verdientes Geld nicht“, sprach Hans, und fasste den letzten am Mantel, als er eben unter den Stein schlupfen wollte, aber da wich der Stein und Hans fiel in ein großes Gewölbe, die Männer waren aber weg. „Ei ihr Lumpen“ rief er, da klopfte ihm jemand auf die Schulter, und als er sich umschaute, stand ein weißer Mann hinter ihm, der war ganz mit Schlüsseln behängt. „Ich sehe dir an, du gehörst nicht zu den schlechten Burschen, die mich um mein Geld betrogen haben“, sprach Hans, „aber was willst du denn?“ „Dich reich machen auf Lebenszeit“, sprach der Mann. „Dreh dich einmal um und schau vor dich hin. Da liegen drei Haufen Gold, wie du siehst. Der eine Haufen ist dein, der andere dem Glöckner und der dritte dem Pfarrer, dass er ihn für die Kirche verwende und an die Armen austeile.“ Als er das gesagt hatte, war der Mann verschwunden; Hans aber freute sich, dass er nicht umsonst die Kegel aufgesetzt habe.
Als der Glöckner am folgenden Morgen in die Kirche kam, rief Hans ihm entgegen: „Du bring mal einen Sack, ich habe ein Malter Geld für dich.“ „Da haben wir’s, der Bub ist närrisch geworden“, sagte der Glöckner und lief fort. Dem Hans dauerte es zu lange, bis er wiederkehrte, er ging darum nach Hause und holte sich selber drei Säcke, füllte das Geld hinein und trug den einen in des Glöckners Haus. Da warf er ihn auf den Tisch, dass die Stempel brachen, Tisch und Sack auf die Erde fielen und die blanken Taler in der Stube herumrollten, und schalt: „Muss ich euch faulem Volk den Dreck auch noch ins Haus tragen? Warum konntet ihr ihn nicht selber holen?“ Ebenso machte er es beim Pfarrer, nahm dann seinen Sack auf den Rücken und marschierte in die Welt hinaus.
Als er bei der Hauptstadt anlangte und die Schildwache am Tore sah, gefiel sie ihm so gut, dass er sprach: „Du gib mir den Blanken von deiner Seite und das Knalleisen von deiner Schulter, ich gebe dir meinen Sack Geld dafür.“ „Das täte ich gern“, erwiderte der Soldat, „aber ich darf nicht, gehe zum Hauptmann, der tut’s wohl.“ Hans ging zum Hauptmann und sprach: „Gib mir auch so einen Blanken und ein Knalleisen, wie die andern Soldaten haben, ich gebe dir meinen Sack Geld dafür.“ „Das täte ich gern, mein Sohn, aber ich darf es nicht“, sagte der Hauptmann; „gehe zum König, der tut es gern.“ Da ging Hans zum König und sprach: „Gib mir auch so einen Blanken und ein Knalleisen, wie deine Soldaten haben, ich gebe dir meinen Sack voll Geld dafür.“ „Das soll geschehen, mein Sohn“, sagte der König, in dessen Schatzkammer gerade viel Platz für Geldsäcke war, und ließ den Hans sogleich in eine Uniform stecken und ihm Gewehr und Säbel geben. Das war eine Freude für den Hans; er lief sogleich fort und auf den Platz, wo die Soldaten exerzierten. Da sollte er sich als Rekrut einüben lassen, aber er sprach: „Das verstehe ich Alles schon. Hab ich doch besser gekegelt, als drei Mann und sechs Mann und neun Mann und soll nicht einmal mit dem Ding umzugehen wissen.“ Da stellte ihn der Hauptmann mit den alten Soldaten, die schon drei und vier Jahre gedient hatten, in Reih und Glied. Als er sah, dass sie alle das Gewehr bei Fuß hatten, schrie er sogleich: „Ei ihr faulen Lümmel, wollt ihr gleich das Gewehr auf die Schulter nehmen!“ „Gemach“, sprach der Hauptmann, „das kommt sogleich. Schultert das Gewehr!“ Da schulterten sie alle, aber der Hans warf sein Gewehr auf die Schulter. „Hans, du machst es nicht recht, das kommt sogleich“, sprach der Hauptmann. „Achtung! Gewehr über!“ Da warf Hans sein Gewehr über die Schulter hinaus, dass es seinen Hintermännern ihre Szakos mitnahm und noch mehr als fünfzig Schritte weit flog. „Ei Hans, was machst du?“ fragte der Hauptmann. „Ich mache was recht ist und die andern sind alle faule Kerle und Esel, die nichts vom Dienst verstehen“, antwortete Hans. Auf diese Weise trieb er es fort und zwar so bunt, dass der Hauptmann endlich seinen Rapport an den König machte und schrieb, er könne es länger nicht mit Hans aushalten.
Der König steckte ihn in ein anderes Regiment, aber da ging es noch schlimmer. Als er zum ersten Mal exerzieren sollte und der Major ihm einen Verweis gab, rief er: „Du verstehst nichts davon, Alter, komm gib nur mal dein Pferd und deinen Blanken und lass mich mal schreien, ich kann das besser“, warf Gewehr und Säbel fort und ging auf den Major zu. Der rief: „Hans bleib mir vom Leibe, oder ich steche dich tot.“ „So weit sind wir noch nicht“ sprach Hans, riss ihn vom Pferde, ehe er sich’s versah, nahm ihm den Degen, zog seinen Majorsrock an und sprang auf das Pferd. So ritt er die Front entlang und schrie immerfort: „Schultert das Gewehr! Präsentiert das Gewehr! Marsch! Bataillon rechts, links schwenkt Marsch!“ so dass die Soldaten nicht folgen konnten und Alles durcheinander geriet. Da wollte Hans sich totlachen und rief: „So recht, ihr Kinder, das ist schön, nun geht nach Hause, ihr exerziert morgen wieder und heut bekommt ihr doppelte Löhnung.“ Da lachten die Soldaten mit, denn sie gönnten das dem Major, weil er so hart und streng gegen sie war.
Als der König sah, dass mit Hans nichts anzufangen sei, dachte er darauf, wie er ihn wieder los werden könne. In der Nähe der Hauptstadt lag im Walde ein Schloss, darin wagte Niemand zu übernachten, weil es immer da spukte. Der König ließ den Hans kommen und sprach: „Hans, wenn du das Schloss erlösest, gebe ich dir meine Tochter zur Frau.“ Er dachte aber, Hans werde da umkommen. Hans sprach: „Gib mir das schriftlich, dann will ich es tun.“ Der König gab ihm die Verschreibung. „So, nun muss ich noch Tabak und einen Blanken haben“, sagte Hans und als er das bekommen hatte, machte er sich auf den Weg und zündete sich, da es gegen Abend ging und kalt war, in einem Zimmer Feuer in dem Kamin an. Gegen zwölf Uhr sprang die Tür des Zimmers auf und zwölf Männer traten herein, setzten sich an den Tisch und spielten Karten. Hans stellte sich zu ihnen und sprach: „Es ist schade dass ich kein Geld habe, ihr Brüder, sonst spielte ich mit euch, aber morgen muss mir der König welches geben.“ Die Männer gaben ihm keine Antwort und spielten weiter. Da merkte Hans, dass einer von ihnen fautelte, er schlug ihn hinters Ohr und rief: „Ei Spitzbub, ich will dir lehren, deine Kameraden zu betrügen.“ Da schlug es Eins und die Männer waren verschwunden.
Am andern Morgen schickte der König einen Soldaten in das Schloß, um nachzusehn, ob Hans noch lebe. Als Hans ihn erblickte, rief er: „Du sage dem König, ich müsse Geld haben, denn um nichts und wieder nichts kann ich nicht spielen.“ Der König sandte ihm Geld und befahl dem Soldaten, die Nacht gleichfalls im Schloß zu bleiben. Aber der schüttelte doch bedenklich den Kopf und dachte bei sich: wie soll das ablaufen! Jetzt war Hans oben drauf. Abends sprach er zu dem Soldaten: „Mach du jetzt Feuer an, es wird kalt, ich will derweilen Holz holen.“ Er ging und war bald wieder da, aber da lag der Soldat und war steiftot. Hans glaubte er sei vor Kälte umgefallen und schleppte ihn näher zum Feuer, sprach: „Da wärme dich, Alter, dann kommst du bald zu dir“, stopfte sich ein Pfeifchen und rauchte. Als die zwölf Männer wieder kamen rief er ihnen schon entgegen: „Hier ist Geld, jetzt können wir spielen ihr Brüder!“ Sie antworteten nichts, setzten sich hin und spielten, gaben ihm aber keine Karten. Hans ließ sich das eine Zeitlang gefallen, dann aber kochte es in ihm, er nahm ein brennendes Scheit aus dem Feuer und schlug unter sie, indem er schrie: „Ei euch groben Kerle soll der Himmelsapperloter holen, was ist das für eine Art.“ Er schlug aber in leere Luft hinein, denn eben brummte die Uhr Eins und die Männer waren weg.
Als der König am folgenden Morgen vernahm, dass das Schloss schon ein wenig heller sei, als ob’s erlöst werden sollte, und dass Hans noch immer lebe, wurde ihm angst und bange, denn er dachte: „Hat er zwei Nächte dort zugebracht, dann kann er es auch die dritte Nacht aushalten.“ Hans dagegen war gutes Mutes, denn er freute sich nicht wenig, so wohlfeilen Kaufs eine Prinzessin zur Frau zu bekommen und Prinz zu werden. Er sprang und tanzte den ganzen Tag im Schloss herum Trepp auf, Trepp ab und es war Abend, ehe er es dachte. Um zwölf Uhr kamen die zwölf schwarzen Männer wieder und diesmal war noch ein dreizehnter weißer bei ihnen, der winkte dem Hans, er solle mit ihm gehen. „Ja wohl, ich komme schon, aber die Zwölf müssen mit dir voran gehen“ sagte Hans und es geschah. Also gingen sie durch viele Gänge, bis sie an eine Tür kamen, die mit vielen Schlössern verschlossen war. Der Weiße rührte die Schlösser an, da sprangen sie auf, die Tür öffnete sich und da war es ein großes Zimmer, ohne Fenster, darin standen ringsum Fässer mit Gold. „Die ersten Fässer sind für dich“, sprach der Geist, „die dort für den König und die andern für die Soldaten, und jetzt danken wir dir alle schönstens, denn du hast uns erlöst.“ „Das ist gern geschehen“, sagte Hans und ging in seine Kammer zurück, denn die Geister waren verschwunden. Da legte er sich auf ein Ohr und schlief, wie ein Prinz.
Am folgenden Tage lief er in aller Frühe zum König, der noch in seinem Bette lag und rief: „Du, gib mir meine Frau, ich habe eine ganze Reihe Fässer voll Geld für dich.“ Der König seufzte, stand auf und ging mit Hans, aber da war er doch froh, als er das viele Geld sah und auch merkte, dass der Hans nun einen eben so großen Reichtum besaß wie er selbst. Er sprach: „Gehe mit, Hans, ich führe dich zu der Prinzessin und morgen soll die Hochzeit sein.“ So weit war alles gut, als sie aber zu der Prinzessin kamen und sie hörte, was im Spiele sei, da wurde sie blitzböse und sprach, sie möge keinen Bauernlümmel zum Manne. „Das ist mir eins und dasselbe“ sagte Hans, „ich will dich aber zur Frau und morgen wirst du mich nehmen, da sind weiter keine Sprünge mehr zu machen.“ Und er ließ sie allein und ging wieder in das erlöste Schloss.
Der König war wie zerschlagen, als er seine einzige Tochter so trostlos sah. Da traten seine Räte zu ihm und sprachen: „Eine Stunde von hier liegt die Mühle, wo der Teufel mit der sieben und siebenzig Ellen langen Nase umgeht. Dahin schicket den Hans und er solle auch die Mühle noch erlösen. Seid versichert er kommt nicht zurück.“ Der König ließ den Hans sogleich rufen und sprach: „Vor deiner Hochzeit könntest du mir noch den Gefallen tun, die Mühle draus vor der Stadt zu erlösen.“ „Ei herzlich gern“, sagte Hans und ging gegen Abend hin. Da war in der Mühle nichts zu sehn, als ein alter Schraubstock, ein paar Stühle und ein alter Ofen. Hans legte Feuer ein, zündete seine Pfeife an und setzte sich gemütlich hin. Plötzlich fuhr die Tür auf und da huschte ein langes spitzes Ding herein, das wollte kein Ende nehmen, und legte sich wie ein Seil im Zimmer an den Wänden herum. Endlich sprang ein Teufel herein, dem war das lange Ding überm Maul fest gewachsen und da merkte Hans dass es seine Nase war. „Bruderherz dich möchte ich niesen hören“ sagte Hans, aber der Teufel brummte: „Du sollst nicht mehr niesen, denn ich breche dir das Genick.“ „Den Freundschaftsdienst kannst du dir ersparen“, sagte Hans, „wenn dir dein eigen Genick lieb ist. Aber höre einmal, du bist so flink mit deiner Nase, kannst sie schlingen und drehen, ob du sie aber so schnell durch den Schraubstock ziehst, dass ich sie nicht festklemmen kann, das steht doch dahin.“ „Das wäre auch eine Kunst“ lachte der Teufel und machte so ein paar Mal mit dem Kopf, da fuhr die Nase wie ein Blitz in der Stube umher, bald oben und bald unten. „Ja du hast recht, aber es käme doch auf den Versuch an“, meinte Hans. „Gelingt es mir so bin ich frei, wo nicht, so bin ich ohne Widerrede dein.“ „Wie du willst“, sprach der Teufel und schlingerte die Nase durch den Schraubstock. Hans drehte wohl, ließ ihn aber diesmal durchschlupfen. „Siehst du nun?“ lachte der Teufel und Hans machte ein recht betrübtes Gesicht. „Pass auf jetzt geht’s zum zweiten Mal los!“ sprach der Teufel und Hans ließ ihn noch einmal durch und schnitt ein noch viel grämlicheres Gesicht. „Und jetzt zum dritten Mal!“ rief der Teufel; aber diesmal gelang es ihm nicht mehr, Hans war flinker als er und der Teufel kreischte, dass man es in der Stadt hörte. „Nun bleib du ruhig hier“, sprach Hans, aber da gab ihm der Teufel so lange gute Worte und versprach ihm alles Mögliche, bis Hans ihn losließ.
Jetzt half der Prinzessin nichts in der Welt mehr, sie musste den Hans nehmen. Nach und nach gewöhnte sie sich an ihn und gewann ihn seines guten Herzens wegen noch sehr lieb.
Eines Tages ging Hans mit der Prinzessin im Walde spazieren, da saß der Teufel mit der langen Nase auf einem Baume und griff mit seinen Klauen nach dem Haarputz der Prinzessin. „Ei willst du wieder in den Schraubstock?“ rief Hans, da kreischte er: „Nein, nein!“ und ließ sich nie wieder sehn.

Wie der Teufel auf der Flöte blies

Dem Teufel fiel einmal in der Hölle die Zeit lang und er wollte eine Lustfahrt auf die Erde machen. Damit er aber nicht allein sei (denn das ist seine Leidenschaft nicht, er liebt die Gesellschaft sehr) nahm er sein jüngstes Söhnchen mit, ein kleines, schwarzes, neugieriges Nestquackelchen. Sie fuhren durch eine Felsenhöhle heraus und kamen in einen Wald. Da gefiel es dem kleinen Teufelchen gar nicht übel, es sprang herum, kletterte auf die Bäume, hing sich an sein Schwänzchen, wie die Meerkatzen tun und trieb allerlei närrisches Zeug. Sie kamen unter eine große Eiche, wo ein Mann in grünem Rock und grüner Mütze lag und schlief; neben ihm hing eine Tasche am Baum, daraus guckten allerlei Getier, Hasen, Schnepfen und wilde Enten und neben der Tasche stand ein Gewehr. Das Teufelchen lief hinzu und beschaute Alles recht genau, nahm das Gewehr und fragte seinen Vater, was das für ein Ding sei. Der alte Teufel legte die Stirn in Falten und sprach: „Das ist eine Flöte mein Sohn, wenn die Menschen darauf spielen, dann läuft das wilde Getier zu ihnen und sie brauchen es nur zu fangen.“ „Das muss ich sehen“, rief das Teufelchen, „und du sollst nur eins aufspielen.“ „Dazu gehören ihrer zwei, mein Sohn, einer der bläst und der andre, der fingert.“ „Dann blase du und ich will fingern“, sprach der Nestquackel und der Alte musste das Rohr an den Mund legen, er mochte wollen oder nicht, denn er hatte den kleinen Kerl sehr verzogen. Der Alte blies und der Nestquackel fingerte und fingerte, aber es wollte kein Ton kommen. „Du musst auf die Klappen drücken, dummer Junge“ rief der Alte. Das Teufelchen drückte auf den Hahn, da tat es einen Schlag, dass der Alte zu Boden stürzte, denn die ganze Ladung Schrot war ihm in den Hals gefahren; der Junge aber lief weg vor Schrecken. Der Alte erholte sich bald wieder und lief seinem Buben nach, denn der Mann war erwacht von dem Knall des Gewehres. „Das war kein schöner Ton“ sprach der Nestquackel. „Du hast auf die unrechte Klappe gedrückt“, sagte der Alte, „und die Flöte war staubig, da ist mir all der Staub in den Hals gefahren.“

Das Kind vom Grabe

In der Türkei lebte ein Kaufmann, der war sehr reich und hatte Alles, was er sich nur wünschte, nur hatte er keine Kinder und das war doch sein höchster Wunsch. Nach einigen Jahren starb seine Frau und da war er denn recht unglücklich; er fühlte sich so einsam und verlassen in der Welt, dass er des Lebens fast müde war und sein einziger Trost blieb, dass er jeden Abend an das Grab seiner Frau ging, wo er bis gegen Mitternacht blieb und betete.
Zu derselben Zeit regierte ein Sultan in der Türkei, der hatte von allen seinen Frauen nicht ein Kind bekommen. Als aber nach langem Harren die Sultanin eines Tages ihm verkündete, sie werde ihm bald ein Kindlein schenken, da wurde er krank und starb. Die Sultanin übernahm nun die Regierung und führte sie so gut, dass alle Leute im Lande glücklich und zufrieden waren. Sie hatte aber einen Minister, das war ein ehrgeiziger Mann und der hätte gern seinen Sohn auf den Thron gesetzt. Wenn die Sultanin keine Kinder bekommen hätte, dann wäre das nach ihrem Ableben schon zu machen gewesen, nun aber rückte der Augenblick immer näher heran, wo sie eines Kindes genesen sollte, und war das ein Knäblein, dann musste der Minister all seine Hoffnungen aufgeben. Darum sann und grübelte er Tag und Nacht, was da wohl zu machen wäre. Da hörte er plötzlich eines Morgens, der Storch habe der Sultanin ein schönes Knäblein gebracht. Er eilte alsbald in das Schloss, gab der Hebamme und einem Kindermädchen viel, viel Geld und bekam also das Kind in seine Hände; dann ließ er es in ein seidnes Tuch gewickelt in ein Kästchen legen und befahl dem Mädchen, das Kästchen in die See zu tragen. Das Mädchen hatte aber Mitleid mit dem schönen Knäblein, trug es gegen Abend auf den Kirchhof und legte es auf das letzte frische Grab, worin die Frau des Kaufmannes lag. Der Sultanin wurde gesagt, das Kind sei tot auf die Welt gekommen und sofort begraben worden.
Es dauerte nicht lange, da kam der Kaufmann, um nach seiner Gewohnheit an dem Grabe zu beten. Als er das Kästchen sah, öffnete er es neugierig, da lachte ihm das Knäblein holdselig entgegen. Ach, sprach er, meine Frau schenkt mir im Grabe noch ein Kind, damit ich nicht allein sei, und er küsste das Kind wie sein eignes und trug es voller Freude mit sich nach Haus. Dort nahm er dem Kinde eine Amme und als es größer wurde, ließ er es in allem Möglichen unterrichten. Also wurde das Kind zum Knaben und der Knabe zum Jüngling und der Kaufmann hatte ihn so lieb, dass er keinen Augenblick ohne ihn sein konnte.
Eines Tages wollte der Kaufmann eine große Reise machen, worauf ihn der Jüngling begleiten sollte. Er ließ ein Schiff ausrüsten und fuhr eines Morgens mit günstigem Wind ab. Es dauerte aber nicht lange, da erhob sich ein schrecklicher Sturm, so dass die Wellen haushoch gingen und das Schiff so lang herumwarfen, bis es an einen Felsen fuhr und zertrümmerte. Die ganze Mannschaft und all die kostbaren Güter, womit es beladen war, gingen zu Grunde. Der Kaufmann und der Jüngling retteten sich mit vieler Not und Mühe an einem Balken, welcher eine Zeitlang auf der See umhertrieb und dann an einer Insel ans Land geworfen wurde. Da standen sie nun arm und einsam auf der Insel und hatten nichts, als ihr Leben und ein paar Kräuter, welche da wuchsen. Sie hatten aber einen Schatz mit sich gerettet, der war sehr groß und das war ihr Vertrauen auf Gott, das hielt sie aufrecht, dass sie nicht verzagten. Sie bauten sich aus dürrem Holz eine Hütte, darin wohnten sie. Dann höhlten sie einen Baumstamm zum Kahne aus und machten sich ein Netz, und jeden Tag fuhr der Jüngling auf das Meer hinaus und fing Fische, davon lebten sie.
Eines Tages hatte der Jüngling sich weiter als sonst in die See gewagt, da sah er von ferne ein schönes goldnes Schifflein herankommen, darin saßen drei Jungfrauen, welche spielten und sangen. Die eine trug eine Krone auf dem Haupt und war über die Maßen schön, die beiden andern waren ihre Dienerinnen. Der Fährmann kannte aber die See an der Stelle schlecht, denn da war ein verborgener Felsen. Das Schifflein fuhr mit vollen Segeln gegen den Stein an und brach, so dass alle ins Meer stürzten. Der Jüngling sprang sogleich aus seinem Boot und rettete zuerst die Königstochter, dann die beiden Dienerinnen, der Fährmann war unter den Wellen begraben worden. Die schöne Jungfrau war lauter Dank und wollte ihren Retter mit Gold überhäufen lassen, wenn er nur mit ihr in ihr Schloss ging, er nahm aber nichts an, als nur eine goldne Blume, welche sie in der Hand hielt. Da sprach sie: „Willst du weiter nichts, so gewähre mir noch eins und bringe uns jeden Tag Fische in das Schloss.“ Das sagte sie aber, weil sie den schönen Jüngling gern öfter gesehen hätte. Er willigte sogleich in ihre Bitte, denn sie gefiel auch ihm gar zu gut und er hätte sie nicht gern zum letzten Mal gesehen. Als sie an das Land kamen und an dem Garten des Schlosses anlangten, erkannte der Jüngling, dass es das Schloss der Stadt war, wo er mit dem Kaufmann gewohnt hatte. Er sagte es seinem Pflegevater und fragte ihn, ob er nicht nach Hause zurückkehren wolle, doch der sprach: „Da wir mit unserm Schiffe Alles verloren haben, so sind wir zu Hause arm, hier aber auf unserer Insel reich; lass uns hier bleiben.“ Dem Jüngling war das ganz recht, denn nun konnte er ungestört jeden Tag die schöne Königstochter sehen. Es verhielt sich aber also mit ihr. Als die Sultanin ihres Kindes so schmählich beraubt worden war, verlor sie alle Lust am Regieren und übergab das Land dem Bruder ihres Mannes, welcher eine schöne Tochter hatte. Diese erzog sie und lehrte sie alle schönen Künste, Tanz und Musik und Gesang; das war aber die Jungfrau, welche der Jüngling gerettet hatte.
Jeden Tag zog er nun auf den Fischfang aus und brachte die schönsten Fische in den Schlossgarten, wo die Dienerinnen der Prinzessin sie ihm abnahmen. Während sie dieselben ins Schloss trugen, saß er bei der Königstochter. Sie erzählten sich Anfangs nur ihre Geschichte, bald aber erzählte ihr der Jüngling auch, wie er sie vom ersten Augenblick, wo er sie gesehen, in sein Herz geschlossen habe und so liebe, dass er ohne sie nicht leben könne. Da gestand sie ihm, dass auch sie ihn über Alles liebe und also waren sie ein Herz und eine Seele. Die Dienerinnen merkten wohl, was vorging, doch sie verrieten es nicht, weil sie die Prinzessin und den schönen Jüngling zu lieb hatten, als dass sie Beide hätten unglücklich machen sollen. Da kam aber eines Morgens die Sultanin daher gegangen, um zu sehen, wo die Prinzessin sei, und da die Beiden so in ihr Gespräch vertieft waren, dass sie nichts hörten und sahen, so konnte sie ungestört Alles abhorchen. Plötzlich stand sie vor ihnen, so dass der arme Jüngling nicht mehr entfliehen konnte. Sie hielt ihn fest, und winkte den Schildwachen, welche auf den Mauern standen; diese stürzten hinzu und führten ihn mit der Prinzessin in ein Gefängnis, jedes in seine eigne Zelle.
Am dritten Tage nachher war das Verhör. Zuerst wurde der Jüngling vor das Gericht geführt und die Sultanin saß selber dabei. Er solle vor Allem sagen, wer er sei, da fing er an, seine Geschichte zu erzählen, wie er in einem schönen Kästchen auf dem Grabe der Frau des Kaufmannes gefunden worden sei. Das Tuch worein er gewickelt gewesen war trug er seit seiner ersten Jugend stets auf der Brust bei sich; das zog er nun heraus und sprach: „Dieses Tuch war meine Windel und das ist neben der goldnen Blume der Prinzessin mein kostbarstes Gut.“ Als er aber in seiner Erzählung fortfahren wollte, schrie die Sultanin plötzlich: „Schweige und lass mich einmal das Tuch sehen.“ Da gab er ihr dasselbe und kaum hatte sie es näher betrachtet, da erkannte sie ihrer eignen Hände Arbeit, stürzte auf den Jüngling zu und rief: „Ach mein liebster Sohn, du bist ja mein liebster Sohn!“ Der Jüngling wusste nicht, was er dazu sagen sollte, da befahl sie den Richtern nach Hause zu gehen und nahm den Jüngling mit sich in ihren Palast. Sogleich musste die Hebamme herbei; als die Sultanin sie bedrohte, bekannte sie, dass sie das Kind dem Mädchen gegeben habe. Da wurde auch das Mädchen geholt und bedroht, und es bekannte, dass es das Kind ins Wasser hätte werfen sollen, aber statt dessen es in ein feines Tuch gewickelt in ein Kästchen gelegt und auf ein frisches Grab gestellt hätte. Statt des Jünglings wurde nun der böse Minister in das Gefängnis geworfen, die Jungfrau aber aus demselben erlöst und noch am selben Morgen die Verlobung gehalten. Dann kehrte der Jüngling in einem großen und prächtigen Schiffe zu der Insel zurück und holte seinen Pflegevater ab, welcher sofort die Stelle des ersten Ministers erhielt, der alte Minister aber wurde enthauptet. Der Bruder des verstorbenen Sultans entsagte nun freiwillig der Regierung und statt seiner bestieg der Jüngling den Thron.

Das Schloss des Todes

Ein armer Mann hatte viel Kinder und demnach auch viel Gevattersleute. Da schenkte ihm seine Frau in seinen alten Tagen noch ein Knäbchen. Er sprach: „Wüsste ich jetzt nur, wen ich zu Gevatter bitten soll!“ Die Frau sprach: „Den Ersten Besten, der dir vor der Tür auf der Landstraße begegnet.“ Da ging der Mann hinaus, es war noch ganz früh, so dass die Sonne mit ihm herauskam, und schritt auf der Landstraße auf und ab. Kam da ein kleines greisgraues Männchen, das war gar freundlichen Aussehens und fragte den Mann: „Ei warum schon so früh auf den Beinen?“ „Ich suche einen Gevatter zu meinem Kinde, wollt ihr mir vielleicht den Gefallen tun?“ fragte der Mann und das Männchen sagte: „Von Herzen gern, sagt mir nur, wann die Taufe ist.“ „Gleich morgen früh, wenn es euch geliebt.“ „Es ist gut, ich habe dann gerade Geschäfte im nächsten Ort und werde zur rechten Zeit bei euch sein.“ „Wie heißt ihr denn, Herr Gevatter?“ „Ich bin der Tod“, antwortete das Männchen lächelnd, grüßte den armen Mann sehr freundlich und ging weiter. Am folgenden Morgen fand es sich zur rechten Stunde ein und hob das Kind aus der Taufe; dann sprach es: „Wenn das Kind vierzehn Jahr alt ist komme ich wieder und dann braucht ihr nicht weiter für dasselbe zu sorgen, im Gegenteil es wird für euch sorgen.“ Da freuten sich die Leute, dankten dem guten Tod und er nahm freundlichen Abschied von ihnen.
Als der Knabe vierzehn Jahre alt war, kam der gute Pate, nahm ihn mit sich in den Wald und sprach: „Jetzt will ich dich zum geschicktesten Arzt in der Welt machen, mein liebes Patenkind, höre nur fleißig zu, was ich dir sage. Wenn du zu einem Kranken kommst und ich stehe zu Häupten des Bettes, dann sage dreist: Hier ist keine Rettung. Stehe ich aber am Fußende, dann mache einen Trank aus süßer Milch und drei Körnlein Salz und in Zeit von drei Tagen ist der Kranke gesund.“ Der Jüngling dankte dem guten Paten und übte seine neue Kunst sehr eifrig, wurde hochberühmt dadurch und reich dazu. Als des Königs Tochter krank war heilte er sie und bekam Gold, mehr als ein Pferd ziehen kann, und als er der Königin Tod vorhersagte und sie auch wirklich starb, da gab ihm der König doppelt so viel und heiratete acht Tage darauf eine andre.
Als er schon ein blühender Mann war und in seinen besten Jahren stand, kam er eines Tages durch den Wald, da begegnete ihm sein Pate und die Beiden gingen eine Strecke nebeneinander fort. An einem Kreuzwege sprach der Tod: „Ich gehe nun rechts, gehe du links und es ist dein Glück; bald sehen wir uns wieder.“ „Wohin gehst du denn?“ fragte der Arzt. „Nach Hause, ich habe da zu tun“, antwortete der Tod. „Dann will ich mit dir gehen, lieber Pate“, sprach der Arzt: „ich habe ja noch nie gesehen, wo du wohnst.“ Der Tod wehrte ihm und bat ihn liebevoll, den andern Weg einzuschlagen, doch der Arzt ließ sich nicht abweisen und flehte den Tod so lange, bis dieser sprach: „Wohlan du kannst mit mir gehen bis an mein Schloss, aber nicht hinein.“ Sie kamen bald auf einen breiten, gar glatten und schönen Weg, der sich weithin in den Wald erstreckte; am Ende desselben stand ein schönes Schloss, daran waren alle Läden geschlossen. Als sie am Tore standen, sprach der Tod: „Jetzt lass es genug sein, lieber Sohn, und kehre um; tue mir den Gefallen!“ Aber der Arzt war jetzt gerade erst neugierig geworden zu sehn, wie es in des Todes Schloss aussähe, und wie sehr der Tod auch bat, er möge jetzt zurückkehren, er bestand darauf, bis er hinein kam. Da waren alle Zimmer dunkel und voll Lichtchen, eins am andern. „Was ist das?“ fragte der Arzt erstaunt und der Tod erwiderte: „Das sind die Lebenslichter der Menschen.“ „Ach lieber Pate, wo ist denn meines?“ fragte der Arzt und der Tod antwortete: „Darnach frage nicht, das ist dir nicht gut zu wissen.“ Da ging es aber wiederum, wie vorher, der Arzt quälte ihn so lange, bis der gute Tod ihm ein ganz kleines Lichtchen zeigte, welches nicht weit vom Verlöschen war. „Nun gehst du mir aber und bleibst keinen Augenblick mehr“, sprach der Tod ernst, „damit ich hier nicht mein Amt an dir üben muss;“ und er führte ihn rasch aus dem Schloss und in den Wald zurück.
Der Arzt eilte nach Hause und wurde noch am selben Abend ernstlich krank. Als er in der Nacht einmal erwachte, schaute er sich im Zimmer um, da stand der Tod zu Häupten seines Bettes. Da wandte er sich rasch in dem Bette um und streckte dem Tode die Beine entgegen. Ruhig ging der Tod an das andere Ende des Bettes, doch da wandte sich der Arzt abermals und trieb sein Spiel also fort bis gegen Morgen, so dass der Tod trotz all seiner Güte und Freundlichkeit dessen doch endlich müde wurde. „Mit dir einem habe ich mehr Not, als mit allen, die ich seit dem Vater Adam geholt habe“, sprach er. „Aber lass uns freundlich scheiden, sage mir, willst du heute noch leben, so gewähre ich es dir gern.“ „Nur noch ein Vaterunserlang“, sagte der Arzt. „Das sei dir gewährt“, sagte der Tod, der Arzt begann: „Vater unser, der du bist – so und jetzt bete ich fünfzig Jahre lang daran.“ Da lachte der Tod und sprach: „Ich werde mich hüten, noch einen Doktor meine Kunst zu lehren.“

Das graue Männchen

Es war einmal ein reicher Bauer. Weil er aber schon alt war und kein Kind hatte, ward er traurig und dachte: „Ich weiß doch nicht, für wen ich eigentlich schaffe.“ Er ließ nun die Sachen gehen wie sie wollten und bald war mehr als die Hälfte seines Vermögens fort. Auf einen Tag lud er Holz im Walde ab, da kam ein klein grau Männlein und fragte ihn, warum er so traurig sei? Als er nun erzählte, wie es jeden Tag rückwärts mit ihm gehe und ein Acker um den andern an den Juden komme, da sagte das Männlein, er, der Bauer, habe Etwas im Hause, wenn er ihm das zu eigen gebe, so wolle er ihn wieder so reich machen, als er gewesen und noch einmal so reich dazu. Der Bauer sagte mit Freuden ja, da verkündigte ihm das graue Männchen, seine Frau gehe mit einem Kinde, das sei nun ihm verfallen und er müsse es ihm hier auf den Fleck bringen, sobald es das zwölfte Jahr erreicht hätte. Bis dahin solle er dem Kinde in Allem den Willen tun und ihm nichts befehlen.
Als der Bauer nach Haus kam und seiner Frau Alles erzählte, sagte sie Anfangs, das Männlein habe sich geirrt, doch nach und nach machte sich die Sache und nach drei Vierteljahren genas sie eines schönen Söhnleins. Zugleich mit dem Kinde kam dem Bauern das Glück ins Haus, so dass er bald nach des Männleins Versprechen doppelt so reich war, als er vorher gewesen.
Der Knabe lief den ganzen Tag im Wald umher und als er sechs Jahr alt war, musste ihm der Vater eine Flinte kaufen, mit der schoss er Alles, was ihm in den Weg kam. Als des Buben zwölfter Geburtstag da war, sagte der Bauer zu ihm, er möge doch morgen einmal mit ins Holz fahren. Des andern Tages setzten sie sich auf den Wagen und fuhren hinaus an die bewusste Stelle. Der Alte fing nun an dürres Holz aufzulegen und allmählig ein Bündelchen daraus zu machen, immer in der Erwartung, dass das graue Männlein kommen sollte. Dem Buben währte aber das Ding bald zu lang und er sagte: „Vater macht fort, sonst bleib ich nicht da!“ Der Vater sprach in seinem Sinn: „O gingst du doch!“ da er ihn aber nichts heißen durfte, so schwieg er ganz still und sammelte fort, aber noch viel langsamer. „Vater“, sagte jetzt der Bub ärgerlich, „wenn du nicht fortmachst, so geh ich in die weite Welt.“ „O wenn du doch gingst!“ dachte der Vater und tat als wenn er über seiner Arbeit einschlafen wollte. Da warf der Sohn sein Gewehr auf den Buckel und sagte: „Ade Alter“, und fort war er. Der Bauer aber war froh und fuhr heim zu seiner Frau und erzählte ihr die ganze Sache und war viel Jammerns bei ihnen über das verlorne Kind. Der Bub lief unterdessen immer lustig in die Welt hinein, doch als er aus dem Walde gekommen und noch ein paar Stunden gegangen war, kam der Hunger an ihn. Deswegen ging er zu einem Bauer und verdingte sich als Knecht, tat aber nicht lang gut. Er kam bald bei vielen Herrschaften herum und war nirgend viel Rühmens von ihm. Endlich kam er auch wieder einmal zu einer Herrschaft, da sollte er die Schafe hüten. Ehe er zum ersten Male hinaustrieb, nahm ihn die Frau bei Seite und sagte, es wäre Schad‘ um so ein junges Bürschchen wie Milch und Blut, und er solle sich mit seinen Schafen auf der Weide immer links halten, denn rechts im Walde sei der große Bär, der habe schon drei Schäfer vor ihm geholt. Der Bub dankte der Frau, hing sein Gewehr um und trieb sein Vieh gleich rechts und immer weiter rechts bis an den dunkeln Wald. Gleich kam auch mit fürchterlichem Brummen ein Bär gelaufen so groß wie ein Scheuertor, mit glühenden Augen, so groß wie ein Paar Suppenteller. Der Bursch besann sich nicht lange und schoss dem Tier gerad ins Gesicht. Da stand mit einem Schlage statt des Bären eine wunderschöne weiße Dame vor ihm, die bedankte sich, dass er sie erlöst habe und sagte, er solle sich dreierlei wünschen. „Fürs Erste“, sprach da der Junge, „wünsche ich mir das Himmelreich dereinst zu erben, fürs Zweite so viel Geld als ich nur immer haben mag und fürs Dritte dich zur Frau.“ „Alles sollst du haben“, sagte die Dame, „nur das Dritte kann nicht sein, denn ich bin nicht mehr ledig und habe einen Mann und drei Kinder zu Haus, ich will dir aber statt dessen die Kraft schenken, dass du dich verwandeln kannst, zu was du willst.“ Und damit verschwand sie. Der junge Bursch zog seines Weges fort bis er an ein großes Schloss kam, da hieß es unten im Ort, heut über acht Tage sei etwas Großes droben vor. Der König wolle seine drei Töchter neben einander stellen; davon sehe eine aus wie die Andre und wer es riete, welche die Älteste oder die Jüngste sei, der solle sie haben und das Königreich dazu; wer aber falsch rate der müsse den Kopf lassen. Da verwandelte er sich in ein goldiges Vöglein und flog in den Schlossgarten, wo die drei Töchter an der Tafel saßen und speisten. Er nahm sich ein Bröcklein und flog damit fort, kam wieder und tat, als wenn er immer kecker würde und ließ sich endlich von der Einen mit der Hand fangen. Da liefen sie alle drei in großer Freude ins Schloss und zeigten ihrem Vater das schöne Vöglein und jede wollte es haben. Die, die es gefangen hatte, tat es aber nicht anders, es musste in einem goldnen Bauer in ihr Schlafzimmer gehängt werden. Als es Nacht war kam das Vöglein heraus, und wie die Königstochter erwachte, stand ein Mann an ihrem Bette. Sie schrie, dass der ganze Hofstaat, den König an der Spitze, gelaufen kam, aber der Vogel war wieder im Käfig, und der Jüngling verschwunden. Der König mit dem Hofe zog wieder ab und war sehr erzürnt, dass man ihn aus dem besten Schlafe geweckt hatte, um Nichts und wider Nichts. Als nun die Prinzessin wieder aufwachte, und der Jüngling wieder an ihrem Bette stand, schrie sie noch ärger denn zuvor. Diesmal aber drohte ihr der König, wenn sie noch einmal einen solchen Lärm anfange, wolle er ihr gewiss und wahrhaftig den Kopf abhauen. Sie getraute sich nicht mehr einzuschlafen und sah nun, wie das Vöglein aus dem Käfig kam und zum schönen Jüngling wurde. Sie erschrak zu Tode und hätte wieder geschrieen, wenn er ihr nicht mit einem Kuss den Mund geschlossen hätte. Sie wurden nun eins mit einander, und sie sagte ihm, sie sei die Jüngste, und daran könne er sie erkennen, dass ihr Taschentuch daumesbreit aus dem Schürzentäschchen herausgucken werde. Hat es denn auch wohl herausgeguckt den andern Tag bei der feierlichen Wahl? Daumesbreit nicht, aber zwei Hände lang sah es heraus, und er bekam sie und war König.
Als er das Regieren ein Wenig satt hatte, ging er wieder wie früher den ganzen Tag auf die Jagd. Er hatte einen großen, großen Forst und darin drei Teiche, einer immer weiter fort als der andre, und an dem ersten stieß er eines Tags auf eine weiße Hirschkuh, die lockte ihn fort bis an den dritten Teich, hier blieb sie stehen. Er schoss – und mit einem Schlage stand statt des Hirsches das graue Männchen da und packte ihn am Kragen. „Ich bin ja der König!“ rief er. „Ei was König! ein schlechter Bauernbub bist du, ich hab damals nur keine Zeit gehabt, dich zu holen; jetzt aber bist du mein!“ rief das Männchen und damit warf es ihn in den Teich, hundert Klafter tief unter das Wasser.
Als die Königin lange vergeblich auf ihren Gemahl gewartet hatte, rief sie alle Zauberer im Lande zusammen, um ihn wieder herbeizuschaffen. Lange wollte es keiner unternehmen, zuletzt sagte einer, er wolle es tun, er brauche dazu nichts als einen Spiegel und eine Sackuhr. Mit diesen beiden Stücken fuhr er hinaus an den Teich, zog einen Kreis darum und legte die Uhr ans Ufer. Dann fing er an zu beschwören, bis das Männlein heraus kam aus dem Wasser. Es ging in dem Kreise um den Teich herum, bis es an die Uhr kam, da blieb es stehen und fragte, was das sei? Das wäre eine Uhr, sprach der Hexenmeister, darin wäre etwas Lebendiges und man könne immer darauf sehn, welche Zeit es sei. Das Männlein hielt die Uhr ans Ohr und sagte, es wolle sie eintauschen. Der Zauberer erwiderte, für den König könne er sie bekommen; endlich wurden sie einig, dass das Männlein den König nur einmal zeigen und die Uhr dafür kriegen solle. Da fuhr es hinab und brachte den armen König heraus, es ließ ihn aber nur zur Hälfte aus dem Wasser heraus sehen, damit es noch Gewalt über ihn hatte, und riss ihn dann schnell wieder hinunter.
Wie er es mit der Uhr gemacht hatte, so machte es der Zauberer nun mit dem Spiegel. Das Männlein freute sich gar sehr über das Glas, worin es sich persönlich sehen konnte und sagte, es hätte nie gedacht, dass es so schön sei. Der Zauberer versprach ihm den Spiegel, wenn es den König noch einmal herausheben und auf seine flache Hand stellen wolle.
Das Männlein willigte ein; wie aber der König auf seiner Hand saß, ward er auf einmal zum goldigen Vöglein und flog fort. Das Wasser schwoll ihm nach, zwei Stockwerk hoch, doch es konnte ihn nicht mehr erreichen. Da zerschlug das Männlein im Zorn den Spiegel und fuhr hinab in den brausenden See. Als aber der Zauberer heim kam, lag der König schon oben am Fenster und hatte sein liebes Ehgemahl im Arme.

Das treue Füllchen

Hans hatte sich beim Müller verdungen um drei Ohrfeigen, welche er dem Müller geben dürfte. Der Müller wäre ihn aber bald gern wieder los gewesen, hieß ihn in den Brunnen steigen und die Knechte, ihm einen Mühlstein nachwerfen. Aber der Mühlstein fiel dem Hans auf die Schultern, so dass sein Kopf durch das Loch schaute und Hans rief, als er aus dem Brunnen kam: „Seht meinen schönen Halskragen!“ und tanzte mit dem Mühlstein herum. Noch anderes versuchte der Müller, ihn in die andre Welt zu befördern, aber es nützte ihm nichts, er musste die drei Ohrfeigen aushalten. Die erste gab Hans ihm mit zwei Fingern, davon lag er acht Tage krank, von der zweiten wäre er fast tot geblieben. Die dritte schenkte der gutherzige Hans ihm und zog weiter zu einem Schäfer, bei welchem er sich als Hirte verdingte.
Als er nun am folgenden Morgen das erste Mal austreiben wollte, sagte der Schäfer: „Hans, du kannst überall hintreiben, nur nicht auf die Riesenweide!“ „Es ist schon gut“, sagte Hans und trieb gerade dahin. Er war kaum da, als schon ein Riese vom Berge her heranpolterte und rief: „Was hast du auf meiner Weide zu tun?“ „Das geht dich nichts an“, sprach Hans und schlug ihn mit drei Fingern hinters Ohr, da fiel der Riese hin, so lang wie er gewachsen war. Abends erzählte Hans dem Schäfer die Geschichte, aber der schüttelte den Kopf und sprach: „Solch Ding tut wohl einmal gut, aber das zweite Mal nicht. Treibe die Schafe morgen einen andern Weg.“ „Es ist schon gut“ sprach Hans.
Am folgenden Morgen fuhr Hans mit der Herde abermals der Riesenweide zu. Sogleich erschien ein Riese vom Berge her, der rief: „Was hast du auf meiner Weide zu tun?“ „Das geht dich nichts an“, sprach Hans und schlug ihn mit vier Fingern an die Ohren, so dass sie ihm sein Lebtag nicht mehr weh taten. Wer nun wüsste, was da jenseits der Berge für ein Land liegt, dachte Hans; wenn das nicht etwas ganz besonderes wäre, würden die Riesen nicht hier Wache stehen. Er ging zum Schäfer und sprach: „Nimm deine Herde zurück, ich bin des Schäferns müde und gehe in das Riesenland.“ Der Schäfer versuchte wohl, ihm abzuraten, aber Hans hörte nicht auf ihn und zog weg gegen die Berge hin.
Das war ein hoher, hoher Berg, den er da erklettern musste und hinter dem Berge lag ein tiefes, tiefes Tal, darin stand ein herrliches Schloss. Das gefiel dem Hans nicht schlecht. „Da muss es besser Leben sein als in des Müllers Haus und in des Schäfers Hütte“ sprach er und stieg den Berg hinab und ging in das Schloss hinein. Hei das war eine Pracht und Herrlichkeit, ein Zimmer schöner wie das andre und im letzten hingen lauter Riesenröcke. Dann ging Hans auch in den Stall, da standen drei Pferde und was für Pferde! Schöner gibt’s keine in des Kaisers Marstall. Das erste war ein Schimmel, das andre ein Rappe, das dritte ein Brauner, und er ging und strich sie und klopfte sie, einen nach dem andern. Da hörte er plötzlich rufen: „Hans, Hans.“ Er guckte sich um, aber da war kein Mensch zu sehn. „Hans, Hans“, rief es abermals und da merkte er, dass die Stimme aus der Ecke kam, wo der Schimmel stand und als er hinging, war das der Schimmel selber, der rief zum dritten Mal: „Hans, Hans.“ „Was hättest du gern?“ fragte Hans. Der Schimmel antwortete: „Sattle mich, Hans, und reite auf den gläsernen Berg, aber lass dich droben nicht festhalten, es wird dein Glück sein.“ „Mich festhalten?“ fragte Hans, „dafür lass du mich sorgen.“ Er sattelte den Schimmel und ritt hinaus, da hinkte der Schimmel und schnappte, dass es zum Erbarmen war. Hinterm Schloss grade vor dem gläsernen Berg lag ein Dorf, als Hans hindurch ritt, liefen ihm die Kinder nach und die Alten lachten ihn aus und riefen: „Was will der auf seinem schnapperigen krummen Gaul“, aber Hans ließ sich nicht irre machen und dachte, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Als er jenseits des Dorfes an den gläsernen Berg kam, da schüttelte sich der Schimmel dreimal. Augenblicklich hörte sein Hinken auf und Hans war ganz überschmuckt; er hatte eine goldne Rüstung an, einen goldnen Helm auf dem Haupte und an seiner Seite hing ein mächtiges Schlachtschwert. „Ach was bin ich für ein schöner Bursche geworden, so gefalle ich mir!“ rief Hans, der sich in dem gläsernen Berge abgespiegelt sah. Da sprach der Schimmel: „Jetzt halte dich fest im Sattel, Hans, und lass dich durch nichts irre machen, hau aber droben brav zu.“ „Schimmelchen, du kennst den Hans noch nicht“, sprach Hans, „sonst wüsstest du, dass der zuschlagen kann.“ Da erhob sich der Schimmel und sprengte in mächtigen Sätzen den gläsernen Berg hinan, dass die Funken und die Splitter davon stoben. Droben lief er mit Hans auf einen großen Platz, wo allerlei Waffenspiel gehalten wurde und waren da wohl tausend Ritter versammelt. Da kamen ihrer viele, um mit Hans einen Straus zu bestehen, aber er teilte solche Hiebe aus, dass es seinen Gegnern bald Angst wurde und sie sich gefangen gaben. Als der König ihn aber bewillkommen wollte, wandte er plötzlich seinen Schimmel und weg war er. Als er drunten ankam war es Nacht, so dass Hans in seiner goldnen Rüstung in das Schloss zurückreiten konnte, ohne dass ihn jemand bemerkte.
Am andern Morgen ging er in den Stall, um nach den Pferden zu sehen, da rief es wiederum: „Hans, Hans.“ „Was hättest du gern, mein Schimmelchen?“ fragte Hans, aber der Schimmel sprach: „Ich habe dir nicht gerufen, sondern der Braune.“ Hans ging zum Braunen und fragte: „Was hättest du gern mein Bräunchen?“ „Sattle mich, Hans und reite auf den gläsernen Berg, aber lass dich droben nicht festhalten, es wird dein Glück sein“, antwortete der Braune. „Festhalten sagst du? frage das Schimmelchen, ob Hans sich festhalten lässt“, sagte Hans, nahm Sattel und Zaum, machte den Braunen zurecht und sprang drauf. Als er hinausritt hinkte das Bräunchen, dass es ein Jammer war und das ganze Dorf den Hans auslachte, aber der saß wie ein Kaiser so ernst auf seinem lahmen Gaul und lachte sie erst recht aus, denn er dachte: „Wüsstet ihr, was ich weiß!“ jenseits des Dorfes am gläsernen Berge schüttelte sich das Bräunchen dreimal, da kannte der Hans sein Bräunchen und sich selber nicht mehr, so sehr glänzte er in seiner Rüstung von rotem Gold und seinem Helm mit prächtigen Federn drauf. „Nun halte dich fest im Sattel Hans und haue droben brav zu“, sprach der Braune und Hans erwiderte: „Es ist schon gut, ich weiß das alles schon; nur vorwärts.“ Da setzte der Braune seine Hufe ein und sprengte den gläsernen Berg hinan, dass es nicht anders schien, als er flöge hinauf; Hans saß aber im Sattel, wie der beste Reitersmann, so fest und so stolz. Droben lief der Braune wieder auf den Platz, wo das Turnier auch diesmal stattfand. Als Hans hereinritt, wandten sich des Königs und aller Zuschauer Augen auf ihn, denn ein so schöner Ritter war noch nie gesehen worden. Jetzt zog Hans sein Schwert und schwang es und rief: „Ihr Herrn, ihr Herren, wer will, ich habe große Fechtlust, als heran, als heran!“ Da sprengten sie einer nach dem andern auf Hans los und fochten mit ihm, aber keiner konnte gegen ihn ankommen; wem er mit seinem Schwert zu nahe kam, der hatte soviel, dass er nicht mehr begehrte. Plötzlich wurden die Trompeten geblasen zum Zeichen, dass das Turnier zu Ende sei. Da stand der König auf um Hans zu begrüßen, aber der wandte seinen Braunen und fort war er. Drunten ritt er unbemerkt wieder in das Riesenschloss und schlief prächtig auf die Strapaze.
Am folgenden Morgen als er im Stall nach den Pferden sah, rief es abermals: „Hans, Hans.“ „Was willst du, mein Bräunchen?“ fragte Hans, aber der Braune sprach: „Ich habe dir nicht gerufen, sondern der Rappe.“ Hans ging zum Rappen und fragte: „Was hättest du gern, mein Räppchen?“ „Sattle mich Hans und reite auf den gläsernen Berg, aber lass dich droben nicht festhalten, es wird dein Glück sein.“ „Mit dem Festhalten hat’s keine Not“ sprach Hans, sattelte und zäumte den Rappen und ritt fort. Draus fing der Rappe wieder an zu hinken, ach das war nicht anzusehen und das ganze Dorf lachte und höhnte den armen Hans aus, der aber ein ganz vergnügtes Gesicht dazu machte. Am gläsernen Berg schüttelte sich der Rappe dreimal und da funkelte der ganze Hans von Gold und Edelsteinen, dass es nicht zu sagen ist, und des Rappen Sattel und Zaum war so kostbar, dass er seines Gleichen nicht hatte. „Nun halte dich fest im Sattel Hans und haue droben brav zu“, sprach der Rappe, und Hans: „Lass mich nur gehen, ich kenne das Ding schon.“ Wie der Wind sprengte der Rappe jetzt den Berg hinan und grade auf den Turnierplatz zu. Diesmal räumte der Hans aber unter den Rittern auf! Er schlug auf sie los, dass die Stücke von den Helmen und Panzern fuhren und Schwerter und Schilde zerbrachen. Da fingen plötzlich die Trompeten an zu blasen und Hans wandte seinen Rappen, um nach Hause zu sprengen. Aber der König hatte Befehl gegeben das Tor des Platzes zu schließen und wollte den Hans fangen, tot oder lebendig, stand auch selber mit bloßem Schwert an dem Tor. Als der Hans dahin kam und sich eingeschlossen sah, lenkte er seinen Rappen ein wenig zurück und setzte über das Tor hinweg, da schlug der König mit dem Schwerte nach ihm, um ihn wenigstens zu zeichnen. Hans hatte aber eine so harte Haut, dass die Spitze des Schwertes darin stecken blieb und abbrach. „Jetzt wollen wir ihn schon kriegen“ sprach der König.
Am folgenden Tage schickte der König von dem gläsernen Berge nach allen Seiten Boten aus, welche verkündigen mussten: „Der Ritter in dessen Bein des Königs Schwertspitze steckt, soll die Prinzessin zur Gemahlin bekommen.“ Da brach mancher Ritter ein Stück von seinem Schwert ab, bohrte es in sein Bein und ließ sich zum König tragen, aber sie fuhren alle mit Schande ab, denn keine der Spitzen passte an des Königs Schwert. Hans hatte Anfangs seine Wunde nicht geachtet, denn die Schwertspitze galt ihm so viel, als unser einem ein Splitter Holz. Nach und nach aber eiterte die Wunde und wurde so schlimm, dass er nicht mehr gehen konnte und einen Arzt holen lassen musste. Als dieser die Wunde sah und die Schwertspitze herauszog, sprach er: „Warum meldet ihr euch nicht an des Königs Hof, da ihr doch des Königs Tochter zur Gemahlin bekommen könnt? Denn das ist des Königs Schwertspitze, seine Krone steht darauf.“ „Ei sage du es ihm, wenn du Lust hast und dir einen Botenlohn verdienen willst“ sprach Hans. Da verband der Arzt die Wunde schnell und eilte zum König. Dieser setzte sich in einen stolzen Wagen und fahr sogleich zu Hans. Als er in das Zimmer des Schlosses kam, wo Hans zu Bette lag, erkannte er ihn sogleich und rief: „Du tapferster von allen Rittern, warum hast du dich mir nicht eher zu erkennen gegeben? Wie freue ich mich, dass ich dich finde!“ „Es ist ja immer noch früh genug“, sprach Hans. „Wann soll denn die Hochzeit sein?“ „Wenn du erst wieder gesund bist“, antwortete der König. „Dann lasst nur schnell Anstalt dazu machen“, sprach Hans und sprang aus seinem Bett auf; „der Mückenstich an meinem Bein hat nichts zu bedeuten.“ So wurde die Hochzeit mit großer Feierlichkeit begangen und Hans war ein königlicher Prinz.
Nach einem Jahre gebar die Prinzessin ihm einen Sohn, und kaum war der auf der Welt, so warf der Schimmel im Stall ein Füllen. „Das hat also sein sollen und muss seine Bedeutung haben“ sprach Hans. „dass mir das Füllchen nur gut gepflegt werde!“ Er hatte aber nicht lange Freude an dem Knaben und dem Füllchen, denn als Beide ein Jahr alt waren, brach ein Krieg aus und Prinz Hans zog ins Feld und blieb sieben Jahre aus, denn so lange währte der Krieg. Der Knabe wuchs aber mit dem Füllchen auf, und als er drei Jahre alt war, ritt er schon auf ihm, und Beide hatten einander so lieb, dass sie stets beisammen waren, vom Morgen bis zum Abend.
Hans hatte in seiner Stadt einen Hofjuden wohnen, der mauschelte der Prinzessin so viel vor, dass sie dem Hans ihre Treue brach und mit dem Juden hielt; es war überhaupt nicht manch gutes Haar an ihr. Das dauerte also über sechs Jahre lang, da kamen Boten, welche meldeten, dass Prinz Hans bald zurückkehre, da er all seine Feinde geschlagen habe. Da sprach der Jud: „Au waih geschrieen, wenn der Prinz heim kommt und der kleine Bub ihm sagt, dass wir zu einander gehalten haben. Du musst den Buben töten, wenn er nicht plaudern soll.“ Sprach das ruchlose Weib: „Das will ich schon wenn ich nur wüsste, wie ich das anfangen soll.“ Der Jud gab ihr Gift und sprach: „Mische ihm das in seinen Kaffee, dann plaudert er nicht mehr.“
Als der Knabe Nachmittags aus der Schule kam, rief ihn die Königin und sprach: „Da mein liebstes Söhnchen, trink deinen Kaffee.“ „Stell ihn auf mein Tischlein, liebe Mutter“, erwiderte das Kind. „Ich laufe einmal schnell in den Stall, um nach meinem Füllchen zu schauen.“ Als der Knabe in den Stall kam lag das Füllchen da und war sehr traurig. „Füllchen, ach liebes Füllchen, was fehlt dir?“ fragte der Knabe und das Füllchen sprach: „Ach mein liebster Sohn, ach mein liebster Sohn, trink deinen Kaffee nicht, sondern gib nur ein wenig der Katze und du wirst sehn, was drin ist.“ Da sprang das Kind zurück und gab der Katze ein wenig von dem Kaffee und kaum hatte sie es getrunken, da flog sie wider die Decke und zerplatzte: so stark war das Gift.
Der Jud wusste gar nicht, was er dazu denken sollte, dass das Kind nicht sterben wollte, kam zu der Königin und sprach: „Au waih geschrieen, der Bub muss sterben, wenn er uns nicht verraten soll. Hier hast du Stoff zu einem Kittelchen, den trage zu den neun und neunzig Schneidern, und lass ihn schnell zurecht machen, dann muss er zu Grunde gehen.“ Die Königin tat, wie der Jud gesagt und gegen Mittag war das Kittelchen fertig. Als nun das Kind aus der Schule kam, rief sie es zu sich und sprach: „Sieh einmal, mein liebstes Söhnchen, was habe ich dir für ein schönes Kittelchen machen lassen!“ „Lege es auf mein Tischlein, liebste Mutter“, antwortete das Kind; „ich laufe einmal schnell in den Stall, um nach meinem Füllchen zu schauen.“ Als der Knabe in den Stall kam, lag das Füllchen da und ließ den Kopf hängen. „Füllchen, ach liebes Füllchen, was fehlt dir?“ fragte der Knabe. „Ach mein liebster Sohn, ach mein liebster Sohn“, sprach das Füllchen; „ziehe das Kittelchen von deiner Mutter nicht an. Droben in meiner Krippe liegt ein Stoff, der sieht eben so aus, trag ihn zu den neun und neunzig Schneidern und lass dir ein Kittelchen daraus machen und das ziehe an. In das andere sollst du den Haushund wickeln und du wirst sehen, was drin ist.“ Der Knabe tat also und als der Haushund in dem Kittelchen steckte, drehte er sich hundertmal im Kreis herum und war tot. Dann ging das Kind wieder zu den neun und neunzig Schneidern, holte sein anderes Kittelchen und zog es an, das stand ihm gar zu schön.
Am folgenden Tage kam Prinz Hans von seinem Feldzug zurück. Als er eben am Tor anlangte, lief der schlechte Hofjud zu der Prinzessin und sprach: „Au waih geschrieen, der Prinz kommt und der Bub plaudert. Leg dich schnell ins Bett, stell dich todkrank und tue was ich dir sage, dann geht Alles gut.“ Dann gab er ihr einen bösen falschen Rat und lief weg.
„Wo ist meine herzallerliebste Frau?“ fragte Hans, als er in das Schloss kam und er war ganz untröstlich, als er hörte, sie sei plötzlich todkrank geworden. Er eilte zu ihr und da tat sie gerade, als liege sie in den letzten Zügen. „Ach ist denn nichts, was dir helfen kann?“ rief Hans. Da sprach sie: „Alle Ärzte sind hier gewesen und keiner konnte nur einen Rat geben, außer einem, der hat aber sofort weiter reisen müssen, weil er so gar viel zu tun hat. Aber was der mir gesagt hat, kann ich nicht tun, ja nicht einmal sagen, ach es ist allzu erschrecklich.“ „Sage es nur“, sprach Hans, „mir ist nichts zu teuer, wenn ich meine herzliebe Frau vom Tode retten kann.“ „Wenn ich es denn sagen muss“, sprach sie und seufzte heuchlerisch dazu, „nun gut, dann will ich es sagen. Das einzige Mittel mich zu retten, ist dass du unseres lieben Söhnchens Zunge in Milch kochen lässt.“ Da war Hans noch viel unglücklicher. Er ging hinaus, da sprang ihm der Knabe mit dem Füllchen entgegen und Hans dachte bei sich: „Das Füllen ist mit dem Kinde zu ein und derselben Stunde geboren, wir wollen dem Tier die Zunge ausschneiden lassen.“ Während nun ein Feldscherer geholt wurde, sprach das Füllen zu dem Knaben: „Mein lieber Sohn, ach mein lieber Sohn, gleich kommen sie und wollen mir die Zunge ausschneiden. Bitte aber deinen Vater, er möge dich vorher dreimal herumreiten lassen und halte dich fest im Sattel.“ Gleich darauf kam der Feldscherer mit Messern und Scheren und Hans sprach: „Hole dein Füllen, lieber Sohn, wir müssen ihm die Zunge ausschneiden und sie deiner Mutter als Arznei geben, sonst stirbt sie.“ Der Knabe sagte: „Lieber Vater, lass mich vorher noch dreimal herumreiten, ehe mein armes Füllchen stirbt.“ Hans war damit zufrieden, der Knabe schwang sich auf das Füllen und ritt herum. Beim dritten Mal aber erhob es sich plötzlich von der Erde und stob durch die Luft fort, immer höher und immer weiter, bis es ganz verschwand. Da hatte Hans das Nachsehen, das Weib wurde aber ohne die Zunge gesund.
Also flog der Knabe über drei Königreiche weg, erst in dem vierten ließ das Pferdchen sich nieder. Da sprach es: „Nun geh‘ ins Schloss und nimm Dienst an. Was du siehst, das kannst du machen und noch dreimal schöner, als jeder andre. Wenn du aber in Not kommen solltest, oder dir etwas wünschest, dann rassle nur mit diesem Kettchen und ich bin bei dir.“ Es gab ihm noch die Kette, nahm Abschied von ihm und flog durch die Luft davon.
Der Knabe ging in das Schloss und suchte Dienst. Er wurde als Pferdeputzer im Hofstall angenommen und Alles ging ihm so flink von der Hand und gelang ihm so gut, dass der Stallmeister mit keinem Knechte so zufrieden war, als mit ihm. So lebte er wohl sechs Jahre in dem Stalle. Eines Samstags ging er nach getaner Arbeit in den Hofgarten, wo der Gärtner eben Sträuße für die Königstochter band. Der Knabe sprach: „Lasset mich versuchen, auch einen Strauß zu binden.“ „Du magst gut die Pferde putzen können, aber du musst die Hände von den Blumen lassen“, sprach der Gärtner. „Es kommt auf einen Versuch an“, meinte der Knabe, pflückte sich ein paar Blumen und etwas Grün dazu und machte einen Strauß, dass dem Gärtner alle fünf Sinne still standen. „Du darfst nicht im Pferdestall bleiben“, sprach der Gärtner, meldete Alles dem Könige und erwirkte, dass der Knabe sofort zum Gärtnerburschen ernannt wurde. Da sah man bald dem Garten an, dass eine andere Hand darin waltete; die Blumen blühten schöner und reicher, neue Blumen aller Art wuchsen aus dem Boden heraus und die Bäume trugen Frucht, dass die Äste fast brachen. Jeden Samstag wenn seine Arbeit getan war und Niemand mehr in den Garten kam, rasselte der Knabe, der unterdessen zum Jüngling wurde, mit seinem Kettchen, dann stand sein Pferdchen bei ihm. Er schwang sich auf, das Pferdchen schüttelte sich und sogleich strahlte und funkelte er von Gold und Silber. So ritt er in dem Garten umher und das war all seine Freude. Nun schauten aber die Zimmer der Prinzessin mit ihren Fenstern in den Garten und sie sah jeden Samstag den schönen Reiter, sagte aber nichts davon, denn sie meinte, es könne nur ein Engel sein, der da erschiene und von Erscheinungen soll man nicht reden, sonst verschwinden sie und man sieht sie nicht mehr. Eines Tages aber sah sie, wie der Gärtnerbursche in den Garten trat, sein Kettchen hervorzog und damit rasselte, wie das Pferdchen kam, er sich aufschwang und augenblicklich in Gold und Silber strahlend in dem Garten herumritt. Da entbrannte sie in Liebe zu ihm und diese war so heftig, dass sie krank wurde. Sie schlich nur noch wie ein Schatten umher. Als der Jüngling das hörte, brachte er ihr jeden Tag zwei Sträuße, ihr Gemüt zu erfreuen und zu erheitern. Dann bot sie ihm jedes Mal die Hand zum Danke und schaute ihn so freundlich dabei an, sprach auch so schön mit ihm, dass er seines Herzens nicht lange Meister blieb. Auf so viel Glück hat die liebe Sonne niemals hernieder geschaut, als das war, wie der Jüngling ihr sein Herz eröffnete und sie ihm ihr Herz aufschloss und sie Beide eins im andern einen so großen Liebesschatz fanden. Wer aber rechte Liebe hat, der hat auch einen rechten Mut. Am folgenden Morgen ging die Prinzessin zu ihrem Vater und bat ihn, er möge sie dem Gärtnerburschen anvermählen; wenn sie auch mit ihm arbeiten und sich plagen müsste, das tue Alles nichts, anders könne sie nie glücklich werden. Der König erzürnte sehr, als er solches hörte und sprach: „Besinne dich drei Tage, bleibst du auf deinem Sinne, dann gewähre ich dir zur Strafe deine Bitte und gebe euch als Wohnung das Hinkelhaus.“ „Ich wohne lieber mit dem Gärtnerburschen in dem Hinkelhaus, als ohne ihn in dem schönsten Schloss der Welt“, sprach die Prinzessin, und nachdem die Hochzeit im Stillen gehalten worden war, zog sie mit ihrem Gemahl in das Hinkelhaus. Da arbeitete sie nun wie eine gewöhnliche Bürgersfrau von Morgens früh bis Abends spät und hatte viel zu tun, da sie auf Reinlichkeit hielt, was die Hinkel nicht tun. Das hätte sie nun gerne Alles getan, wenn sie nicht von den Hofherren und Hofdamen immer verspottet worden wäre; ach das schnitt ihr durchs Herz. Sie klagte es oft ihrem Manne, wenn er aus dem Garten von der Arbeit kam, dann sprach er aber stets: „Warte nur, liebste Frau, du wirst noch lachen, wenn diese alle weinen müssen.“
Plötzlich brach ein Krieg aus und des Königs Land kam in große Not. Da musste Alles zur Verteidigung ins Feld rücken und auch der Gärtnerbursche sollte mit ausziehen. Um sich aber lustig über ihn zu machen, gab ihm der König ein hinkendes Pferd, ein hölzernes Schwert und eine Flinte ohne Hahn; so ritt er aus und der ganze Hof verhöhnte ihn, so dass seine Frau meinte, vor Ärger und Scham in die Erde sinken zu müssen. Er tat, als höre und sehe er nicht. Vor dem Tore blieb er hinter dem Heer zurück und ritt dann abseits in einen Wald. Da rasselte er mit seinem Kettchen und sogleich stand sein Pferdchen vor ihm. Er band den lahmen Gaul an einen Baum und schwang sich auf sein liebes Pferd, das schüttelte sich, da glänzte er von Gold und Silber und an seiner Seite hing ein Schwert, vor dem Alles floh und sank, wenn er es schwang. So ritt er dem Heere nach, da kam dies ihm schon entgegen und war bereits auf der Flucht und der Feind hinter ihm drein. „Mir nach!“ rief er den Soldaten zu. Als diese ihn sahen, wie er so mutig auf die Feinde hineinsprengte und sie zusammenschlug, wie der Schmied das alte Eisen, da gewannen sie wieder Mut, wandten sich um und schlugen auch drauf los. Jetzt war das Fliehen am Feinde, der König siegte und machte so viel Beute, dass alle Pferde der Hauptstadt geholt wurden, um sie heimzufahren. Der König eilte selber dem Gärtnerburschen, den er jedoch nicht erkannte, entgegen, um ihm zu danken, und als er sah, dass derselbe am Bein verwundet war und das Blut herunter lief, verband er selber ihm die Wunde mit seinem Tuche, worein die Königskrone gestickt war. Kaum war das geschehen, so sprengte der Gärtnerbursch fort und in den Wald, wo sein lahmer Gaul hielt. Da steckte er sich wieder in seinen alten Aufzug und ritt heim, während alle Soldaten und der König mit ihn verspotteten.
Seine Frau sah sogleich, dass er etwas am Beine hatte und wollte ihn besser verbinden, da fand sie des Königs Tuch. Zugleich hörte sie, wie draußen ausgerufen wurde, der König lasse den General zu sich entbieten, der ihm die Schlacht gewonnen und den er selber mit seinem Tuche verbunden habe. „Bring ihm das Tuch und sage, dass sein General im Hinkelhaus liege“, sprach er und die Prinzessin eilte entzückt zu ihrem Vater. Unterdessen ging er in den Garten und rasselte mit seinem Kettchen. Da stand sein Pferdchen da, er schwang sich drauf, es schüttelte sich und er leuchtete in seiner prachtvollen Rüstung. „Wenn du deine Frau im Schlosshofe siehst, nimm sie zu dir“, sprach das Pferdchen. Da ritt er in den Schlosshof, wo der König mit seinem ganzen Hofstaat schon stand und ihn suchte. Jetzt konnte der König kommen, um ihm schöne Worte zu sagen, er hörte nicht darauf, sondern warf ihm mit harten Reden vor, dass er seine eigne Tochter so schlecht behandelt habe und erzählte zuletzt, wie er nicht ein gewöhnlicher Gärtnerbursch, sondern ein geborner Prinz sei. Dann ritt er zu der Prinzessin, seiner Frau, hob sie zu sich aufs Pferd und fort ging’s durch die Luft dahin. Da hatte der König das Nachsehen.
Auf einer freien Waldwiese ließ das Pferdchen sich nieder, die lag hart an einem Berge. „Jetzt steiget ab“ sprach es, „und du nimm dein Schwert, schwenke es gegen den Berg und schlage mir den Kopf herunter.“ Der Prinz war gewohnt, dem Pferdchen in Allem zu folgen und wie leid es ihm tat, so folgte er doch auch diesmal. Als aber das Blut auf den Boden floss, da sprang der Berg unter schrecklichem Krachen von einander und vor ihnen lag ein großes Königsschloss, der Wald wurde zum prächtigen Garten und das Gebirge hinter dem Schloss zu einer schönen Stadt. Aus dem Schlosse kamen Diener und Hofherren und aus der Stadt die Bürger und grüßten sie als König und Königin. Da war all ihr Leid zu Ende und das Glück trat an seine Stelle

Von einem Pfarrer, der allzu kräftig predigte

Es war einmal ein Bauer, der war so dumm, dass er sein eignes Haus im Orte nur daran kannte, dass ein Kirschbaum vor der Tür stand. Jeden Morgen, wenn er aufs Feld zur Arbeit ging, gab seine Frau ihm ein Stück Brot, damit musste er umspringen bis zum Abend. Kam einmal ein armer Handwerksbursche daher und bat ihn um ein Almosen: „Ich habe nur ein Stück Brot, da ist es“, sprach der Bauer, „aber im Orte steht ein Haus und davor ein Kirschbaum, da wohne ich; gehe dahin und lass dir mehr geben, meine Frau ist zu Hause.“ Der Handwerksbursche, welcher ein Schneider seines Zeichens war, ging in das Dorf, suchte das Haus und sagte der Frau, ihr Mann habe ihn zu ihr geschickt und sie solle ihm etwas geben. Da gab sie ihm vollauf, denn er war ein schöner Mensch und gefiel ihr. Sie klagte ihm, wie sie mit ihrem dummen Manne so übel dran sei und von Herzen wünsche, von ihm erlöst zu werden. „Ei das ist nichts leichter“, sprach der Schneider, „wenn du mich heiraten willst, will ich alles Übrige schon in Ordnung machen.“ Das garstige Weib freute sich zu sehr, als es das hörte, fiel dem Schneider um den Hals und rief ein über das andere Mal: „Ach was bin ich für eine glückliche Frau!“ „Gib mir vor allem die Säge“, sprach der Schneider, „und geh mit vor die Haustür.“ Das geschah und da sägten sie den Kirschbaum unten an der Wurzel ab und schleiften ihn in die Scheune. „Jetzt sind wir geborgen“, sprach der Schneider, „nun lass uns lustig leben.“ Da hausten die Beiden mit des Bauern sauer verdientem Geld, dass es eine Schande war; Wein und Braten konnte nicht alle werden.
Als der Bauer auf dem Felde mit seiner Arbeit fertig war, trieb er mit seinen Kühen nach dem Dorfe zurück. Da suchte er die Straße hinauf, die Straße hinab nach dem Haus mit dem Kirschbaum davor, aber er fand es nicht und fand es nicht. Die Beiden standen am Fenster, sahen, wie der arme Bauer suchte, und lachten. Endlich sprach der Schneider, der doch kein so ganz verdorbenes Herz hatte, wie das Weib: „Wir wollen ihn doch die Nacht noch einmal bei uns logieren lassen. Morgen mag er sehn, wie er sich forthilft.“ Er trat an die Tür und als der Bauer wieder vorbeikam und ein recht betrübtes Gesicht machte, rief er ihm zu und sprach: „Was fehlt euch denn?“ „Ach ich suche mein Haus, davor ein Kirschbaum steht, und kann es nicht finden und habe doch die letzte Nacht darin geschlafen. Sagt mir doch, wo ich mein Haus mit dem Kirschbaum finde“, bat der Bauer und der Schneider sprach: „Lieber Freund, ich bin in dem Ort geboren und erzogen, aber ein Haus mit einem Kirschbaum habe ich nie hier gesehen. Ihr müsst in einem andern Ort zu Hause sein. Da es aber schon spät ist, so geht mit mir und übernachtet bei mir.“ „Gott lohn es euch!“ sagte der Bauer und bot ihm treuherzig die Hand, dann trieb er seine Kühe durch das Hoftor in den Stall und der Schneider ging mit. Im Stalle schaute der Bauer sich um und sprach: „Wenn der Stall nicht euch gehörte, weiß der Himmel, ich möchte drauf schwören, es sei mein Stall.“ „Was sind das für Redensarten? Ihr werdet doch nicht denken, ich hätte euren Stall genommen?“ fragte der Schneider. „Bewahre, bewahre, lieber Freund“, antwortete der Bauer. „Ein Stall kann ja aber dem andern gleichen.“ Nachdem die Tiere versorgt waren, sagte der Schneider: „Nun kommt herein und esst mit uns zu Nacht.“ „Von Herzen gern, ich habe großen Hunger“, sprach der Bauer und folgte dem Schneider. Als sie in die Stube kamen, saß das Weib da und strickte. Der Bauer schaute sich um, guckte das Weib an und sprach: „Wie es einem doch so kurios gehen kann! Wenn ich nicht wüsste, dass ich in eurem Hause bin, wollte ich drauf schwören, das sei meine Stube und dort sitze meine Frau.“ „Was muss ich da hören?“ rief der Schneider. „Zuvor sagtet ihr, dass es euch scheine mein Stall sei euer, und jetzt wollt ihr gar behaupten, mein Haus und meine Frau seien euer.“ „Bewahre, lieber Freund“, sprach der Bauer, „aber ein Haus und eine Frau können einander gleichen. Es schien mir nur so.“ Sie setzten sich jetzt zu Tische und aßen, dann legten sie sich alle schlafen. Da beriet der Schneider mit dem Weibe, was sie jetzt weiter machen sollten. „Halt ich hab’s!“ rief er endlich. „Ich sah in deinem Kleiderschrank vorhin ein schwarzes Kleid hängen, daraus mache ich ihm einen Pfarrersrock und ein Pfarrerkäppchen. Für das Übrige lass mich nur sorgen.“ Sie holte rasch das Kleid und Zwirn, Nadel und Schere dazu, mein Schneider sprang auf den Tisch und nähte tapfer drauf los, so dass er vor Tagesanbruch mit dem Anzuge fertig war; den legte er dem Bauern vor sein Bett.
Als der Bauer Morgens erwachte und sich anziehen wollte und den Pfarrersrock mit dem Pfarrerkäppchen fand, war er gar verdutzt und sprach zu sich selber: „Hab ich doch gemeint, ich sei ein Bauer und bin doch ein Pfarrer. Was man sich nicht Alles einbilden kann!“ Er zog sich an und ging in die große Stube, da stand der Schneider und das Weib ehrerbietig auf und grüßten ihn: „Guten Morgen, lieber Herr Pfarrer.“ Der Bauer schüttelte den Kopf und fragte sich selber aufs Gewissen noch einmal: „Bin ich’s, oder bin ich’s nicht?“ Da sprach der Schneider: „Wollen Sie denn so früh schon weiter ziehen, Herr Pfarrer?“ und das Weib: „Ich will Ihnen vorher noch einen guten Kaffee kochen, Herr Pfarrer.“ „Ich bin’s nicht, ich bin der Pfarrer“, sagte jetzt der Bauer zu sich selbst, denn so große Falschheit hielt er in seiner Treuherzigkeit nicht für möglich. „Ich nehme den Kaffee mit Dank an“, antwortete er alsdann, trank und aß und reiste weiter, während der Schneider und das Weib ins Fäustchen lachten.
Gegen Mittag kam er an ein Dorf, da war der Pfarrer gestorben und die Bauern suchten einen neuen Pfarrer. Da kam ihnen der Bauer gerade recht und er wurde sogleich ins Pfarrhaus geführt und am folgenden Tage, der ein Sonntag war, sollte er zuerst predigen. „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“, dachte der Bauer und ging Nachmittags aus, um einen Text zu seiner Predigt zu suchen. Da kam er an ein Wasser, worauf ein Korb schwamm und er sprach: „Halt, da habe ich schon eins, das ist Corpum.“ Dann kam er an eine Wiese, worauf eine Kuh Klee fraß. „Es geht gut“, sprach er, „das ist also Corpum Kuhkleeum.“ Dann kam er auf den Weg, wo eine alte Frau saß. „Jetzt hab ich den Text“, sprach er; „Corpum Kubkleeum die alta Mameum.“ Ging nach Hause zurück, ließ vier Zimmerleute kommen, die mussten den andern Morgen vor der Predigt auf den Boden gehen jeder mit einer Axt. Was sie da zu tun hatten, sagte er ihnen ins Ohr.
Morgens als die Gemeinde in der Kirche saß, bestieg er die Kanzel und sprach: „Meine lieben Zuhörer, jetzt fange ich meine Predigt an, deren Text ist schon so kräftig, dass Holz und Stein in der Kirche sich darüber erbarmen und krachen und bersten vor lauter Rührung und ihr alle werdet weinen und jammern, als wenn das jüngste Gericht anbreche.“ „Ah das ist einmal ein Prediger für uns“ sagten die Bauern einer zum andern, als sie husteten und sich schnäuzten. „Der versteht es.“ Jetzt fuhr der Pfarrer fort: „Mein Text lautet aber also: Corpum Kuhkleeum.“ Da schlugen zwei Zimmerleute mit ihren Äxten wider die Decke, dass es Kalk und Lehm regnete. „Die alta Mameum!“ schrie der Pfarrer weiter und da handhabten sie die Äxte alle vier, so dass große Stücke von der Decke herniederfielen und die Bauern alle aus der Kirche flohen, denn sie glaubten nicht anders als sie stürze ein. Er aber ging zufrieden nach Hause.
Da kam der Bürgermeister mit dem Gemeinderat zu ihm und sprach: „Lieber Herr Pfarrer, unsere Kirche ist nicht für so kräftige Predigten gebaut. Da wir aber einen Mann wie euch um alles in der Welt als Pfarrer behalten wollen, so bitten wir euch um Erlaubnis, euch noch einen Pfarrgehülfen geben zu dürfen.“ „Daran tut wie euch gefällt, liebe Pfarrkinder“, sprach der Pfarrer. Er bekam jetzt einen Gehülfen, brauchte nicht mehr zu predigen und hatte gute Tage bis an sein Ende.

Das Mandelkörbchen

Ein Bauer hatte drei Söhne, die mussten tüchtig arbeiten und ihrem Vater Geld verdienen helfen. Eines Tages schickte er sie in den Wald zum Roden, aber anstatt zu arbeiten, spielten die zwei ältern mit Glickern. Als es gegen Mittag ging, wollten sie schnell noch ein wenig nachholen, doch da brach dem einen die Hacke und dem andern die Axt. Da standen sie nun und lamentierten, denn sie wussten wohl, dass es Schläge geben werde, wenn sie nach Hause kämen. Als sie so weinten, kam ein Greis daher, der fragte: „Ihr Buben, was fehlt euch?“ Da klagten sie ihm ihr Leid und er sprach: „Ihr könnt drei Wünsche tun, die sollen euch alsbald erfüllt werden, aber gebt Acht und seid nicht zu rasch, damit ihr euch das rechte wünscht.“ „Ich wünsche mir eine neue Hacke“, rief der Älteste sogleich und da lag die Hacke vor ihm. „Ich wünsche mir eine schöne Frau“, sprach der Zweite und da kam sie schon daher. „Ich wünsche mir ein Schloss mit einem Garten, worin ein Mandelbaum steht; wer von dessen Früchten isst, der muss sofort gesund werden“, sprach der Dritte, welcher der Jüngste war, und da stand das Schloss schon da. Jetzt zog die ganze Familie zu dem Jüngsten, der Vater und die zwei Ältesten.
Als sie so eine Zeitlang in dem schönen Schloss gewohnt hatten, wurde des Königs Tochter krank und kein Arzt konnte sie wieder gesund machen. Da ließ der König ausrufen, wer die Prinzessin vom Tode errette, der solle sie zur Gemahlin haben. Als das der Bauer hörte, dachte er gleich an den Mandelbaum, brach ein Körbchen voll frischer Mandeln ab und gab es seinem ältesten Sohn, dass der es in das Schloss des Königs trage. Der nahm es und ging der Stadt zu. Unterwegs begegnete ihm ein graues Männchen, das fragte ihn: „Was hast du in deinem Körbchen?“ „Nichts“, sagte der Junge und das Männchen sprach: „Ist es nichts, dann bleibt es nichts.“ Der Junge lachte und ging weiter und kam in das Schloss zum König und gab ihm das Körbchen, das mit einem reinen, weißen Tüchlein verdeckt war. „Mein Vater lässt grüßen und hier wären die Mandeln um die Königstochter damit gesund zu machen“ sprach er und der König war über die Maßen froh und deckte das Tüchlein auf – aber das Körbchen war leer. Da wurde der König blitzböse, warf den Jungen vor die Tür und ließ ihm von seinem Kammerdiener fünfundzwanzig überzählen. Damit konnte er nach Hause gehen, als er aber heimkam, da gab ihm sein Vater noch einmal fünfundzwanzig, so dass er im Ganzen fünfzig hatte und die Mandeln und das Männchen und den König in Grund und Boden hinein verwünschte. Das war auch ein schlechter Botenlohn.
Am andern Morgen sprach der zweite Sohn, er wolle es schon besser machen, und der Vater füllte ihm das Körbchen mit Mandeln und er zog ab. Nicht weit von der Stadt kam das graue Männchen auch zu ihm und fragte: „Was hast du in deinem Körbchen?“ „Nichts!“ sagte der Junge unwirsch, und das Männchen sprach: „Gut, dann sollst du auch nichts haben.“ Der Junge spottete dem Männchen nach und lachte und ging in die Stadt zum König und bot ihm das Körbchen mit dem weißen Tüchelchen verdeckt, indem er sagte: „Einen schönen Gruß vom Vater an den Herrn König und hier wären die Mandeln um die Jungfer Prinzessin gesund zu machen.“ „Lass einmal sehn“, sagte der König und hob das Tüchlein auf – und das Körbchen war leer. „Was?“ rief der König, „willst du mich auch zum Narren halten? wart, du sollst lernen, was frische Mandeln sind!“ Und er ließ den Kammerdiener kommen und der gab dem Jungen fünfzig Mandeln um die Ohren, aber die waren so bitter, dass sie ihm das Wasser in die Augen trieben. „Wie schmeckten die?“ fragte der König. „Schlecht!“ rief der Junge und lief nach Haus, und da kriegte er von seinem Vater noch fünfzig dazu. Das machte zusammen hundert und war ihm mehr als zuviel.
Der Jüngste war zwar nicht so schön von Angesicht, wie seine zwei Brüder, doch er hatte ein Herz, das war um so viel schöner. Der sprach am andern Morgen, er wolle es auch versuchen mit den Mandeln, vielleicht habe er mehr Glück. „Tu es“, sprach der Vater, „aber wenn du wieder kommst, wie deine Brüder, dann schlag ich dich butterweich.“ „In Gottes Namen“, sprach der Jüngste, und der Vater machte ihm ein Körbchen voll Mandeln zurecht und legte ein weiß Tüchlein drauf, und der Junge machte sich auf den Weg. Bald begegnete ihm das Männchen und fragte ihn, was er in dem Körbchen habe? „Mandeln um die Königstochter gesund zu machen“ sprach er. „Willst du vielleicht ein paar haben, es kommt nicht darauf an, denn ich habe doch genug.“ „Ich danke dir“, sprach das graue Männchen. „Weil du aber so gut bist, so will ich dich belohnen. Wenn du mit diesem Pfeifchen pfeifst, dann hast du Alles, was dein Herz begehrt.“ Mit den Worten reichte das Männchen ihm ein Pfeifchen und fort war’s.
Der Junge ging jetzt in die Stadt und grade auf das Schloss zu und zum König. „Einen schönen Gruß vom Vater und hier wären die Mandeln, womit ich die Prinzessin gesund machen kann“, sprach er und bot dem König sein Körbchen. Der König deckte es auf und da lagen die schönsten Mandeln drin, die man mit Augen sehen kann und lachten ihn ordentlich an. Er ging gleich damit zur Prinzessin und kaum hatte sie eine gegessen, da wurde ihr schon wohler und als sie drei gegessen hatte, da war sie schon halb gesund. Jetzt wollte der jüngste sie auch zur Frau haben, aber der König sprach: „Nein, noch nicht, du musst erst drei Aufgaben erfüllen, wenn du das vollbringst, dann ist die Hochzeit.“ Das sagte er aber, weil ihm der Jüngling als Schwiegersohn nicht gefiel. Dieser fragte, was das sei? Da sprach der König: „Draußen steht ein Maß Hirsen, die lasse ich jetzt säen und du musst bis morgen alle Körner zusammenlegen, so dass das Maß wieder ganz voll ist.“ Das betrübte den Jüngling Anfangs, doch er erinnerte sich bald seines Pfeifchens und dachte, das müsse ihn retten. Er ließ den Hirsen ruhig säen, setzte sich auf den Acker und pfiff. Da krabbelte ihm etwas am Bein, das war der Ameisenkönig und der sprach: „Was befiehlst du, das ich tun soll?“ „Sei so gut und lies die Hirsen zusammen“, sprach der Jüngling, und da erteilte der Ameisenkönig seine Befehle, und ehe es Abend wurde, war das Maß Hirsen wieder voll, so dass kein Körnchen daran fehlte.
Das ärgerte den König, darum machte er die zweite Aufgabe viel schwerer. Er ging mit dem Jüngling ans Meer und warf einen Schlüssel hinein, wo es gerade am allertiefsten war. „Den Schlüssel sollst du mir wiederschaffen!“ sprach er zum Jüngling; „und wenn du das nicht kannst, dann bekommst du meine Tochter nicht.“ „Ich will sehn, ob ich’s kann“, sprach der Jüngling, und setzte sich ans Meer, und als es Abend war, da pfiff er auf seinem Pfeifchen. Alsbald regte sich’s im Wasser und ein Fisch mit einer Krone auf dem Kopf schaute aus dem Wasser und sprach: „Ich bin der Fischkönig, was befiehlst du, das ich tun soll?“ „Sei so gut und lass mir den Schlüssel holen, den der König ins Meer geworfen hat“, sprach der Jüngling. Da ließ der König alle Fische zusammen kommen und gab ihnen auf, den Schlüssel zu suchen, und wer ihn brächte, der bekäme ein gutes Trinkgeld. In Einem Augenblicke schossen die Fische auseinander und bald kam einer aus der tiefsten Tiefe herauf und hatte den Schlüssel im Maul und gab ihn dem Fischkönig, und der gab ihn dem Jüngling, welcher sich freundlich dafür bedankte.
Nun ärgerte sich der König erst recht und sann von Neuem, um etwas noch viel Schwereres auszusinnen. Es dauerte auch nicht lange, da hatte er’s gefunden. Er ließ den Jüngling kommen und sprach: „Wenn du nun auch hundert Schafe einen Monat lang auf einem Fleck weidest, ohne dass sie magerer oder fetter werden und ohne dass du eines von ihnen verlierst oder dass ihrer mehr werden, dann bekommst du meine Tochter ganz gewiss.“ Der Fleck war aber so klein, dass die hundert Schafe kaum darauf stehen, viel weniger ordentlich darauf weiden konnten, und außerdem war das Gras sehr dünn gesät. Doch das ängstigte den Jüngling nicht; er trieb die Schafe hinaus und Abends herein und pfiff lustig dazu, ließ sie gar übers Stadttor springen, wenn es geschlossen war und im Schlosshof aufmarschieren, wie ein halbes Bataillon Soldaten, so dass jedermann seine Freude daran hatte. Mitunter verlief sich wohl eins, oder es starb eins, doch das tat nichts, denn sobald er pfiff, warf ein anderes ein Junges, welches alsbald wuchs und so groß ward, wie die andern. Dazu lernten die Schafe jeden Tag schöner tanzen, so dass sie es am Ende des Monats trotz dem besten Tanzmeister verstanden. Kurz der Jüngling brachte auch diese Aufgabe zu Stande und da konnte der König, wie sehr er sich auch ärgerte, doch nichts weiter einwenden und musste ihm seine Tochter zur Frau geben. Die Heirat aber wurde sehr prächtig gefeiert und der Jüngling war glücklich für sein Leben lang. Als er später König wurde, machte er seinen Vater zum Minister und gab auch seinen Brüdern hohe Stellen, so dass sie alle gut versorgt waren.

Das goldene Königreich

Ein reicher Herr hatte einen einzigen Sohn. Als dieser zwanzig Jahre alt war, sprach er: „Vater, ich will reisen und die Welt sehn.“ Der Alte war damit zufrieden, gab ihm einen Wagen und Pferde, einen Bedienten, viel Geld und noch mehr gute Lehren und der Jüngling zog dahin.
Eines Abends kamen sie in einen großen Wald, und weil es dunkel war gerieten sie vom Wege ab und gelangten zu einem kleinen Hause. Der Jüngling trat hinein und da saß eine Frau beim Feuer und kochte sich ihr Abendbrot. „Kann ich bei euch übernachten?“ fragte er. „Ei mit Freuden“, sprach die Frau, „setzet euch hin und tut als ob ihr zu Hause wäret.“ Das war dem Jüngling gerade recht, er aß und trank nach Herzenslust, denn er hatte den ganzen Tag noch nichts in den Magen bekommen, und schlief wie ein Prinz bis die Sonne schon hoch am Himmel stand. Er sprang empor und schaute durch das Fenster in den schönen grünen Wald; da liefen Hirsche und Rehe und Hasen in ganzen Herden herum und wilde Vögel aller Arten flogen von Baum zu Baum; dazu sangen die Lerchen und Finken und Nachtigallen, dass es ihm so wohl ward wie ihm nie gewesen war und er beschloss, den schönen Wald nicht so bald zu verlassen.
Beim Frühstück fragte der Jüngling die Frau, wem der Wald gehöre? „Der Wald gehört mein“, sprach sie. Da fragte er weiter ob er wohl darin jagen dürfe, denn die Jagd sei seine größte Lust und Freude. „Das mögt ihr, soviel euch beliebt, doch ich rate euch, tut es nicht“, erwiderte die Frau. Er schlug den Rat aber in den Wind, denn er sah keinen Grund dazu, ergriff eine Büchse und sprang fröhlich in den Wald hinein. Da rief die Frau seinen Diener und sprach: „Geh und folge deinem Herrn schnell, so lieb dir sein Leben ist. Wenn ihr auf den freien Waldplatz kommt, dann springen drei weiße Hirsche vor euch her, doch darf dein Herr keinen schießen, übrigens mag er töten, was ihm vor den Lauf kommt. Du darfst deinem Herrn aber nicht sagen, dass ich dir dies verraten habe, sonst ist es um dich geschehen.“ Der Diener dankte der Frau von Herzen für ihren Rat, denn er liebte seinen Herrn über alles.
Kaum waren Beide einige hundert Schritte im Walde fortgegangen, da wurde es lichter und immer lichter und sie kamen auf eine große Wiese, da sprang ein Bächlein lustig über weiße Kiesel und die Vögel sangen, dass dem Jüngling das Herz im Leibe hüpfte. Da raschelte es plötzlich im Gebüsch und drei prächtige schneeweiße Hirsche mit stolzem Geweih sprangen heraus und liefen quer über die Wiese hin. Der Jüngling legte an, aber ehe der Schuss noch fiel, schlug der treue Diener ihm die Flinte in die Höhe, so dass die Kugel in einen Baum fuhr und die Hirsche unversehrt davonsprangen. Der Jüngling fuhr den Diener hart an, warum er das getan habe, doch dieser entschuldigte sich und sprach, eine Biene habe ihn in die Hand gestochen und darüber sei er aufgefahren.
Sie gingen weiter und der Jüngling schoss noch allerlei Wild, aber die Freude war ihm verdorben, denn die drei weißen Hirsche wollten ihm nicht aus dem Kopfe. In dem Waldhäuschen nahm die Frau den Diener bei Seite und lobte ihn, er habe seinem Herrn das Leben gerettet. Sie trug in ihrer Freude die köstlichsten Speisen aller Art auf, schenkte Wein aus aller Herren Ländern ein und dem Jüngling gefiel es immer besser bei ihr.
Am andern Morgen griff er wieder zur Flinte und ging in den Wald. Da sprach die Frau zu dem Diener: „Geh und folge schnell deinem Herrn; wenn ihr auf den freien Waldplatz kommt, dann springen drei braune Hirsche daher, aber verhüte, dass dein Herr sie schießt, so lieb dir sein Leben ist, und verrate nicht, dass ich dir dies gesagt habe, sonst ist es um dich geschehen.“ Der Jüngling ging ganz denselben Weg, wie Tags vorher, wie sehr auch der Diener suchte, ihn anderswohin zu führen. Bald kamen sie auf die schöne Waldwiese mit dem muntern Bächlein und all den tausend Vögeln. Da raschelte es wieder im Gebüsch und drei braune Hirsche mit prächtigem stolzem Geweih setzten quer über die Wiese hin. Der Jüngling schlug an, aber zugleich gab der Diener ihm einen Stoß, dass die Kugel in die Luft pfiff. Da fuhr der Jüngling zornig auf und rief: „Wenn du dies noch einmal wagst, dann schieße ich dich nieder“; und was der treue Diener auch sagen und wie er sich auch entschuldigen mochte, Alles half nichts, sein Herr blieb dabei. Er konnte nicht verschmerzen, dass die drei Hirsche ihm durchgegangen waren, denn schönere hatte er sein Leben lang nicht gesehen.
Die Frau in dem Waldhäuschen trug heute noch viel köstlicheres Essen auf als am Tage vorher und die guten Weine aller Art standen die Hülle und Fülle auf dem Tische. Zum Diener aber sprach sie heimlich, er habe seine Sache gut gemacht und sein Herr gehe einem großen Glück entgegen.
Als der Jüngling am folgenden Morgen wieder in den Wald sprang, sprach die Frau zu dem Diener: „Gehe und folge deinem Herrn und lass ihn nur nicht schießen, wenn er heute drei schwarze Hirsche auf dem Waldplatz sieht; heute ist der gefährlichste Tag und sein Leben hängt daran; verrate mich aber nicht, so dir dein Leben lieb ist.“ Der Diener versprach ihr es willig und eilte seinem Herrn nach. Aber heute war es ihm so traurig zu Mute, er wusste selbst nicht wie und warum; der Wald schien ihm nicht mehr so schön und die Vöglein nicht mehr so lustig und das Bächlein nicht mehr so munter. Er versuchte wohl seinen Herrn einen andern Weg zu führen, aber der Jüngling wollte nicht, er hatte die drei Hirsche im Kopf und drohte dem treuen Diener: „Heute rate ich dir aber gut, stoße mich nicht, sonst geht es dir schlimm.“ Also kamen sie an die Waldwiese und kaum standen sie da, da brachen drei schwarze Hirsche mit mächtigem Geweih aus den Büschen und sprangen quer über die Wiese daher. Der Jüngling schlug an, da gab ihm der treue Diener einen Ruck, die Kugel sauste in den Wald und die drei Hirsche entsprangen. „Das sollst du mir büßen“, schrie der Jüngling und lud von Neuem. Wie sehr der treue Diener auch jammerte und um sein Leben bat, Alles half nichts, der Jüngling schoss ihn in seinem Zorne nieder.
Als die blasse Leiche aber so vor ihm lag, da verrauchte der Zorn bald und die Reue kam. Vergebens rief er den treuen Diener mit hundert schönen Namen, er weinte und rang die Hände, er war tot und blieb tot. Da stürzte er wild und wie ein wahnsinniger Mann durch den Wald zurück zu dem Waldhäuschen, doch es war öd und einsam, die freundliche Frau war verschwunden. Er sattelte im Stall eins seiner Pferde, sprang darauf und ritt verzweiflungsvoll weg, wohin, das wusste er selber nicht.
Also war er in tiefster Betrübnis Stunde an Stunde dahingesprengt auf wilden Waldwegen. Die Sonne stand im Mittag und sie ging zur Rüste und der Wald wurde immer dichter; weder Dorf noch Haus war zu sehen, Hunger und noch mehr Durst quälten ihn. Die ganze Nacht ritt er fort bis an den Wipfeln der Bäume der Schein des Morgenrots wiederstrahlte, da öffnete sich der Wald und er kam auf eine große Wiese, darauf sprang eine klare frische Quelle. Er bückte sich zu ihr, um seinen brennenden Gaumen zu letzen und trank lange Züge. Als er sich aber wieder erhob, da siehe standen drei wunderschöne Jungfrauen vor ihm.
Er zog seinen Hut zum Gruße ab, doch sie schauten ihn finster und zornig an und sprachen: „Du hast in deinem bösen Zorne dein Glück verscherzt und unsere Erlösung auf lange Zeit verschoben. Jetzt wärest du im goldnen Königreich, wenn du gutem Rate und freundlichen Bitten gefolgt hättest, nun aber musst du noch lange wandern und viel kämpfen, bis du dahin kommen kannst.“ Da stürzte der Jüngling vor ihnen auf die Knie und rief voll Reue: „Ich will gern Alles dulden und ertragen, wenn ich nur meine Tat wieder gut machen kann, saget mir nur was ich tun soll.“ „Das ist uns nicht gegeben“, sprachen die Jungfrauen, „doch wollen wir dir beistehen, so viel uns erlaubt ist.“
Da gab die Älteste ihm ein Schwert, dem konnte nichts widerstehen und wer von ihm getroffen wurde, der sank tot zu Boden. Die zweite gab ihm eine Börse, die blieb immer mit blanken Goldstücken gefüllt, wie viel man auch herausnehmen mochte. Die Jungfrau aber, welche die Schönste war und zu der er sogleich in Liebe entbrannte, gab ihm einen goldnen Ring, dass er ihrer nicht vergesse. Dann verschwanden sie.
Jetzt fiel dem Jüngling wie ein Stein vom Herzen, er fasste sich einen frischen Mut und dachte an weiter nichts, als an das goldne Königreich und die drei Jungfrauen, besonders an die Jüngste. Er schwang sich auf sein Pferd und ritt ruhigern Sinnes in den Wald hinein. Noch war er keine hundert Schritte weit, als er ein schreckliches Zischen und jämmerliches Brüllen in dem Gebüsch hörte. Er sprang darauf zu und da war es ein scheußlicher Lindwurm, der seinen langen Schweif um einen Löwen geschlagen hatte und ihm sein Gift entgegenspie. Kurz entschlossen fasste der Jüngling sein Schwert und tat einen schweren Schlag, so dass er dem Lindwurm den Schweif abschlug und das abgehauene Stück fuhr mit solcher Gewalt in die Bäume hinein, dass es ganze Äste zerbrach. Mit einem zweiten Schlage traf er den Kopf des Drachen, so dass das Untier hinstürzte und die Zunge armslang aus dem Halse streckte. Der Löwe aber schüttelte sich und sprang vor Freuden, wie ein getreuer Hund zu seinem Befreier, drückte seinen zottigen Kopf an ihn und suchte ihm auf jede Art seinen Dank zu beweisen, folgte ihm auch seit dem Augenblicke überall hin. Da wuchs dem Jüngling der Mut, denn nun erkannte er die Kraft seines Schwertes und er ritt heiter manche Woche lang seines Weges fort bis er endlich an das Wasser Irrewellen kam, welches so groß und breit ist, dass man sein Ende gar nicht absehen kann.
Da lag am Ufer ein Schiff vor Anker und nicht weit davon stand des Schiffers Haus. Der trat heraus, grüßte den Jüngling und bot ihm Speise und Trank. Das nahm der Jüngling dankbar an, denn er hatte seit vielen Tagen nur von Wurzeln und Kräutern gelebt. Dann fragte er den Schiffer, ob er nicht wisse, wo das goldne Königreich liege? Der Schiffer sprach: „Wenn ihr dahin wollt, dann seid ihr schlecht beraten; das liegt weit, weit jenseits des Wassers und der Riesenländer und der Weg dahin ist schwer und gefährlich, denn die Riesen fordern von jedem, der durch ihr Land will, eine Hand oder einen Fuß als Zoll.“ „Ich fürchte mich nicht vor den Riesen“, erwiderte der Jüngling, „wenn ich nur in das goldne Königreich kommen kann.“ „Wenn ihr nicht anders wollt, dann fahre ich euch über“, sprach der Schiffer. Der Jüngling trat mit seinem Pferde und dem Löwen in das Schiff, der Wind blies in die weißen Segel und es flog über die Wellen dahin. Bald aber verfinsterte sich der Himmel, der Sturm erhob sich und warf das Schiff auf und nieder, wie einen Spielball, so dass man jeden Augenblick meinte, es müsse versinken, doch der Jüngling behielt seinen Mut und verzagte nicht. Nach einiger Zeit ließ der Sturm nach, es wurde wieder hell und heiter und das Schiff landete bei freundlichem Sonnenschein. Der Jüngling lohnte dem Fährmann reichlich, dankte ihm und stieg ans Land.
Noch ehe er sich recht umschauen konnte, hörte er einen entsetzlichen Lärm und sah drei Riesen, welche mit eisernen Stangen auf ihn zuliefen und schrieen, sie müssten seine rechte Hand zum Zoll haben. „Gemach, gemacht“ sprach der Jüngling, „das hat nicht so große Eile“ und er trat ihnen fest entgegen, schwang sein Schwert und schlug in einem Hui zweien den Kopf ab, den dritten zerriss sein Löwe und nahm ihn als Frühstück ein, aber nicht ganz, denn der Riese hatte handdickes Fett auf den Knochen und war wohl genährt. Dann sprang der Jüngling auf sein Pferd und ritt frohen Sinnes weiter durch Wald und Heide, Wiese und Weide, bis er wiederum an ein großes Wasser kam. Am Strande stand ein Haus und vor dem Hause lag ein Schiff.
Der Schiffer trat aus dem Hause als er den Tritt des Pferdes hörte, grüßte den Jüngling und bot ihm Obdach und Labsal in seinem Hause an. Der Jüngling nahm dies dankbar an, denn er hatte seit seinem Kampfe mit den Riesen nichts mehr genossen. Nach dem Essen fragte er den Schiffer, wie das Wasser heiße und wo das goldne Königreich liege? „Das Wasser heißt Grausam“, sprach der Schiffer, „weil es alles verschlingen möchte, was auf ihm schwimmt und schwebt. Aber wenn ihr in das goldne Königreich wollt, dann habt ihr schlimme Wege. Das liegt weit jenseits des Wassers und der Riesenländer. Die Riesen fordern aber von jedem, der durch ihr Land will, eine Hand oder einen Fuß und ihrer sind viel, darum rate ich euch, bleibt lieber hier.“ „Ich frage nichts nach den Riesen und kämen sie auch zu Dutzenden“, sprach der Jüngling. „Wie ihr wollt, ich fahre euch gern über.“ Da stiegen sie alle in das Schiff, der Fährmann zog die Segel auf und der Wind blies so günstig, dass es eine Lust war. Er blies aber mit der Zeit immer stärker und stärker, der Himmel verfinsterte sich und ein schrecklicher Sturm mit heftigem Gewitter brach los. Das Wasser wurde stets wilder, die Wellen packten ordentlich das Schiff wie mit weißen Fäusten und warfen es herum, dass dem Fährmann Hören und Sehen verging. Aber da stellte sich der Jüngling ans Steuerruder und stand fest und aufrecht da und je wilder das Wasser wurde, um so mehr Freude machte es ihm. Endlich legte sich der Sturm, die Wellen wurden immer zahmer und kleiner und zuletzt waren sie ganz still und friedlich und das Schiff glitt nur so über sie dahin. Am Lande stieg der Jüngling mit seinen Tieren aus und gab dem Schiffer überreichen Lohn. Da sprangen sechs plumpe Riesen mit schweren Eisenstangen herbei, die schrieen ihm zu, er müsse ihnen seine linke Hand als Zoll geben, wenn er durch ihr Land wolle. „Sogleich sollt ihr sie haben“ rief der Jüngling, hob sein Schwert und hui sagte es, da wussten vier von den Riesen nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand; die zwei andern nahm der Löwe zum Frühstück und fraß als ob er in acht Tagen nichts mehr bekommen sollte.
Immer weiter ging nun die Reise über Berg und Tal, bis sie an ein drittes Wasser kamen. Da lag ein mächtig großes Schiff vor Anker und am Strande stand des Schiffers Haus. Der trat heraus, grüßte den Jüngling und bot ihm Obdach und Labsal. Das ließ er sich gefallen, denn in den Bergen und Tälern war er keinem Wirtshaus begegnet und sein Magen knurrte. Nachdem er sich gestärkt hatte, fragte er den Schiffer, wie das Wasser heiße und wie weit es bis zum goldnen Königreich sei? „Das Wasser heißt das Allerschlimmste“, sprach der Schiffer, „weil noch kein Schiff hat hinüber fahren können. Aber wenn man auch drüben wäre, dann hat man immer noch nicht gewonnen, denn da liegen neun Riesen, die lassen nicht mit sich spaßen; sie fordern von jedem die Füße als Zoll, der in das goldne Königreich will, und mit denen wird Niemand so leicht fertig.“ „Die Riesen kümmern mich nicht, wenn ihr mich nur überfahren wollt.“ „Dazu ist mir mein Schiff und mein Leben zu lieb“ erwiderte der Schiffer, aber als der Jüngling anfing, aus der Börse blanke Goldtaler auf den Tisch zu zählen, wurde der Fährmann immer mutiger und als der Tisch vollgezählt lag, sprach er: „Nun ich will’s wagen.“
Da stieg der Jüngling mit seinen Tieren in das Schiff, der Fährmann folgte und die Segel schwollen im frischen Winde. Plötzlich aber brach der Sturm los. Das Wasser wurde wie ganz schwarz, die Wellen gingen turmhoch und packten das Schiff, als ob sie es zermalmen wollten. Dazu zischten die Blitze, so dass der Himmel wie ein Feuermeer schien, der Donner folgte sich Schlag auf Schlag, kurz es war als solle die Welt untergehen. Der Schiffer jammerte und schrie, die Tiere wimmerten vor Angst, nur der Jüngling war ruhig und kalt. Als der Schiffer zuletzt gar Alles verloren gab, als die Segel rissen, der Mast brach, und keine Rettung mehr möglich schien, da fasste er das Steuerruder und hielt an demselben aus, bis die Wut des Sturmes sich legte, die wilden Wasser sich ebneten und die Sonne wieder hinter den Wolken hervortrat. Da lag das Riesenland vor ihnen, der Jüngling beschenkte den Fährmann noch einmal reichlich und machte sich mit seinen Tieren auf den Weg.
Er war nicht weit gegangen, da kamen die neun Riesen schon herangepoltert, schwenkten ihre dicken Eisenstangen über den Köpfen und schrieen alle durcheinander: „Deine Füße müssen wir als Zoll haben! Her deine Füße! Deine Füße her!“ „Ei schreit nicht so toll, ich höre es ja schon“, rief der Jüngling. „Wer will meine Füße haben?“ „Wir wollen sie haben“, schrieen die vier Ersten und wollten über ihn herfallen, aber hui sagte das Schwert und da waren sie alle vier mäuschenstill. Dann lief er zu den fünf andern, die nicht so schnell gelaufen waren, hui pfiff das Schwert und da lagen wieder drei da, die zwei letzten nahm der Löwe zum Mittagsbrot und fraß, dass er nicht mehr von der Stelle konnte.
Voller Freude schaute der Jüngling um sich und da lag in der Ferne eine wunderschöne Stadt, die strahlte und leuchtete in der Sonne wie reines Gold. Er ruhte einen Augenblick aus, dann spornte er sein Ross und sprengte auf die Stadt zu, aber je näher er kam um so weniger konnte er den Glanz aushalten. „Das muss das goldne Königreich sein“ sprach er, „oder ich finde es nie“, und er hatte Recht, denn es war die Hauptstadt vom goldnen Königreich.
Als er hinein kam, suchte und fragte er zuerst nach dem Königsschloss; dann kehrte er in einem Wirtshaus ein, welches dem Schlosse grade gegenüber lag. Da hörte er von dem Wirt, dass im Schlosse drei schöne Prinzessinnen seien, sie wären aber verwünscht und könnten nur durch den Bräutigam der Jüngsten erlöst werden; der wohne noch jenseits der drei Meere und der Riesenländer und es sei eine große Frage, wann er komme. Der Jüngling fragte weiter, wie der Bräutigam die Erlösung vollbringe, das Schloss sei ja immer geschlossen und man sähe ihm nicht an, dass ein lebendes Wesen darin wohne. Sprach der Wirt, wenn der Bräutigam im rechten Wagen und mit den rechten Pferden zu dem Schlosse fahre, dann werde es sich öffnen, weiter wisse er nichts.
Nun wusste der Jüngling genug, denn es war klar, dass nur er der Bräutigam sein konnte. Am folgenden Tage tat die Börse ihre Schuldigkeit, er kaufte einen schwarzen Wagen und sechs schwarze Rosse, nahm viele Diener an und kleidete alle schwarz; also fuhr er auf das Schloss zu. Als der Wagen in die Nähe des Tores kam, sprang es auf und da kam er in den großen Schlosshof. Der war aber öde und einsam und alle Türen und Fenster gesperrt; nur dem Tor gegenüber war ein zweites Tor, das war auch offen. Der Jüngling befahl dem Kutscher hindurch zu fahren, denn er glaubte in einen zweiten Hof zu kommen, aber er fand sich auf der Straße und das Tor schlug hinter ihm zu.
Da sah er, dass dies der rechte Wagen und die rechten Pferde nicht waren. Er kaufte sich nun einen prächtigen braunen Wagen mit sechs braunen Pferden, kleidete auch alle seine Diener braun und fuhr wieder auf das Schloss zu. Das große Tor sprang vor dem Wagen auf und der Wagen rollte in den Schlosshof. Da war es wiederum ganz still und einsam, nur waren die Fenster alle offen, so dass man in die prächtigen Zimmer sehen konnte, doch die Türen blieben geschlossen und keine lebende Seele zeigte sich. Da befahl er dem Kutscher, durch das zweite Tor zu fahren und als er kaum hindurch war, schlug es hinter dem Wagen zu.
Am folgenden Tage kaufte er sich einen schneeschloßenweißen Wagen mit sechs Schimmeln, kleidete alle seine Diener weiß und fuhr also nach dem Schlosse. Da sah er von weitem schon das große Tor sperrangelweit offen, auf dem Dache flatterten die Fahnen und die Kanonen schossen als er näher kam, dass der Erdboden zitterte. Als er hineinfuhr scholl ihm Musik entgegen von Pauken und Trompeten und der ganze Hof stand voll prächtig gekleideter Herren und Frauen und Diener; die schlossen seinen Wagen auf und empfingen ihn ehrerbietig, um ihn ins Schloss zu führen. Da stand an der Treppe der König mit seiner Krone auf dem Haupte, drei wunderschöne Jungfrauen zu seiner Seite. Die Jüngste und schönste aber eilte dem Jüngling entgegen und sprach: „Sei gegrüßt, mein Erlöser und Geliebter!“ Sie küssten sich und wurden zur Stunde mit einander vermählt und waren in treuer Liebe glücklich ihr Leben lang.